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Kocht Blumenthal demnächst für Channel 4?

Möglicherweise steht Dreisternekoch Heston Blumenthal (The Fat Duck) unmittelbar vor dem Wechsel seines TV-Senders. Bislang war er regelmäßig für die BBC in der Sendung „In Search of Perfection“ zu sehen, wo er auf der Suche nach der Herkunft bekannter und unbekannter Gerichte kreuz und quer über den Erdball gereist ist. Das Angebot des potentiellen neuen Senders Channel 4, in dem auch seine Kollegen Gordon Ramsay und Jamie Oliver (aktuell des Product Placements eigener Küchengeräte beschuldigt) beheimatet sind, soll mehr als eine Mio. Pfund (= 1,3 Mio EUR) betragen. Allein die Entwicklung neuer Rezepte soll dem Sender 300.000 Pfund Wert sein. Das jüngste Angebot der BBC soll dagegen nur halb so hoch ausgefallen sein.

Leider ist es genausowenig möglich, Channel 4-Sendungen außerhalb der britischen Inseln übers Internet zu betrachten wie BBC2-Sendungen:

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Weils gerade zum Thema passt, hier noch ein Video eines deutlich jüngeren Heston Blumenthal bei der Zubereitung von Hervé This‘ Chocolat Chantilly (hier in Nahaufnahme), ein Rezept, das die klassische Warnung, beim Schokolade-Schmelzen kein Wasser in die Schokolade zu lassen, bewusst und erfolgreich missachtet:

(via)

Achatz und Dufresne für den James Beard Award nominiert

150px-jbeard1.jpgBald ist es wieder soweit und die für die US-Gastronomie so wichtigen James Beard-Awards (benannt nach dem „Vater der US-Gastronomie“ und Autoren unzähliger Kochbücher, den die deutsche Wikipedia gar nicht kennt) werden verliehen. Die Jurymitglieder haben in den letzten Tagen ihre streng geheime „long list“ mit allen Nominierten erhalten und das Internetzeitalter wäre nicht das Internetzeitalter, wenn nicht kurze Zeit darauf die ersten Namen und schließlich sogar die ganze Liste (hier als pdf-Dokument) an die Öffentlichkeit gekommen wäre.

Auf der Liste findet man über 100 „Best Chefs“, ordentlich unterteilt in die kulinarischen Provinzen der USA: Pacific, North West, Southwest, Midwest, Great Lakes, South, Southeast, Mid-Atlantic, North East und New York City. Außerdem noch eine Katorie namens „Outstanding Restaurateurs“ für Besitzer mehrerer Restaurants in verschiedenen Regionen sowie die Kategorien für die besten Patissiers, Aufsteiger (unter 30) sowie herausragende Chefs, „whose career has set national industry standards and who has served as an inspiration to other food professionals“, herausragende Restaurants, herausragender Service, herausragender Wein sowie bestes neues Restaurant.

Auch die Molekularküche ist mit dabei: Grant Achatz (Alinea) tritt in der Kategorie „Outstanding Chef“ und Wylie Dufresne (wd~50) im Wettstreit um den Titel des „Best Chef“ in den five boroughs. Wir wünschen viel Glück.

Jeffrey Steingarten: The Man Who Ate Everything

steingarten.jpgWahrscheinlich haben die meisten Leser dieses Blogs das Buch „The Man who ate everything“ von Jeffrey Steingarten bereits (mehrmals) gelesen. Wenn nicht: diese im Geiste einer unvergleichlichen Leichtigkeit geschriebene Sammlung von Artikeln, die Steingarten als Food Writer für Vogue und Slate verfasst hat, sind für jeden Gourmet ein Pflichtprogramm (hier gibt es das erste Kapitel schon einmal als Vorgeschmack).

