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Bücherherbst – Neues von Achatz, Blumenthal, Adrià, Keller und Robuchon

Die Blätter verfärben sich, die letzten Wagyu-Burger wurden auf dem Grill gebräunt und die Lagotti Romagnoli machen sich wieder in der Dämmerung auf die Trüffelsuche. Es wird Herbst.
Das bedeutet aber auch: viele Spitzenköche kommen mit ihren neuen Büchern auf den Markt. Dieses Jahr freut sich die Molekularküche insbesondere auf die folgenden Neuerscheinungen der internationalen Gastrosophie:

  • Alinea CookbookAlinea von Grant Achatz. Sehr viel mehr muss man dazu eigentlich gar nicht sagen. 100 Gerichte, 600 Rezepte, 600 Fotos, Texte von Jeffrey Steingarten (Vogue), Mark McClusky (Wired) sowie der Zugang zur Onlinewelt des Alinea. Darüber haben wir auch schon berichtet. Erscheint am 15. Oktober bei Ten Speed Press. 38,99 EUR. Hier vorbestellen.
  • Keller Under PressureUnder Pressure: Cooking Sous Vide von Thomas Keller. In diesem Buch geht es auf hohem Niveau um das Thema Niedertemperaturgaren. French Laundry-Chef Keller verrät hier, wie man mit dieser Methode die zartesten Steaks und den perfekt gegarten Fisch zubereiten kann. Das Vorwort zu diesem Band hat der experimetelle Kochforscher Harold McGee geschrieben. Erscheint am 31. Oktober bei Workman Publishing. 68,99 EUR. Hier vorbestellen.
  • A Day at elBulliThe Complete RobuchonA Day at elBulli von Ferran Adrià. Auch der Großmeister der molekularen Küche lässt wieder von sich hören. Diesmal kein wissenschaftliches Werk, sondern ein Einblick in den kreativen Prozess, der hinter Gerichten wie einer gedämpften Brioche mit Mozzarella mit Rosenduft steckt. Da elBulli nahezu konkurrenzlos ist, was die Art Designer betrifft, gibt es auf den 600 Seiten mehr als 800 spektakuläre Aufnahmen. Aber natürlich auch einige Rezepte und Diagramme, die zum Markenzeichen der Adriàschen Labors geworden sind. Schön auch, wie unbescheiden auf dem Cover von dem „besten Koch der Welt“ und dem „besten Restaurant der Welt“ die Rede ist. Das gefällt uns, dann macht es auch nichts, dass die Rezepte den Verlagsangaben nach auch für den ambitionierten Hobbykoch nicht zum Nachkochen geeignet sind. Erscheint am 31. Oktober bei Phaidon. 46,99 EUR. Hier vorbestellen.
  • The Fat Duck CookbookPoint Ma GastronomieThe Complete Robuchon von Joël Robuchon. Eine neue Bibel, ein Klassiker, ein Geschenk. In Frankreich überschlagen sich die Kritiker in ihrem Lob für dieses Kochbuch, das sich der Popularisierung der modernen französischen Küche widmet. Von Pot-au-Feu über Sole Meunière zur Kirsch-Creme-Torte. Erscheint am 4. November bei Alfred Knopf. 27,99 EUR. Hier vorbestellen.
  • The Big Fat Duck Cookbook von Heston Blumenthal. Wahrscheinlich das Highlight des kulinarischen Bücherherbstes. Endlich packt Heston aus und gibt uns einen Überblick über die Küche eines der besten Restaurants der Welt (Siebeck ist da anderer Meinung: „Wenn Blumenthal der beste Koch der Welt ist, dann bin ich eine Bratwurst“, aber was soll’s). Dank Pfundkurs und opulenter Ausstattung („The books are hand-gilded, the slipcase is full cloth, the paper stock is extraordinarily heavy and all the photographs are varnished“) auch im Preis ziemlich groß und fett. Erscheint am 20. Oktober bei Bloomsbury. 133,46 EUR. Hier vorbestellen.
  • Ma Gastronomie von Fernand Point. Dieser Klassiker der französischen haute cuisine war lange Zeit vergriffen oder nur für astronomische Preise antiquarisch zu haben. Jetzt endlich kommt die schon etwas länger angekündigte Neuauflage mit 200 Rezepten des Lehrers von Paul Bocuse, Alain Chapel und Jean and Pierre Troisgros heraus. Erscheint am 23. Oktober bei Overlook. 31,99 EUR. Hier vorbestellen.

