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Die merkwürdigsten Top 100 Chefköche

chef.pngDas Internetportal „Chef2Chef„, das für sich den Anspruch erhebt, „A Chef’s Practical Guide to Practically Everything“ darzustellen, hat eine ständig aktualisierte Liste der Top 100 Chefköche der Welt. Die Selbstbeschreibung liest sich zunächst einmal ganz interessant:

On this ranking list, Chefs nominate Chefs and then vote for their peers. This list accurately gauges a Chefs popularity and reveals the rising stars in the culinary industry!

Nur, wenn das tatsächlich die Wahl eines professionellen Publikums ist („Chefs bewerten ihre Kollegen“), dann finde ich es einigermaßen merkwürdig, dass ausgerechnet Fernsehkoch Jamie Oliver, dessen Gerichte mir höchstens durch ihre wenig feinfühlige Zubereitungsmethoden in Erinnerung geblieben sind, auf dem ersten Platz landet, während Adrià, Arzak oder Blumenthal hier überhaupt nicht vorkommen. Übrigens: das beste der 100 Top Restaurants ist das weltberühmte Rivertown Bistro in Conway.

(via Food, K.C. and other things)

Schnecke trifft Espuma

berlinale.pngOkay, der Tagesspiegel vermeldet: Adrià wird also nicht auf der Berlinale kochen – das war nach dem Documenta-Rückzug auch nicht zu erwarten. Die Diskussion mit Carlo Petrini, dem Slow Food-Gründer, am 11. Februar um 19:00 dürfte jedoch interessant werden. Vielleicht merken dann die Zurück-zur-Natur-Kulinaristen, dass beide Richtungen gar nicht so weit von einander entfernt sind. Im Flyer zum Kulinarischen Kino heißt es nämlich:

„In der Welt der Haute Cuisine können wir manchmal die Realität nicht sehen“, sagt Ferran Adrià. Doch Carlo Petrini hat ihm die
Augen geöffnet und aus ihm einen Slow Food Anhänger gemacht. Beide kämpfen für die kleine Landwirtschaft, für Jugendprojekte
und für gesunde Ernährung.

Wobei sich allerdings die verwendeten Sprachspiele deutlich unterscheiden und ich zugeben muss, dass mir die selbstironische Alchemistensprache eines Adrià deutlich sympathischer ist als das neoviktorianische Elitesprech à la „Convivium“ und „Arche„.

Spaß mit der molekularen Gastronomie

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Neben den vielen kulturkritischen, elitären oder naturköstlerischen Beiträgen über die Molekularküche, hier endlich einmal wieder eine positive Würdigung. Die Zeitung „Westword“ aus Denver konzentriert sich in dem Artikel „Fun With Molecular Gastronomy“ auf ein ganz wichtiges Element, das neben den Michelin-Erfolgen zur Zeit die wichtigste Grundlage für den molekularen Boom sein dürfte: den Spaß am Experimentieren mit neuartigen Geschmackserlebnissen, zum Beispiel im Fall von

dishes that made my hardened brigade of gastronauts giggle like schoolchildren and lapse into moments of babbling reverie, struggling for words to describe the indescribable.

Aber das muss nicht bedeuten, dass hier bloß um des Effekts willen molekular gekocht wird, denn im Vordergrund steht nach wie vor der Geschmack. Und die Zubereitung von „vacuum-compressed tomatoes with a flavor like an entire summer condensed down into one perfect day“ ist als Geschmacksziel auch für die Haute Cuisine legitim:

It might not look like food, might not have the temperature you’re expecting, or the texture, the color or even the flavor. But every plate that he makes is inarguably food.

Vielleicht fehlt den Gegnern der molekularen Küche auch einfach nur die grundlegende Fähigkeit zur gastronomischen Hermeneutig, gutes Essen auch dann zu erkennen, wenn es nicht so aussieht wie gewohnt?