Fast am interessantesten sind die beiden Abschnitte, in denen Steingarten die gängigen Erkenntnisse der Ernährungsphysiologie unter die Lupe nimmt. Ganz gleich, ob es um die „mediterrane Ernährung“, den Zusammenhang von Salz und Hypertonie, die Gefahren der Fette, den Zusammenhang von weißem Zucker und Gewalttätigkeit oder den positiven Wert von Salaten geht – alles wird erst erst einmal grundsätzlich hinterfragt. Nach der Lektüre der entsprechenden wissenschaftlichen Literatur, die leider ohne Quellenangaben vorgestellt wird – das würde aber wahrscheinlich auch nicht zu der üblichen Vogue-Leserschaft passen.

Neben den ernährungsphysiologischen Bilderstürmereien ist in dem Buch natürlich auch sehr viel über gutes – aber nicht unbedingt gesundes – Essen zu lesen, das Steingarten in seiner Eigenschaft als Gastrokritiker in nahezu allen denkbaren Weltregionen zu sich genommen hat: vom Franzbranntwein-massierten Wagyu-Rind in Kyoto, Choucroute Garnie à l’Alsacienne in Ittenheim bis zu Tajarin mit selbst ausgegrabenen weißen Trüffeln im Piemont. Keiner der üblichen Höhepunkte eines erfüllten Gourmetlebens wird hier ausgelassen. Ein normales Pensum dieses Mannes scheinen bis zu 14 Restaurantbesuche in einer Woche zu sein. Kein Wunder, dass auch das Thema Abnehmen immer wieder angesprochen wird – vom Selbstversuch mit der Montignac-Diät bis zur Entgiftungskur in der Canyon Ranch: „I have always considered people who believe that chocolate is a poison to be twisted beyond redemption“.

Berührungsängste mit der Lebensmittelindustrie hat Steingarten nicht, so berichtet er zum Beispiel anfangs durchaus unvoreingenommen und positiv über das künstliche Fett Olestra. Wäre da nicht diese unangenehme Sache mit dem passiven Ölverlust, Steingarten sähe dieses „Fett ohne Folgen“ von Proctor & Gamble als Zeichen für den Anbruch einer neuen Ära der menschlichen Geschichte.

Müsste man die zentrale Aussage des Buches in einem Satz zusammenfassen, so wäre dies vermutlich folgender: Gutes Essen kommt in vielen Varianten vor, schlechtes Essen ebenso. Und in dem folgenden Absatz über die Küche Kyotos spürt man sogar einen Hauch molekularer Küche:

Japanese gourmets have always sought the mysterious and exotic in their ingredients and textures. As Diane Durston tells … the warlords and wealthy merchants of the Edo period played a game of guessing what they had just been served for dinner. Nothing could be more authentically Japanese than not knowing what you are eating.

Jeffrey Steingarten: The Man Who Ate Everything, New York, Vintage Books, 1997, 516 Seiten, ISBN 9780375702020, 15,95 USD. Deutsche Ausgabe „Der Mann, der alles isst“

Sauerteig durch spontane Säuerung (Teil 8)

Die letzten Male habe ich auf das Sauerteiglivebloggen verzichtet, da sich nicht besonders viel verändert hatte. Nachdem dann gestern Abend der Teig wieder nur etwa 1/5 an Volumen zugelegt hatte, habe ich mir fast schon ein wenig Sorgen gemacht. Die Blasenbildung war wie immer rege, aber das Wachstum würde einfach nicht genügen, um ein Brot richtig aufgehen zu lassen.

Heute Morgen dann endlich die Erleichterung: dem Starter hat das Mehl dieses Mal anscheinend besonders gut geschmeckt, denn er ist tatsächlich fast um die Hälfte aufgegangen. Auch die Konsistenz war eine andere als bisher: sehr viel schaumiger und luftiger. Man merkt das schon an dem Geräusch beim Umrühren, mittlerweile einem hellen Schmatzen. Und der Geruch hat sich zu einer leichten säuerlichen Note abgeschwächt. Die Penetranz der ersten Tage ist verflogen – was man leicht daran erkennen kann, dass die Familienmitglieder beim Teigfüttern nicht mehr die Küche verlassen.