Demnächst folgen dann noch ausführlichere Rezensionen der Bücher – sobald die Molekularküche die Rezensionsexemplare erhalten hat.

Das Ende der Szechuanpfefferprohibition

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Für mich gehört der Szechuanpfeffer (Zanthoxylum piperitum, der chinesische Blütenpfeffer Hua Jiao) zu den faszinierendsten Gewürzen. Nur leider passt der Name nicht besonders gut zu dem Gewürz, denn mit Pfeffer hat es außer der Kugelform nichts gemeinsam. Tatsächlich ist es die Frucht des Gelbholzstrauches, der mit den Zitruspflanzen verwandt ist (gibt es auch als Bonsai). Der Geschmack ist ganz anders – am besten beschreibt es tatsächlich das Adjektiv „elektrisch“. Denn wenn man eines der Körner zerbeißt empfindet man auf der Zunge einen elektrisierenden Geschmack, in etwa so wie wenn man an den Polen einer 9-Volt-Blockbatterie leckt.

199248051_c125375979_m.jpgMit diesem Gewürz, das in der Szechuanküche einen prominenten Platz einnimmt und essentieller Bestandteil des chinesischen Fünfgewürzepulvers ist, kann man also das übliche fünfdimensionale Koordinatensystem des Geschmacks verlassen und so etwas wie „kulinarische Transzendenz“ erleben. Im Chinesischen gibt es für diesen Geschmack mit sogar ein eigenes Zeichen, das Taubheit, Anästhesie, Lähmung bedeuten kann.

Zu dem elektrisierenden Gefühl, dem Hauptelement des Geschmackserlebnisses, das auch nach dem Herunterschlucken eine ganze Weile anhalten kann, kommt dann noch eine angenehm frische, limonadige Süßsauernote. Dazu dann noch hölzerne Bestandteile – und fertig ist das wunderbare Szechuanpfefferbouquet. In den USA gab es seit 1968 kaum eine Möglichkeit, das auf legalem Weg zu erleben, den Szechuan war dort fast 40 Jahre lang verboten. Von wegen „Amerika, du hast es besser„. Man befürchtete nämlich, dass sich durch das Gewürz ein Baumkrebs („canker„) auf den ökonomisch bedeutenden amerikanischen Zitrusplantagen ausbreiten könnte. Kurios ist dabei die Tatsache, dass dieser Erreger Xanthomonas die Grundlage für die Produktion des Hydrokolloids Xanthan ist. Die US-Regierung hat also der Bevölkerung die Möglichkeit, eine authentische Szechuanküche zu schmecken, genommen, um im Pflanzenschutz auf der sicheren Seite zu sein.

2094250747_9d8c3afa9f_m.jpgJetzt wurde dieses Verbot wieder aufgehoben und die Chinarestaurants des Landes können wieder ihre kalten Nudeln mit Szechuanpfeffer, ihr Hühnchen in Szechuanpfefferöl, die warmen Nudeln in Szechuanpfeffersauce und die grünen Bohnen mit zerstoßenem Szechuanpfeffer genießen. Und wer weiß wie viele Amerikaner von der anästhesierenden Würzigkeit der Körner fast schon abhängig werden. Eine habe ich schon gefunden. Saucy Contessa schreibt nämlich: „it is what we use as our everyday pepper – this goes in almost everything we cook!“ Dabei ist die von diesem Gewürz ausgelöste Geschmacksempfindung, wie Harold McGee schreibt, eine faszinierende Angelegenheit. Es werden verschiedene Nervenenden angeregt, ein Berührungs- und Kältegefühl zu senden, die normalerweise für diese Empfindungen gar nicht zuständig sind. Er spricht demzufolge von einer „neurologischen Verwirrung“.

Trotz der Aufhebung der Szechuanpfeffer-Prohibition – legal verkauft werden kann das Gewürz aber nur, wenn es kurzzeitig auf 70°C erhitzt wurde -, ist es in den USA noch längst nicht überall zu finden. Aber es steht bereits in den virtuellen Regalen von amazon.com und kurioserweise beziehe ich meine Körner ebenfalls von einem amerikanischen Anbieter.

Auch die Blogosphäre kocht gerne mit diesem Gewürz, von einer Apfel-Kokos-Möhrensuppe über ein Grünes Spargel Sushi mit Szechuan-Pfeffer oder ein Fondue mit asiatischem Gewürzsud bis hin zu Ricottatörtchen oder einer asiatischen Glühweinvariante.

