Der Verzicht auf Essen oder Trinken spielt in den meisten Religionen eine wichtige Rolle. Wenn es darum geht, zur geistigen Sammlung oder seelischer Erweiterung, zur Selbsterhebung zu gelangen, scheint Fasten ein unverzichtbarer Bestandteil (s. dazu auch hier).
Essen und Trinken sind aber keineswegs grundsätzlich schlecht. Im Gegenteil spricht Christus über sein Verhältnis zu Essen und Trinken:
Denn Johannes der Täufer ist gekommen, der weder Brot aß, noch Wein trank, und ihr saget: Er hat einen Dämon. Der Sohn des Menschen ist gekommen, der da ißt und trinkt, und ihr saget: Siehe, ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund von Zöllnern und Sündern.
Lk 7,33
Thomas von Aquin nennt also drei Gründe für das Fasten im christlichen Leben:
Es soll die Begierde des Fleisches zügeln, dem Geist die Betrachtung des Erhabenen erleichtern und Genugtuung für die Sünden leisten.
Die Fastenzeit läd natürlich auch uns zur Auseinandersetzung mit einigen Themen des Kochens ein. Zunächst die Frage, welche Ernährung in der Fatenzeit angemessen ist. Seit dem 13. Jahrhundert sind alle Katholiken über sieben Jahren zum Fasten verpflichtet. An den Abstinenztagen heisst dass: nur eine sättigende Mahlzeit (collatio) und höchstens zwei kleine Brotzeiten, die in Summe aber nicht die Menge der collatio ergeben dürfen.
Wollte man Fleisch vermeiden, so wurde bereits im frühen Mittelalter neben dem heute üblichen Fisch auf andere Eiweißreiche und gehaltvolle Nahrung zurückgegriffen – als Fleisch gilt nur das Fleisch von warmblütigigen Tieren, manchmal sogar nur von vierfüßlern: Sumpfschildkröten, Schnecken, Muscheln, Flusskrebse waren beliebte Fastenspeisen. Eier dagegen als „flüssiges Fleisch“ verboten. Allerdings waren im Mittelalter etwa ein Drittel aller Tage des Jahres Fasttage, dabei aber die meisten nicht als Tage der strengen Abstinenz – das hätte die Gesundheit wohl doch zu stark angeschlagen.
Neben Fisch und Weichtieren ist natürlich das Starkbier als Fastenspeise berühmt. Es gilt ja die Regel
Liquidum non frangit jejunum
Flüssiges bricht das Fasten nicht
Diese Regel gilt allerdings keineswegs allgemein: Milch, Honig oder Fleischbrühe brechen sehr wohl das Fastengebot:
Nota, quôd illud axioma “ liquidum non frangit jejunium,“
non sit universaliter verum ; nam lac, mel & similia liquida sumpta frangunt jejunium. Potio chocolat non est merus potus juxta praedicta. Una uncia chocolat, prout ordinarie sumitur, praebet exiguum nutrimentum.[…] Cerevisia fortis est etiam concoctum ex aqua & farina granorum ; atqui iste potus non frangit jejunium ; ergo nec concoctum chocolat.
(sinngemäß: „die Regel, dass Flüssiges das Fasten nicht bricht, ist nicht grundsätzlich wahr; denn Milch, Honig und ähnliche verschenderische Flüssigkeiten brechen das Fasten. Getrunkene Schokolade ist nicht auf gleiche Weise vorgeschrieben. Eine Unze Schokolade gewährt je nach dem, wie sie verzehrt wird, geringe Nahrung.[…] Starkbier ist ebenfalls aus Wasser und Getreide gebraut; und dennoch bricht dieses Getränk das Fasten nicht; daher auch nicht die gebraute Schokolade.“)
Theologia moralis et dogmatica, Pierre Dens
Als nämlich im 16. Jahrhundert von Spanien aus die Schokolade ihren Siegeszug im Abendland begann, wurde die Frage nach der Fastentauglichkeit dieser zwar pflanzlichen aber auch sehr sinnlichen Speise, die alles andere als die Kontemplation fördert, für die durch die Reformation ohnehin gebeutelte katholische Kirche ein Thema.
Besonders die Jesuiten, die starken Anteil am Kakaohandel mit der Neuen Welt hatten, vertraten deutlich die These, dass Schokolade als Getränk im Einklang des christlichen Fastengebotes stünde. Der Legende wurdell Paul V. vom Bischof von Mexico im Jahre 1569 bedrängt, zu einer Entscheidung zu kommen, da in Mexiko der Genuss von Schokolade zur Fastenzeit unerträgliche Ausmaße angenommen hatte. Da der Papst noch nie Schokolade gekostet hatte, ließ er sich eine Tasse servieren, um sich ein Urteil zu bilden. Von dem ungewohnten Geschmack angewiedert soll er ausgerufen haben:
Potus iste non frangit jejunum!
Dieses Zeug bricht das Fasten nicht!
Diese Regel wurde mehrfach vom Vatikan bestätigt, nicht zuletzt im 17. Jahrhundertvon Kardinal Francesco Maria Brancaccio.
Das strenge Fastengebot wurde mehrfach gelockert. Zunächst wurden 1091 auf der Synode von Benevent die 46 Tage vom Aschermittwoch bis Ostern auf die spirituell wichtigen und seit Hieronymus überlieferten 40 Tage verkürzt:
Und er war daselbst bei Jehova vierzig Tage und vierzig Nächte; er aß kein Brot und trank kein Wasser.
2. Mose 34,28
Dann wurde Jesus von dem Geiste in die Wüste hinaufgeführt, um von dem Teufel versucht zu werden; und als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn danach.
Mt 4,1
Und schließlich sind seit der Reform durch Paul VI im Jahre 1966 nur noch Aschermittwoch und Karfreitag strenge Fasttage, Aber die Kirche empfiehlt weiter nachdrücklich, die ganze Fastenzeit als Zeit der Sammlung zu halten.
Eine interessante Empfehlung, Fasten und Kochen zu verbinden gibt uns der Kapuziner Bruder Paulus Terwitte:
„Raus aus der Spur – trau dich mehr Leben ins Leben zu bringen. Versuch’s mit natürlichem Kochen – weg von der Tütensuppe.“
Aber wie steht es mit Molekularen Speisen? Vegetarische Espumas sollten kein Problem sein, ebenso mittels Algen gewonnene Gels.