Aber die schönste Beobachtung von Jason Sheehan ist ein molekulargastronomischer Trickle-down-Effekt: Zwar erreichen Adrià, Blumenthal und Amador in ihrem Umgang mit Gels, Schäumen und Stickstoff eine ganz andere Dimensionen der Perfektion und Kochkunst, aber auch haubenlose Köche fühlen sich durch diese neuen Kochmethoden zu kulinarischen Experimenten inspiriert, so dass daraus eine technische Aufrüstung der Küchen folgt:

And in the next couple of years, I think it’s going to be a rare kitchen that doesn’t have a vacuum sealer and a thermal circulator — two of the more pedestrian gadgets used regularly by molecular gastronomists and proponents of cutting-edge prep.

Besonders spannend daran: Obwohl viele Köche sagen, mit der molekularen Küche und ihren Chemikalien nicht viel am Hut zu haben, ist eine rasche Veralltäglichung dieser Geräte im Gang. Mittlerweile, so Sheehan, ist die Methode des Vakuumgarens (sous-vide) zur Normalität geworden – noch vor fünf Jahren war das „way too far out for most guys“.

Ich würde hinzufügen, dass von diesem Wandel nicht nur um Profiköche betroffen sind, sondern dass sich auch Amateurköche und Hobbyexperimentatoren zunehmend für diese Möglichkeiten interessieren, wozu die Möglichkeiten, über das Internet Rezepte, Bezugsquellen und Tipps auszutauschen, sicher maßgeblich beigetragen hat. So schreibt zum Beispiel jemand im Feinschmeckerforum: „Durch die Molekulare Gastronomie hab ich endlich die blöden Gänse im Griff.“

(Abbildung: „Billowing Potion“ von gskx)

Rene Redzepi: nordisk gourmetkøkken statt nueva nouvelle cuisine

noma.jpgWas der Tagesspiegel unter dem Titel „Die Gewürze des Nordens“ schreibt, klingt so, als könne man nur noch dann als Spitzenkoch vor den Kritikern des Guide Michelin bestehen, wenn man sich ausdrücklich von der Molekulargastronomie distanziert. Der Anlass ist die Auszeichnung von Rene Redzepi, der in Kopenhagen das Restaurant „Noma“ führt, mit zwei der begehrten Sterne:

Redzepi hat bei zwei Giganten der Küche gelernt, bei Ferran Adria in Katalanien und bei Thomas Keller in Kalifornien, doch er ist so schlau, nichts von diesen höchst gegensätzlichen Chefs direkt zu übernehmen. Das heißt speziell, dass er kaum Anleihen bei Adrias avantgardistischer Küche der Dekonstruktion macht, sondern auf bester handwerklicher Basis einen eigenen Weg geht.

Da sind wir doch gespannt, wie denn diese undekonstruktivistische Küche so aussieht, die ihm metaphorischen Terrain des Handwerks zu Hause ist und nicht in der kalten, sterilen Welt der experimentellen Wissenschaft, wie sie Adriàs „Taller“ sicher für den Tagesspiegelautor Bernd Matthies verkörpern dürfte. Liest man aber die im folgenden Absatz vorgestellten Gerichte, so könnte man sich doch die Frage stellen, was hier denn so ganz anders aussieht, beziehungsweise, was ein handwerklich hergestelltes „intensiv nach Austern schmeckendes Gelee“ von einem auf auf wissenschaftlicher Grundlage entworfenen „intensiv nach Austern schmeckenden Gelee“ unterscheiden soll. Oder wie Matthies dazu kommt, in Redzepis „Samsø-Kartoffeln ‚in Texturen'“ den eigenen Weg sieht, der so gar nichts mit der Avantgardeküche zu tun hat?