(Abbildungen „HuaJiao (Sichuan Pepper)“ und „HuaJiao field (Sichuan Pepper)“ von Philou.cn, „Shrimp“ von Laurel Fan)

Blumenthal und die Magie des Wassers

eleazar.pngGestern veröffentlichte die Nachrichtenagentur Reuters ein Interview mit Heston Blumenthal, das sie am Rande der Mailänder Foodmesse „Identita Golose“ (wir berichteten) mit dem englischen Dreisternekoch geführt hat. In der Überschrift wird auf „magic water“ hingewiesen, das Blumenthal anscheinend zur Zeit beschäftigt. Leider erfährt man in dem Interview nichts weiter darüber, denn auf die Aufforderung „Tell me more about the magic water“ antwortet er nur „I can’t say anything!“

Schade, ich hatte schon damit angefangen, mir Gedanken über diese – neben der Hitze – ebenfalls äußerst unterschätzte Zutat des Kochens zu machen. McGee widmet dem Thema zwar dreieinhalb Seiten seines Werkes, wenn man das aber mit den vier Seiten für Butter oder den fast doppelt so vielen Seiten über Zucker vergleicht, ist das für eine derart grundlegende Zutat doch etwas wenig. Bei McGee erfährt man etwas über die Polarität der Wassermoleküle, die dazu führt, dass Wasser so gut zusammenhält, über Wasser als Lösungsmittel, die Aggregatzustände und den pH-Wert. Von Magie oder Zauber keine Spur.

Dabei ist gerade der symbolische Wert des Wassers äußerst bedeutend. Nicht nur besteht unser Essen (wie auch unser Körper) zum größten Teil aus Wasser. Nein, auch die Assoziationen mit Wasser sind in der Regel sehr positiv. Das zeigen zum Beispiel immer wieder klangwissenschaftliche Studien in der Nachfolge von R. Murray Schafer: Wenn es um die Beurteilung von Geräuschen geht, werden Flüsse, Bäche, Quellen und sogar Springbrunnen meistens als besonders angenehme Klangkulisse empfunden. Insofern wäre es denkbar, dass Blumenthal, der in dem Interview immerhin mitteilt, momentan mit Lichtdesignern, Parfumeuren, Sounddesignern und Hologrammtechnikern zusammenzuarbeiten, auf diese positiven Gefühlswerte des Wassers anspielen wird. Zumal Wasser in seinem kulinarischen Archetypus eine wichtige Bedeutung hat:

When I was 15 or 16, we went to France and my parents took myself and my sister to a three Michelin-starred restaurant in Provence. You ate outside under olive trees, and there was the noise of running water.

Und dann ist da freilich noch die alchemistische Gegenüberstellung des langwierigen, feuchten Weges, der durch wiederholte Destillationen zum Stein der Weisen führt, und des kurzen, aber gefährlichen trockenen Weges, der in der Regel mit dem Salz verbunden wird. Salz und Wasser also eine weitere Polarität, die in dem gesalzenen Wasser, dem Meerwasser oder der Wiege alles Lebens aufgehoben werden kann. Zugleich aber eine für den Menschen gefährliche Flüssigkeit, wie schon Heraklit betonte: „Meerwasser ist das reinste und scheußlichste: für Fische trinkbar und lebenserhaltend, für Menschen untrinkbar und tödlich.“

In den meisten Kochrezepten wird das Wasser nicht weiter spezifiziert. Nur Tee-Enthusiasten und investigative Gastrokritiker wie Jeffrey Steingarten scheinen sich ausführlich mit dem Thema – mit dem Geschmack des Wassers – zu befassen. So zitiert Steingarten Studien, die von der simplen Erkenntnis, dass reines bzw. destilliertes Wasser nicht nur unbekömmlich ist, sondern auch miserabel schmeckt, ausgehen und schließlich feststellen, dass Wasser umso angenehmer schmeckt, je ähnlicher es der menschlichen Saliva wird. Anteile von Kalzium und Kalium sind wichtig, während Magnesium zu einer groben, bitteren Geschmacksnote führt. Steingarten schließt seine Ausführungen zum Thema Wasser mit dem Ergebnis, dass Naya, Volvic, Connoisseur, Bourassa, Quibell, Fiuggi, Lora, Poland Spring, St. Michel, St. Jean und Clairval seinem Idealbild einer klaren Alpenquelle am nächsten kommen, aber immer noch ein kleines Stück davon entfernt sind.