Bald werde ich mich also daran machen, ein pain au levain naturel zu backen. Nur nach welchem Rezept? Die Auswahl der im Internet verfügbaren Varianten ist schier überwältigend. Ich denke, fürs erste wäre ein schönes weißes Kastenbrot keine schlechte Wahl, oder?

German Minderwertigkeitskomplex oder die gute deutsche Pute

golose1.pngHeute in der SZ las ich einen flotten Artikel der von uns sehr geschätzten Maren Preiss über die gerade zu Ende gegangene Mailänder Kochmesse „Identità golose“ (Italienischer Kongress der „Autorenküche“ – mal sehen, ob sich dieser Trendbegriff durchsetzt). Mit dabei waren zahlreiche Köche aus den wichtigsten kulinarischen Nationen der Welt: Italien, Frankreich, Spanien, Großbritannien, Finnland, Slowenien, Brasilien und Japan. Und Deutschland? Das Land von Eisbein und Sauerkraut war leider trotz des jüngsten Sterneregens nicht vertreten. Der Grund?

„Wir bringen die Deutschen nicht mit Genuss in Verbindung“, sagt Paolo Marchi, der den Kongress „Identità golose“ vor vier Jahren ins Leben gerufen hat. „Außerdem ist die deutsche Küche noch immer stark von der französischen beeinflusst. Es reicht heute nicht aus, nur eine gute Küche zu haben. Kreativität und Innovation sind mindestens genauso wichtig.“

Und wer konnte durch ebendiese Kreativität und Innovationskraft einmal mehr glänzen? Der britische Koch Heston Blumenthal (der mit den umstrittenen Spaghetti bolognese). Besonders bemerkenswert findet Preiss, und darin können wir ihr voll und ganz zustimmen, die Fähigkeit des Briten, nationale kulinarische Traditionen wie Fish and Chips oder Porridge mit molekulargastronomischem Hightech auf ein sternewürdiges Spitzenniveau zu bringen.

Die deutsche Küche hat dagegen mit einem Doppelproblem zu kämpfen, das wir ebenfalls schon angesprochen haben: Technologie- und Wissenschaftsfeindlichkeit (die Beispiele reichen von der Warnung der Kulinaristen bis zu Diskussionen in Weblogs) auf der einen Seite und eine ebenso schädliche Traditionsfeindlichkeit. Man kocht lieber mediterran statt sich auf die durchaus vorzufindenden regionalen (und weniger nationalen) gastronomischen Traditionen zu besinnen. Es fehlt also bis auf wenige Ausnahmen eine kulinarische Synthese aus der universalistischen Wissenschaftssprache (von Algin bis Xanthan) und den partikularen Traditionssträngen. Mit anderen Worten: es fehlt ein kulinarischer Kosmopolitismus, denn dieses Wort bedeutet gerade die Synthese aus Universalismus und Partikularismus.

Besonders schön auch Preiss‘ Seitenhieb auf die CMA:

Statt die deutsche Spitzengastronomie als probates Werbefeld zu entdecken, verbreitet die Slogans wie „Und ewig lockt das Fleisch“ oder „Deutsche Pute. Die Gute“. Deutsche Raffinesse lässt sich so nicht vermitteln.

Obwohl: eigentlich sind die beiden Slogans gar nicht so schlecht. Würden sie sich nicht hervorragend dazu eignen, dekonstruktivistische Gerichte à la Ferran Adrià zu bezeichnen?

Zerdrückte Eier mit Paprika und Schinken

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Sucht man auf Deutsch nach „zerdrückten Eiern“, dann findet man alles mögliche, unter anderem Hinweise auf Fortpflanzungsprobleme bei Chamäleons, Tipps zur Vorbereitung einer anstehenden Schlägerei oder Rechtshilfe für den Einzelhandel („Einfach den Kassiererinnen schriftlich anweisen, daß zerdrückte Eier sofort aus dem Verkehr zu ziehen sind“).