Der Fehler scheint mal wieder darin zu liegen, dass die Bedeutung der molekularen Gastronomie bzw. der nueva nouvelle cuisine als Paradigmenwechsel des Kochens zu Anfang des 21. Jahrhunderts übersehen wird. Es geht nicht um substanzlose Aha-Effekte auf speziell dafür entworfenen Degustationstellern, sondern um eine neue Hermeneutik des Geschmacks und die experimentelle Freude daran, konzentrierten Geschmacksideen mit neuen, zum Teil aus der Lebensmittelchemie stammenden Methoden näher zu kommen. Für mich liegen die Samsø-Kartoffeln genau auf dieser Linie. Und sagt Redzepi nicht selbst im gemeinsam mit Claus Meyer verfassten Manifest für eine neue nordische Küche: „The flavor shouldn’t hit you in the face—you have to taste the food and find the flavors yourself.“

(via GourmetReport, Abbildung „NOMA appetizers“ von trixieskips)

Einfache und molekulare Küche – ein Scheingegensatz?

In New York gibt es eine interessante Gruppierung, die sich „Culinary Historians of New York“ (CHNY) nennt. Die Mitglieder – Gourmets, Wissenschaftler, Historiker, Autoren und New York City-Fans – treffen sich im monatlichen Rhythmus um über diverse ernährungshistorische Themen vom Hamburger bis zum Absinth zu diskutieren. Das letzte Mal ging es um die Differenz zwischen einfacher und komplexer Ernährung. Dazu hatten sie sich die Nahrungshistorikerin Rachel Laudan, die im Übrigen auch ein eigenes, sehr lesenswertes Blog führt, eingeladen, die dort einen Vortrag hielt über

the differences between “refined cookery” and “plain fare.” This difference has played a role in civilized culture since the time of the ancient Greeks and continues at present in the form of “molecular gastronomy” versus “local, seasonal, organic” simple cuisine, or at the extreme, the “raw food” movement.

Auf den ersten Blick ist diese Differenz nachvollziehbar, zum Beispiel wenn man sich auf dem einen Teller einen Rohkostsalat vorstellt und auf dem anderen die Gemüsegelatinen von Ferran Adrià, die nur noch die Geschmacksessenzen ihrer Zutaten enthalten.

Schwierig wird es jedoch, wenn man sich fragt, was hier mit „molekularer Gastronomie“ gemeint ist. Wenn damit die kulinarische Aufklärung à la Thomas Vilgis, Harold McGee oder Hervé This gemeint ist, fällt dieser Unterschied in sich zusammen, da auch Rohzutaten bzw. sehr einfache Rezepte molekularkulinarisch analysiert und beschrieben werden kann. Zudem: ist ein Gelatinewürfel nicht „plain fare“?

Wenn dagegen die neue Avantgarde der Haute Cuisine gemeint ist, ist der Unterschied ebenfalls nicht so einfach. Das wird schnell deutlich, wenn man einen Blick in das Manifest Statement on the ’new cookery‘ wirft, das Ferran Adrià, Heston Blumenthal, Thomas Keller und Harold McGee gemeinsam veröffentlicht haben: „We wish to work with ingredients of the finest quality“. In Ferran Adriàs zweiten von 23 Geboten heißt es entsprechend:

die verwendung von produkten höchster qualität wird als selbstverständlich vorausgesetzt, ebenso wie das technische wissen, diese zu verarbeiten.

In den meisten der Avantgarderestaurants geht es dementsprechend um das Kochen mit lokalen und biologischen, z.T. auch saisonalen Produkten. Sergio Herman kocht in seinem Restaurant Oud Sluis saisonal, biologisch und lokal: das Paradebeispiel sind die Zeeland-Austern. In dem Artikel wird als Beispiel für die „einfache“ Küche David Changs Schweineimperium genannt. Aber: ist Adriàs Gemüsegelatine – Karotten entsaften, durch ein Sieb gießen, mit Gelatine und Agar versetzen – nicht sehr viel einfacher und „unprozessierter“ als jedes beliebige Gericht aus der Momofuku-Speisekarte?

Das spannende an der molekularen Gastronomie ist, dass sie eben diesen Unterschied zwischen einfach und kompliziert, bodenständig und wissenschaftlich und sogar dem Rohen und dem Gekochten in Teilen außer Kraft setzt.