Einfache und molekulare Küche – ein Scheingegensatz?

In New York gibt es eine interessante Gruppierung, die sich „Culinary Historians of New York“ (CHNY) nennt. Die Mitglieder – Gourmets, Wissenschaftler, Historiker, Autoren und New York City-Fans – treffen sich im monatlichen Rhythmus um über diverse ernährungshistorische Themen vom Hamburger bis zum Absinth zu diskutieren. Das letzte Mal ging es um die Differenz zwischen einfacher und komplexer Ernährung. Dazu hatten sie sich die Nahrungshistorikerin Rachel Laudan, die im Übrigen auch ein eigenes, sehr lesenswertes Blog führt, eingeladen, die dort einen Vortrag hielt über

the differences between “refined cookery” and “plain fare.” This difference has played a role in civilized culture since the time of the ancient Greeks and continues at present in the form of “molecular gastronomy” versus “local, seasonal, organic” simple cuisine, or at the extreme, the “raw food” movement.

Auf den ersten Blick ist diese Differenz nachvollziehbar, zum Beispiel wenn man sich auf dem einen Teller einen Rohkostsalat vorstellt und auf dem anderen die Gemüsegelatinen von Ferran Adrià, die nur noch die Geschmacksessenzen ihrer Zutaten enthalten.

Schwierig wird es jedoch, wenn man sich fragt, was hier mit „molekularer Gastronomie“ gemeint ist. Wenn damit die kulinarische Aufklärung à la Thomas Vilgis, Harold McGee oder Hervé This gemeint ist, fällt dieser Unterschied in sich zusammen, da auch Rohzutaten bzw. sehr einfache Rezepte molekularkulinarisch analysiert und beschrieben werden kann. Zudem: ist ein Gelatinewürfel nicht „plain fare“?

Wenn dagegen die neue Avantgarde der Haute Cuisine gemeint ist, ist der Unterschied ebenfalls nicht so einfach. Das wird schnell deutlich, wenn man einen Blick in das Manifest Statement on the ’new cookery‘ wirft, das Ferran Adrià, Heston Blumenthal, Thomas Keller und Harold McGee gemeinsam veröffentlicht haben: „We wish to work with ingredients of the finest quality“. In Ferran Adriàs zweiten von 23 Geboten heißt es entsprechend:

die verwendung von produkten höchster qualität wird als selbstverständlich vorausgesetzt, ebenso wie das technische wissen, diese zu verarbeiten.

In den meisten der Avantgarderestaurants geht es dementsprechend um das Kochen mit lokalen und biologischen, z.T. auch saisonalen Produkten. Sergio Herman kocht in seinem Restaurant Oud Sluis saisonal, biologisch und lokal: das Paradebeispiel sind die Zeeland-Austern. In dem Artikel wird als Beispiel für die „einfache“ Küche David Changs Schweineimperium genannt. Aber: ist Adriàs Gemüsegelatine – Karotten entsaften, durch ein Sieb gießen, mit Gelatine und Agar versetzen – nicht sehr viel einfacher und „unprozessierter“ als jedes beliebige Gericht aus der Momofuku-Speisekarte?

Das spannende an der molekularen Gastronomie ist, dass sie eben diesen Unterschied zwischen einfach und kompliziert, bodenständig und wissenschaftlich und sogar dem Rohen und dem Gekochten in Teilen außer Kraft setzt.

McGee bekommt Chemiker-Preis

mcgee.pngWir wissen nicht, ob es an seiner Arbeit zur Geschmackschemie der Schokolade liegt, oder ob es eher um seine enorme Präsenz im Diskurs der wissenschaftlich-gastronomischen Aufklärung geht, aber Harold McGee wird den ebenso renommierten wie umständlich auszusprechenden James T. Grady-James H. Stack Award for Interpreting Chemistry erhalten. Ziel des Preises, der u.a. 1965 Isaac Asimov verliehen wurde, ist:

To recognize, encourage, and stimulate outstanding reporting directly to the public, which materially increases the public’s knowledge and understanding of chemistry, chemical engineering, and related fields.

Zwar hat die American Chemical Society, die diesen Preis jährlich vergibt, noch keine Pressemitteilung dazu veröffentlicht und auch in seiner „Hauszeitung“, der New York Times ist noch nichts zu lesen, aber auf der Seite des Preises ist der Name schon zu lesen. Deshalb aus der Molekularküche herzlichen Glückwunsch.