Sucht man dagegen auf Spanisch nach „huevos estrellados“, dann sieht die Sache gleich ganz anders aus. Nicht nur eine Menge köstliche Rezepte bekommt man zu sehen, sondern sogar Tageszeitungsartikel, die sich allein der Frage widmen, wo man in Madrid die besten zerdrückten Eier serviert bekommt (in den Restaurants Los Huevos de Lucio, La Bardemcilla, Casa Remigio, La Percha, El Quinto Vino, El Rincontico de Juan, Taberna Maripepa und Vinotinto). Zu dem Begriff gibt es selbstverständlich auch einen Wikipediaeintrag, die Madrid Fusión hat sich mit dieser Eierfrage bereits beschäftigt und es gibt auch Meisterklasserezepte dieser Köstlichkeit, zum Beispiel von Lucio (Casa de Lucio, der Referenz auf dem Gebiet zerdrückte Eier):

[E]l secreto de mis huevos es que no son fritos ni cocidos, diríamos que son una mezcla entre a la plancha y fritos. Para empezar, echo muy, muy poco aceite en la sartén -que no cubra los huevos- y espero a que se caliente bien. Añado un poco de sal a los huevos y los comienzo a freír por un lado y, luego, por el lado de la yema, pero sólo un poco, porque la yema no tiene que pasarse nunca. Para la presentación, pongo el huevo sobre las patatas previamente fritas y abro la yema, para que caiga sobre el todo el plato.

Schnell merkt man, dass der Begriff huevos estrellados nicht wortwörtlich zu nehmen ist, sondern das dies meistens nur eine ältere Bezeichnung für Spiegeleier (huevos fritos) darstellt.

Aber die Gelegenheit, aus dieser Doppeldeutigkeit etwas mehr zu machen, lässt sich ein Ferran Adrià natürlich nicht entgehen und kreirte ein Gericht namens „Huevos ‚estrellados‘ con pimientos y jamón“. Die Anführungszeichen um das estrellados haben in diesem Fall gerade nicht die Bedeutung, dass das Wort nur übertragen gebraucht wird, sondern genau das Gegenteil: Bestandteil dieser Speise sind tatsächlich 2 weichgekochte Eier, die mit der Gabel zerdrückt werden. Angerichtet wird in einem Glas auf einem Fundament kurz angebratener Paprika (besonders wohlschmeckend: eingelegte Pimientos del piquillo aus Lodosa) und Speckstreifen, garniert mit einer Scheibe Schinken. Aber Vorsicht: obwohl leicht flüssig, ist diese Köstlichkeit nicht als Fastenspeise geeignet.

Sauerteig durch spontane Säuerung (Teil 7)

Nach 52 Stunden: Der geruchliche Trend von vor 12 Stunden hat sich glücklicherweise fortgesetzt. Der Sauerteig riecht jetzt gar nicht mehr so stark modrig, sondern bereits deutlich säuerlich. Der Geruch geht in Richtung Kefir. Ich interpretiere die unterschiedlichen Geruchsnoten wie folgt: leichter Kefirgeruch könnte auf Hefepilze und homofermentative Milchsäurebakterien hinweisen, die begleitende Essignote, auf heterofermentative Essigsäurebakterien, die ebenfalls in dem Teig leben, vielleicht noch etwas zu viele?

Da musste ich natürlich auch einmal den Teig probieren: in der Tat ein deutlich saurer Geschmack, der fast schon auf der Zunge prickelt. Ich werde den Rest von nun an aufheben und probeweise verbacken. Bilder habe ich keine gemacht, da sich äußerlich nicht viel verändert hat (Blasen, Schaum).