Umami-Bikinipizza nach Ferran Adrià

Was soll das jetzt sein? Essbare Strandbekleidung mit Gewürznote? Nicht ganz. Bikini ist ein typischer katalanischer Snack, ein gegrillter Sandwich mit Käse und Schinken. Hier die schinkenlose Version aus Ferran Adriàs schneller Küche:

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Zutaten (für 4 Brote)

  • 8 Scheiben Weißbrot auf Sauerteigbasis
  • 250 g Büffelmozzarella, in feine Scheiben geschnitten
  • Getrocknete Tomaten in Olivenöl
  • 4 kleine Champignons in feinen Scheiben
  • 4 große Basilikumblätter
  • 2 Esslöffel extra-vergines Olivenöl

Zubereitung

  1. 4 Brotscheiben belegen mit: Mozzarella, Tomaten und Champignons. Dann jeweils einen Teelöffel von dem Olivenöl, in dem die Tomaten eingelegt waren, darauf träufeln. Basilikumblatt auflegen und dann mit der anderen Brotscheibe schließen.
  2. Eine große Pfanne mittelheiß erhitzen und die vier Brote hineinlegen. Einen schweren Topf auf die Sandwiches stellen, dass sie zusammengepresst werden. Toasten bis goldbraun. Währenddessen einmal wenden.

Mit den Tomaten und den Champignons haben wir zwei ganz klassische Umamiträger und dazu jede Menge Öl um den Geschmack an unsere Rezeptoren zu transportieren. Außerdem ein wunderbar knuspriges Medium, in das man sich selbst, wie hier näher ausgeführt, lustvoll einschreiben kann.

Dreisternekoch als Fastfood-Unternehmer: Ferran Adriàs "Fast Good"

fg.pngDass hierzulande auch Sterneköche immer wieder in Fernsehsendungen aufkreuzen um dort ein wenig herumzublödeln und nebenher noch ein Gericht zuzubereiten, das das Fernsehpublikum zum Glück weder riechen noch schmecken muss, ist verständlich. Irgendwoher müssen sie ihr Sternehobby ja finanzieren, denn nur ganz wenige der Dreisternerestaurants können kostendeckend operieren. Zu groß die Anforderungen der Gastrokritiker an Einrichtung, Personalschlüssel und natürlich auch die Qualität der Lebensmittel. Und irgendwo in der Nähe von 300 Euro liegt dann doch die Schmerzgrenze dafür, was man für ein Menü verlangen kann.

Der beste Koch der Welt, Ferran Adrià, geht auch hier einen etwas anderen Weg. Er kocht nicht für Kerner, sondern hat zusammen mit NH-Hoteles eine Fast-Food-Kette auf Franchise-Basis gegründet. Auf den ersten Blick mag das überhaupt nicht zusammengehen, aber wenn man sich mit seiner Philosophie näher auseinadersetzt, ergibt das durchaus Sinn. Adrià spricht sich immer wieder dafür aus, die Qualität von Produkten gänzlich unabhängig von ihrem Preis zu bewerten. Es geht nicht um Luxus, sondern um den Versuch, auf experimenteller Grundlage und in Kooperation mit Experten aus der Lebensmittelindustrie eine Küche zu entwickeln, die Glück verschafft.

Warum sollte sich dieses Prinzip nicht auch auf belegte Brötchen anwenden lassen – also zum Beispiel mit dem Ziel, einen Hamburger zu entwickeln, der im Unterschied zu der gewöhnlichen Systemgastronomie ein gutes Geschmackserlebnis bietet, gesund ist und auch noch einigermaßen bezahlbar. Natürlich geht es hier nicht um handgeformte Sphärenravioli, die mit einem mehrminütigen Begleittext am Tisch serviert werden, aber: warum nicht die Erkenntnisse der Taller-Experimentierküche auch in den Massenmarkt zurückspeisen. Das magische Dreieck heißt: „rápido – con sabor – sano“ (schnell – wohlschmeckend – gesund).