Hier noch ein Video, in dem Harold McGee (ab 10:00) über die wissenschaftliche Erforschung von Biolebensmitteln spricht und auch mit dem Mythos aufräumt, biologische Landwirtschaft sei weniger technologisch fortschrittlich als die konventionelle:

Bücher von Harold McGee:

(via)

Die Chemie der Schokolade

Vorbildlich finden wir die Aktion der American Chemical Society, ein informatives Webangebot zum Thema „Chemie der Schokolade“ bereitzustellen. Dort kann man sich zum Beispiel über die Geschichte der Brownies informieren (einschließlich einer Rezeptsynopse), über verschiedene Schokoladensorten und Temperatureinflüsse oder eben – und hier werden die Molekularköche hellhörig – über die Chemie des Schokoladengeschmacks. Zu diesem Punkt kann man sich ein Handout von Harold McGee herunterladen, das vermutlich nur wenige Punkte des Vortrags auf dem ACS-Schokoladenworkshop „Cooks with Chemistry – The Elements of Chocolate“ illustrieren soll, aber ein wunderschönes Schokoladengeschmacksrad (nach Alice Meldrich 1997) enthält:

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Wer es noch wissenschaftlicher mag und sich etwa über den Procyanidin- und Catechingehalt informieren will, kann hier dann auch noch die Abstracts von aktuellen Papieren zur akademischen Schokoladeforschung durchlesen. Wir hoffen, dass diese Seite weiter ausgebaut und vor allem regelmäßig gepflegt wird.

Das Nudelexperiment

In diesem Beitrag hatten wir bereits auf Harold McGees Vorschlag hingewiesen, die Nudeln vor dem Kochen in kaltem Wasser einzuweichen (Hydratisierung), so dass sie nur noch 1/3 der üblichen Kochdauer und zudem nicht mehr so stark kleben:

However heretical it may sound to soak dried pasta, doing so can cut its cooking time by two-thirds — and eliminates the problem of dry noodles getting stuck to each other as they slide into the pot.

Jetzt fragen wir uns natürlich: Wie lange müssen die Nudeln einweichen und wieviel Wasser nehmen sie dabei auf? Und das weckt die experimentelle Neugier. Nudeln, Waage und Wasser – los geht die Versuchsreihe. Folgendes Diagramm zeigt auf der X-Achse die Zeit in Minuten und auf der Y-Achse die Masse der Nudeln, wobei als Ausgangspunkt 100% angegeben sind:

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Man kann deutlich erkennen, dass in der ersten Viertelstunde die Wasseraufnahme besonders groß ist, so dass die Pasta nach 16 Minuten schon ein Viertel ihres Trockengewichts in Wasser aufgesaugt hat. Danach ist die Zunahme nicht mehr so groß. Außerdem, wie man auf den folgenden Bildern erkennen kann, die zu Beginn und nach 27 Minuten aufgenommen wurden, sehen die Nudeln zunehmend farbloser aus:

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Nach diesen Beobachtungen würde ich sagen, dass man es mit dem Einweichen nicht übertreiben sollte: 15 Minuten sollten genügen, um den Nudeln schon etwas Wasser für den Garprozess mit auf den Weg zu geben.

Die unsichtbare Allerweltszutat

Harold McGee widmet seine stets lesenswerten Kolumne The Curious Cook heute der Hitze:

The Invisible Ingredient in Every Kitchen.

Dabei geht es ihm zum ersten darum, auf molekulare Weise – sprich durch Nachdenken – bessere Ergebnisse zu erzielen. Und zwar egal ob beim Kochen, Schmoren, Braten oder Backen. Wichtiger noch ist ihm der Aspekt des Energiesparens.

Aiming to cook a roast or steak until it’s pink at the center, we routinely overcook the rest of it. Instead of a gentle simmer, we boil our stews and braises until they are tough and dry. Even if we do everything else right, we can undermine our best cooking if we let food cool on the way to the table — all because most of us don’t understand heat.

Dabei macht er Vorschläge zum Energiesparen, die selbst für denjenigen, der sich mit Sous-Vide-Garen abgefunden hat, noch hart zu akzeptieren sind: Da trockene Speisen innerlich erst kochen, wenn sie sich mit Wasser vollgesogen haben, spart es bis zu 2/3 der Kochzeit ein – so McGee – die Pasta vor dem Kochen in kaltes Wasser zu geben; und die Nudeln kleben dann angeblich nicht zusammen. – Das werden wir auf jeden Fall gleich mal testen!