Albert und Ferran Adrià: Das wissenschaftliche Lexikon der Gastronomie

elbulli.pngImmer wieder hat Ferran Adrià, wenn er nach seiner „wissenschaftlichen Kochweise“ gefragt wurde, betont, dass an seiner Avantgardeküche (leider) keine nennenswerte wissenschaftliche Beteiligung auszumachen sei. Die Wissenschaftler haben ihn und seine elBulli-Kollegen weitgehend im Stich gelassen, so dass sie sich die erforderlichen chemischen und physikalischen Grundlagen für die Herstellung der weltberühmten Espumas, Gels und Pulver selbst aneignen mussten. Dieses Buch ist gewissermaßen die Reaktion darauf – ein selbstbewusstes Statement, das aussagen soll: Wenn die Wissenschaft nicht auf uns zugehen will, dann gehen wir eben auf die Wissenschaft zu und schreiben das Nachschlagewerk, auf das wir so lange warten, eben in Eigenregie.

Nun hat der Hampp-Verlag dieses 2006 auf katalanisch das erste Mal erschienene „Lèxic cientific gastronómic“ binnen Jahresfrist auch dem deutschsprachigen Publikum zur Verfügung gestellt. Der Zeitpunkt könnte nicht besser gewählt sein, denn mit Erscheinen des Buchs hat der Adrià-Schüler Juan Amador für seine Version der nueva nouvelle cuisine seinen dritten Michelinstern erhalten, in zahlreichen Großstädten sind molekulare Kochkurse der Renner und auch die Massenmedien berichten zunehmend über die avantgardistische wissenschaftliche Küche.

Gleich auf den ersten Blick erfreut „Das wissenschaftliche Lexikon der Gastronomie“, das pikanterweise (Adrià hat sich immer wieder gegen das M-Wort gewehrt) den Untertitel „Das Grundlagenwerk der Molekularen Küche“ erhalten hat, durch seine hochwertige Ausstattung: durchgehend auf Hochglanzpapier gedruckt, mit vielen spektakulären, zum Teil doppelseitigen Fotografien aus der taller-Experimentalküche von Albert und Ferran Adrià, einem Daumenregister, übersichtlichen Tabellen und gut verständlichen Illustrationen chemisch-physikalischer Prozesse.

Jeder Eintrag ist auf dieselbe übersichtliche Weise gegliedert: Zuerst wird das jeweilige Stichwort einem oder mehreren Themenfeldern – die Oberrubriken lauten: Zusatzstoffe, Zusammensetzung von Lebensmitteln, ernährungswissenschaftliche Begriffe, wissenschaftliche Begriffe, sensorische Eigenschaften, physikalische oder chemische Verfahren, Mineralien, Technologie – zugeordnet. Danach wird das Stichwort in einem Satz knapp und allgemein verständlich definiert. Es folgen Informationen zu Herkunft oder Herstellung, Zusatzinformationen, Verwendungshinweise sowie in einigen Fällen auch Tipps zur richtigen Dosierung. Chemische Strukturformeln, CAS-Nummern oder Informationen zu den entsprechenden R- und S-Sätzen sucht man allerdings vergebens – Zielgruppe sind weniger ausgebildete Chemiker als experimentierfreudige Köche.

Auch wenn man schon den Oxford Companion to Food, den Larousse Gastronomique sowie die kochwissenschaftlichen Standardwerke von This, McGee und Vilgis im Regal stehen hat, ist dieses Buch eine lohnende Ergänzung, um sich mit Informationen über moderne Lebensmittelzusatzstoffe, die zum Teil noch gar nicht in der Gastronomie angekommen sind, vertraut zu machen. Bei zahlreichen Stoffen ist über die Verwendung in der Gastronomie zu lesen: „Im Versuchsstadium“, was vermutlich soviel bedeutet wie: momentan ist elBulli der einzige Ort, an dem man mit etwas Glück schon Gerichte damit degustieren kann.