fast-good.pngWie das konkret aussieht, kann man auf der Webseite von Adriàs Fastfoodkette imit dem programmatischen Namen „Fast Good“ bewundern. Da gibt es zum Beispiel ein Hähnchen thailändischer Art mit Basmatireis, einen infantilen Minihamburger, der sich besonders „für die kleinen Gourmets“ eignen soll sowie diverse Panini. Aber auch kalte Speisen wie Salate, Tapas oder Parmesanbrioches gibt es, ganz zu schweigen – und hier erkennt man den Meister – von den zahlreichen Espumas als Nachtisch.

espumas.pngDie Preise liegen zwar über den entsprechenden Angeboten der Konkurrenz aus den USA, dafür scheinen die Speisen aber gut anzukommen (allerdings meinte Siebeck dazu: „Immerhin dürfte es jetzt auch dem Bustouristen möglich sein, bei Ferran Adrià zu essen, was bisher, im El Bulli, nur Steuerhinterzieher nach langer Vorbestellung schafften“). So schreibt Luca über den „Good Burger„, es sei der beste Hamburger seines Lebens gewesen. Die Webseite ist sehr Web-Zwei-Nullig, nicht nur was das Layout betrifft, sondern auch in der Interaktivität: die Nutzer können die einzelnen Speisen kommentieren und auf einer Skala von 1-5 Punkten bewerten. Außerdem: Unter dem Titel „La opinión de nuestro chef“ bloggt Ferran Adrià selbst.

Mittlerweile gibt es Filialen in Barcelona, Madrid, Valencia und auf Gran Canaria sowie in Chile. Deutschland ist noch nicht auf der Fast Good-Landkarte verzeichnet. Wer sich dafür berufen fühlt, kann sich bei Adrià als Franchisenehmer bewerben. Oder man besucht die ebenfalls von Adrià und NH-Hoteles gemeinsam entwickelten Nhube-Restaurants am Stuttgarter oder Frankfurter Flughafen oder in Nürnberg.

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Neu, neu, neu und immer neurer – Amerika entdeckt den Sodasiphon

img_7067.jpgUnter der Überschrift „Exotic soda siphon makes comeback in home bars“ berichtet Joanne Sasvari für die kanadische Tageszeitung Vancouver Sun über die derzeitige Siphon-Welle in Amerika. Unsere Annahme, dass dieses Gerät (auch bekannt als Sahnesprüher oder Sodaspender) bislang außerhalb Deutschland und Österreich kaum bekannt ist, wird darin voll bestätigt, denn Sasvari nennt den Apparat so „exotic even the people who sell it don’t necessarily know what it is.“

Aber dank der molekularen Küche interessieren sich auch in Amerika immer mehr experimentierfreudige Köche und Barkeeper für dieses merkwürdige Gerät, das eigentlich ganz gut in die ebenfalls anwachsende Steampunk-Welle passt (oder für Neal Stephenson-Fans: Neoviktorianismus). In diesem Kontext erscheint der Siphon wie gerufen, da er zum einen die ultramoderne dekonstruktionistische Avantgardeküche eines Ferran Adrià repräsentiert („Now with the fad for molecular gastronomy, it’s making a comeback of sorts as chefs use it to foam everything from soup to nuts“), zum anderen aber auch auf eine mittlerweile 80-jährige Tradition zurückblicken kann – erfunden 1829 von dem ungarischen Benediktiner Anyos Jedlik und nicht weg zu denken aus dem (östlichen) Europa der 1920er und 1930er Jahre.

Bezeichnend ist auch, dass eine Amazon-Suche nach dem Sahne-Siphon verwandten Produkten folgendes Ergebnis liefert:

Kunden, die sich diesen Artikel angesehen haben…
Isi Thermo Whip, 0,5 l
interessierten sich auch für diese Artikel:
Die Revolutionen des Ferran Adria. Wie ein Katalane das Kochen zur Kunst machte Gebundene Ausgabe von Manfred Weber-Lamberdière

Das TEUBNER Buch – Deutsche Küche (Teubner Edition) Gebundene Ausgabe von Nikolai Buroh

Die Molekül-Küche. Physik und Chemie des feinen Geschmacks Broschiert von Thomas Vilgis