McGees Empfehlung, beim Braten den Schritt des Garens von dem der Maillard-Reaktion zu trennen, folgen wir ohnehin (Das perfekte Steak).

Richtig professionell wird’s natürlich erst durch regelmäßigen Einsatz eines Thermometers (Taking the Temperature of the Dinner).

Also: molekular kochen und Klima schonen!

Blograllye: Umami 2008

Umami Blog RallyeDa sich im Jahr 2008 die Entdeckung der fünften Geschmacksrichtung durch den japanischen Forscher Kikunae Ikeda an der Kaiserlichen Universität zu Tokio das 100. Mal jährt wollen wir eine „Umami-Blograllye“ ausrufen.

(Genuss-)Blogs aller Art, die sich mit dem herzhaft-glutamatigen Geschmacksrichtung auseinandersetzen – sei es in Rezepten, in geschichtlichen Beiträgen, in kritischer Auseinandersetzung mit der Glutamatindustrie oder in Gestalt von Selbstversuchen -, können Ihren Text mit diesem Button kennzeichnen und den Molekularköchen per Trackback, Kommentar oder Email mitteilen, dass sie sich mit einem Beitrag an der Rallye beteiligen. Wir sammeln und verlinken dann alle Umami-Blogposts in einem Beitrag und hoffen, dass wir auf diese Weise etwas mehr über den „vergessenen“ (Emsley) oder gar „geheimnisvollen“ fünften Geschmack erfahren.

Der Bannercode zum Mitmachen sieht so aus:

Auch wenn der große Brillat-Savarin (1755-1826) dem Umami-Geschmack schon sehr viel früher auf der Spur war und versuchte, den geschmacksgebenden Bestandteil von Fleisch, das sogenannte „Osmazon“, zu extrahieren, führte Ikeda 1908 diesen speziellen Geschmack unter der Bezeichnung „Umami“ in die Wissenschaft ein. Er suchte nach der gemeinsamen geschmacklichen Komponente von reifen Tomaten, der Kombu-Alge, Spargel, Fleisch und reifem Käse – nach einer Komponente, die weder salzig noch süß, bitter oder sauer (die herkömmlichen vier Geschmacksrichtungen) war. Er fand diesen Geschmack im Glutamat, bzw. in der Glutaminsäure, einer Aminosäure. Man kennt es vor allem aus der Lebensmittelchemie als Geschmacksverstärker E620 (früher unter Verdacht als Auslöser des Chinarestaurantsyndroms), dabei handelt es sich eigentlich nicht um einen Verstärker, sondern eine eigene Geschmacksrichtung, deren Qualität intuitiv schon länger erkannt wurde: die Pizza-Kombination aus Tomate und Käse spricht dafür. 2001 machte dann Charles Zuker (dieser Name!) die entsprechenden „Umami“-Rezeptoren bei Menschen und anderen Tieren dingfest; seitdem gehört dieser fünfte Geschmack auch zum selbstverständlichen Bestandteil molekulargastronomischer Forschung und Literatur. Auch die ersten Umami-Kochbücher sind bereits erschienen.

Harold McGee übersetzt „Umami“ mit wohlschmeckend („delicious“) – die Molekularköche sind gespannt, auf welche deliziösen Umami-Gerichte die Genussblogger kommen.

Weitere Links zum Thema:

Mark Dommen über molekulare Qualität

dommen.pngNoch ein Name, den man sich merken sollte: Mark Dommen, Chef im Restaurant One Market (San Francisco) wurde nicht nur 2007 zum „Rising Star“ der StarChefs gewählt, sondern hat letzten Monat auch einen Michelin-Stern erhalten. Dommen war zuvor im Fleur de Lys und in Julia’s Kitchen in Napa tätig, wo er auch aufgewachsen ist, sowie im Lespinasse und dem Park Avenue Café in New York. In einem „Dreiminuteninterview“ mit dem Examiner äußert er sich auch über die Molekulargastronomie (zudem hat er kürzlich zusammen mit Harold McGee, Elizabeth Falkner (Citizen Cake) und Daniel Patterson auf einer Veranstaltung der San Francisco Professional Food Society einige molekulare Kochtechniken demonstriert):

Bay Area is starting to embrace molecular gastronomy, cooking at low temperature. That’s starting to gain more popularity here because it allows you to be a little more creative. It helps you produce a more consistent product and higher quality.

California, here we come!