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Wylie Dufresnes WD~50 bekommt dritten Stern

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… zwar keinen Michelinstern, sondern den dritten Stern des New York-Times Gastroressorts. Das ist nicht nur deshalb erfreulich, weil damit wieder ein Molekularer Gastronom ganz oben angekommen ist, sondern auch deshalb, weil damit eine äußerst lesenswerte Würdigung seiner Küche durch Frank Bruni, der bislang mit der amerikanischen Spielart der molekularen Küche nicht so viel anfangen konnte, verbunden ist.

Der Artikel beginnt mit einer ausführlichen Beschreibung eines der signature dishes von Dufresne: seinen Eggs Benedict. Hier haben wir dem Bericht von Bruni nach Molekulare Küche in ihrer feinsten Ausprägung. Der Ausgangspunkt ist ein ur-amerikanisches Gericht, das nicht nur wie es sich für eine ordentliche kulinarische Tradition gehört ganz unterschiedliche Begründungslegenden besitzt, sondern auch als Egg McMuffin in die Systemgastronomie und damit den kulinarischen Mainstream aller Mainstreams Eingang gefunden hat. Diese Legende der Art Deco-Küche wird von Wylie Dufresne dann verfeinert im besten Sinne des Wortes: zivilisiert, raffiniert und konzentriert. Bruni weiß das zu würdigen:

At once concise and comprehensive, it’s perhaps the tidiest Benedict the egg-loving world has ever known. It’s quite possibly the best, yielding more yolk, more hollandaise and a more pronounced juxtaposition of textures in each bite.

Die Frage ist, ob die Beobachtung der Kritiker, dass die experimentelle Küche von Wylie Dufresne immer besser geworden ist, tatsächlich darauf zurückzuführen ist, dass seine Küche, die sich weder um Konformismus noch um Grenzen des Denkbaren kümmert, treffsicherer geworden ist. Oder ist nicht viel eher der Fall, dass die Gastrokritik gerade lernt, an dieser neuen Küche Geschmack zu finden?

Ich bin zwiegespalten, wenn es um das „Geschmacksprinzip“ (pleasure principle) geht. Auf der einen Seite ist es selbstverständlich ein grandioses Erlebnis, wenn ein Gericht absolut harmonisch kombiniert ist und den Sinnen einfach nur Wohlgefallen spendet. Auf der anderen Seite sind kulinarische Herausforderungen von der Erweiterungen des eigenen Geschmacksfeldes um neue Noten und Kombinationen bis hin zum intellektuellen food for thoughts für mich ein ebensowichtiger Bestandteil eines guten Lebens. Insofern finde ich es gar nicht so negativ, wenn Wylie Dufresne in den letzten Kritiken „a certain contempt for the pleasure principle“ vorgeworfen wurde. Der gute Geschmack – auch eine dieser konventionellen Grenzen, die es einzureißen gilt? Auf diesem gastroklastischen Abenteuer kann es auch einmal notwendig sein, die Foie gras zu verknoten.

(Abbildung: „patriotic eggs benedict on crab cakes…“ von Joits, CC-Lizenz)

Achatz und Dufresne für den James Beard Award nominiert

150px-jbeard1.jpgBald ist es wieder soweit und die für die US-Gastronomie so wichtigen James Beard-Awards (benannt nach dem „Vater der US-Gastronomie“ und Autoren unzähliger Kochbücher, den die deutsche Wikipedia gar nicht kennt) werden verliehen. Die Jurymitglieder haben in den letzten Tagen ihre streng geheime „long list“ mit allen Nominierten erhalten und das Internetzeitalter wäre nicht das Internetzeitalter, wenn nicht kurze Zeit darauf die ersten Namen und schließlich sogar die ganze Liste (hier als pdf-Dokument) an die Öffentlichkeit gekommen wäre.

Auf der Liste findet man über 100 „Best Chefs“, ordentlich unterteilt in die kulinarischen Provinzen der USA: Pacific, North West, Southwest, Midwest, Great Lakes, South, Southeast, Mid-Atlantic, North East und New York City. Außerdem noch eine Katorie namens „Outstanding Restaurateurs“ für Besitzer mehrerer Restaurants in verschiedenen Regionen sowie die Kategorien für die besten Patissiers, Aufsteiger (unter 30) sowie herausragende Chefs, „whose career has set national industry standards and who has served as an inspiration to other food professionals“, herausragende Restaurants, herausragender Service, herausragender Wein sowie bestes neues Restaurant.

Auch die Molekularküche ist mit dabei: Grant Achatz (Alinea) tritt in der Kategorie „Outstanding Chef“ und Wylie Dufresne (wd~50) im Wettstreit um den Titel des „Best Chef“ in den five boroughs. Wir wünschen viel Glück.

"A lot going on here": wd~50

Mike Czyzewski war zu Gast in Wylie Dufresnes Restaurant wd~50 und hat nicht nur eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Gänge inklusive Weinangaben, sondern auch zahlreiche interessante Bilder mitgebracht, darunter auch die berühmte geknotete foie gras (die hier gezeigten Bilder sind von Joe Shlabotnik, da Mikes Bilder leider ein wenig dunkel sind):

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Mir gefällt die äußerst schlichte Präsentation der Speisen auf weißem Tellergrund. Schnell drängt sich hier die Assoziation einer leeren Leinwand auf. Zum Teil schlängeln sich die Speisen bis zum Rand des Tellers wie die weiße Schokolade – überhaupt schlängelt sich hier sehr viel. Die Saucen sind häufig mit einem sehr breiten, kräftigen Strich auf den Teller gemalt wie zum Beispiel das Orangenpüree, das den Tintenfisch begleitet. Aber immer sieht es wie zufällig aus; man könnte hier fast eine Art „Geworfenheit“ des Essens bzw. der Kochkunst herauslesen. Irgendwo zwischen Zen und Tàpies könnte man die faszinierende Bildersprache Dufresnes einordnen.

Auch ein klassisches Umamigericht ist dabei:
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Wylies Interpretation von Pizza: Peperonipüree, getrocknete Shitake-Pilze sowie Kugeln aus Zwiebelpulver, Tomatenpulver, Parmesan und Knoblauchöl. Wow. Interessant ist auch der Vergleich der in diesem Beitrag abgebildeten Speisen, die letzten Juli aufgenommen wurden, mit den Bildern in Mikes Beitrag. Die Pizzakugeln z.B. sind nahtlos aneinander gerückt, während der Gänseleberknoten dünner und mit weniger Grün serviert wird, wodurch er weniger wie ein Drache und mehr wie eine Schlange aussieht.