Tapas – Das Kochbuch Gebundene Ausgabe von Juan Amador

Dieter Müller – Einfach und genial. Rezepte aus der Kochschule des Meisters Gebundene Ausgabe von Dieter Müller

Die Molekularküche Gebundene Ausgabe von Thomas Vilgis

Tradition und Wissenschaft

Wieder mal ein übliches Missverständnis der molekularen Gastronomie. Gefragt, was denn die italienischen Köche von diesem (Reiz-)thema halten, antwortet Nancy Harmon Jenkins, New York Times-Autorin und Verfasserin einiger mediterraner Kochbücher:

They don’t think about it all . . . which is not to say everything is hidebound by tradition. But still there is a very profound sense of being Italian – not even Italian, of being Calabrian or being Sicilian.

Da hätte sie doch besser einmal einen Blick in Ferran Adriàs Manifest der neuen Avantgarde-Küche geworfen, in dem der 16. Punkt wie folgt lautet:

das ursprüngliche als stil ist ein gefühl der verbindung mit dem eigenen geografischen und kulturellen kontext, wie auch mit dessen kulinarischer tradition. die verbundenheit mit der natur ergänzt und bereichert diese beziehung mit der umwelt.

Oder einmal einen Blick auf die Gerichte geworfen, die Heston Blumenthal in The Fat Duck serviert. Traditionslosigkeit? Keine Spur. Eher eine Modernisierung der Tradition mit Elementen einer wissenschaftlich-experimenteller Herangehensweise.

Adrià und die Documenta

In einem Interview mit der argentinischen Zeitung La Nación äußert sich Ferran Adrià auch über die Kritik an seiner Teilnahme an der 12. Documenta in Kassel. Immer wieder war zu hören, dass Buergel und Noack mit der Einladung des katalanischen Dreisternekochs einen Medieneffekt erzielen wollten. Adrià bemerkt dazu trocken, dass er nicht Robert De Niro sei.

Andere kritisierten, dass durch die Documentateilnahme eines Kochs der Diskurs der modernen Kunst trivialisiert würde und zumindest auf den ersten Blick könnte man diesem Argument zustimmen, da die Gastronomie in ihrem Streben nach Genuss, Glück und Schönheit einem reaktionären Kunstbegriff entspräche. Während es in der Theorie der bildenden Kunst und der Literatur schon längst eine Auseinandersetzung mit Ästhetiken des Widerstands, des Grauens, des Scheußlichen gegeben hat, fehlen in der Gastronomietheorie entsprechende Momente.

Doch gerade die nueva nouvelle cuisine lassen sich Ansatzpunkte erkennen, die in diese Richtung weisen und auf unerwartete Geschmackserlebnisse abzielen – etwa indem einem Eis Salz statt Zucker beigefügt wird. Das ist schon ein – wenn auch auf anthropologischer und weniger historisch-kultureller Ebene anzusiedelnder – Versuch, auf Grundregeln des Geschmacks zu stoßen und diese durch ihre gezielte Verletzung sichtbar, erfahrbar, ja schmeckbar zu machen. Adriàs Entgegenung auf den Trivialisierungsvorwurf, die Gastronomie könne ihr Moment der Kreativität zum Kunstdiskurs beitragen, erscheint hier etwas zu bescheiden.

Wieder andere empfanden es als Enttäuschung oder Etikettenschwindel, dass Adrià bzw. sein El-Bulli-Team gar nicht persönlich auf der Documenta anwesend waren und man dort gar keine Avantgardeküche genießen konnte. Hierzu Adrià:

Wir kamen zu dem Schluss, dass die Küche nicht dekontextualisiert werden kann; wie ein Ballet oder eine Oper auch nicht außerhalb des Theaters stattfinden kann … Hätten wir dort gekocht, wäre das Catering gewesen und hätte die Erfahrung, wegen der wir eigentlich eingeladen wurden, verzerrt; außerhalb der ursprünglichen Umgebung würde das keinen Sinn ergeben.