Aber dieses Lexikon ist nicht nur zum Nachschlagen geeignet. Auch kulinarhistorisch ist dieses Buch eine Fundgrube, denn viele Einträge skizzieren in sachlicher, knapper Sprache das Bild einer wahrhaftig ikonoklastischen Kochweise, die keine traditionellen Grenzen mehr akzeptiert, wenn es um das Erreichen bislang unerreichbarer Geschmackserlebnisse geht. So ist zum Beispiel zur Buttersäure folgendes Anwendungsbeispiel zu lesen: „Verwendung, um z.B. Kartoffeln oder Paniertem die sensorischen Eigenschaften von Käse zu übertragen.“

Grundsätzlich ist allerdings die Frage nach der Funktion gebundener Lexika im digitalen Zeitalter zu stellen. Denn viele der Informationen hätte man sich auch aus dem Internet – allen voran der Wikipedia, die einiges über Lebensmittelzusatzstoffe weiß – zusammensuchen können. Jedoch: Was die Haptik betrifft, sind digitale Nachschlagewerke keine echte Konkurrenz für hochwertig produzierte Bücher wie das Adriá-Lexikon. Außerdem: Wer will sein Notebook neben den Herd stellen? Fragen wie diese scheinen auch schon die Brüder Adrià beschäftigt zu haben: In der Einleitung fordern sie ihre Leser explizit zur Mitarbeit auf und verstehen ihr Buch ausdrücklich als „Grundstein“ und „Aufruf“, der am Anfang einer Konversation zwischen Köchen und Wissenschaftlern – sowie möglicherweise auch interessierte Laien – stehen soll.

Albert und Ferran Adrià: Das wissenschaftliche Lexikon der Gastronomie. Das Grundlagenwerk der Molekularen Küche, Stuttgart, Hampp, 2007, 286 Seiten, ISBN 3936682194, 35,00 EUR.

Sauerteig durch spontane Säuerung (Teil 6)

Nach 48 Stunden habe ich jetzt zum ersten Mal eine leichte säuerliche Note errochen – zwischen Kiwi und Joghurt -, aber der modrige Mehlpampengeruch ist immer noch da. Ich bin gespannt, ob sich die neue Nuance ausbauen lässt. Ansonsten alles wie gehabt: Blasen und ein wenig Schaum auf der Oberfläche und ein ca. 20% Ansteigen des Niveaus.

Sauerteig durch spontane Säuerung (Teil 5)

Während mein spontaner Sauerteig vor sich hin schäumt und stinkt, habe ich mich ein bisschen im WWW umgesehen und festgestellt, dass Sauerteig anscheinend ein ziemlich heißes Thema ist. Es gibt eine Newsgroup zu dem Thema (rec.food.sourdough), einen „Sauerteigpapst“ namens Darrell Greenwood sowie ein Forum über „Dein Sauerteig – das unbekannte Wesen„. Sehr viel Unterhaltungswert haben die ideologischen Auseinandersetzungen, die immer dann entstehen, wenn ein Troll in eine Sauerteigdebatte hineinplatzt und sein Lieblingsrezept vorschlägt, das Hefe enthält. Klar wird so ein Unruhestifter dann gleich darauf hingewiesen, dass es gerade darum geht, ohne Hefe zu backen, weil Hefe nämlich _________________ ist (abwertende Bezeichnung nach Wahl einsetzen). Ich freue mich, dass Mike, nach dessen ich mich richte, auf einer Seite seine Brot-Philosophie darstellt (dabei geht es vor allem um die Vollkornideologie):

Good bread is my crusade, and good bread, like good people, come in all colors.

Nach ca. 36 Stunden sieht mein Starter wie folgt aus:

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Wie man sieht, ist der Teig inzwischen einmal fast um 1/4 angestiegen und dann wieder abgesunken. Wenn der Teig sich nach der Fütterung verdoppelt, ist er reif fürs Verbacken. Und natürlich sollte sich der Geruch auch ein bisschen verändern. Etwas säuerlicher und nicht mehr so dampfig-modrig (wobei es weder nach Buttersäure noch nach Aceton riecht).

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Da der Starter, wie man an den Blasen ablesen kann, bereits ziemlich lebendig ist, habe ich dieses Mal nur zur Hälfte Vollkornmehl genommen. Vielleicht riecht es mit dem Weißmehl besser.