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Molekulares Dubai

463684899_394a1c21ee_d.jpg(Abbildung: „Dubai Metropolis“ von twocentsworth)

Eigentlich nicht besonders überraschend, dass es in dem Emirat Dubai mit dem „Tang“ mittlerweile auch ein Restaurant gibt, das sich einer molekulargastronomischen Mélange aus französischer und asiatischer Küche verschrieben hat. Heißt Dubai übersetzt doch Treffpunkt. Die Young Hoteliers haben mit Stuart Sage, dem Chef des Restaurants, ein unterhaltsames Interview geführt.

Als ich das erste Video gesehen habe, dachte ich zunächst: nur ein weiterer Fall der Umdefinition von molekularer Küche in reine Erlebnisgastronomie. Alle 14 Tage ein neuer Container mit 230 Liter flüssigem Stickstoff und dazwischen unzählige Gäste, die nach dem Zerbeißen eines kryogekochten Tomatenespumas Dampf aus der Nase ausstoßen. Event statt Geschmack, was auch zu folgendem Programmpunkt passt: „A Molecular New Years Eve…

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Aber die weiteren Interviews zeigen doch, dass der junge, sehr gesprächige Chef, der nicht nur passionierter Fußballspieler gewesen ist, sondern auch äußerlich eine gewisse Ähnlichkeit mit Heston Blumenthal aufweist, mit Leidenschaft bei der Sache ist. Auch die Bewunderung für Ferran Adriàs Laborküche ist nicht zu übersehen. Zwar wird als Paradebeispiel für gelungenes molekulares Kochen wieder einmal das nicht schmelzende Eis angeführt, bei dem der Gast sich fragt: „How did they do that?“ – also wieder der Aha-Effekt als Ziel und nicht ein geschmacklich erhabenes Erlebnis. Aber immerhin wird als zentrale Zielsetzung genannt: „Thinking outside the box“ bei einer gleichzeitigen Vertrautheit mit den kulinarischen Grundlagen wie der Escoffierschen Saucologie.

Hängen geblieben ist auch noch das Mantra „Knowledge is King“, was man durchaus zu der These verdichten könnte, mit der molekularen Küche ist eine Form des Kochens entstanden, die der fortgeschrittenen Wissensgesellschaft entspricht. Ganz am Ende wird es dann fast noch politisch, wenn Stuart Sage (allerdings nicht ganz ernst gemeint) die disziplinierende Kraft der Restaurantküche lobt, die eine Alternative dazu ist, hyperaktive Jugendliche in ein Bootcamp zu stecken.

Und diese Passage aus dem Time Out Dubai klingt doch fast wie ein originaler Blumenthal, oder?

The chocolate cognac and tobacco dessert, for example, takes you to the cool crumpled leather of a Chesterfield armchair – whisky swirling and warming in one hand, cigar smouldering slowly in the other. The rich, doughy chocolate cognac fondant plonks you among the murmured exchanges of an exclusive gentlemen’s club, while the smooth tobacco ice cream fills your mouth with flavours of subtle complexity, and leaves your throat piqued by the acrid bite of sweet bitterness that only a fine cigar can imbue. It is audacious, surprising, evocative, bewitching, and unreasonably tasty. Touched by genius.

Nachlese: Madrid Fusión

2184162630_a5099da18e.jpgAch, man bereut es doch, nicht dabei gewesen zu sein, wenn man die Zusammenfassung der Highlights der Kochmesse Madrid Fusión in der aktuellen Österreichische Gastronomie- & Hotel-Zeitung sowie im Salzburger Fenster liest:

  • Der Schwedische Spitzenkoch Magnus Ek (Skärgardskrog) fermentierte nicht etwa Faulfisch, sondern demonstrierte, wie er verschiedene Moose, Pilze und Kräuter (also kulinarische Objets trouvés) mittels Räucher-Pfeife zur Aromatisierung seiner Gerichte verwendet. Auch das wieder eine schöne Verbindung einer uralten Technologie (Räuchern) und lokaler Lebensmittel mit einer experimentellen postmodernen Kochweise.
  • Ferran Adrià (elBulli) machte sich unter dem Titel „Symbiose der süßen und salzigen Welt“ an die Dekonstruktion der Grenze zwischen dem Süßen und dem Pikanten, stellte einen Parmesan-Wein vor und plädierte für einen sinnvollen Einsatz der Mikrowelle in der Avantgardeküche: „Es wird immer von Schäumen und der Molekur- bzw. der Stickstoff-Küche geschrieben. Doch das sind dumme Mode-Floskeln. Es handelt sich schlussendlich doch immer um Küchentechniken, die wir Köche punktuell dort einsetzen können, wo wir es für richtig halten. Ein Menü sollte nie von Technik dominiert sein, sondern immer vom Geschmack. Doch wie wir das anstellen, liegt einzig und allein an uns Küchenchefs. Das ist unsere eigene Sprache und die einzige Freiheit, die wir wirklich haben“.
  • Auch unser Fernsehkoch Tim Mälzer war mit von der Partie und wurde neben Heston Blumenthal als einer der sieben weltweit erfolgreichsten TV-Köche geehrt. Danach stand er, so das Salzburger Fenster noch „geduldig Schlange, um seinen japanischen Kollegen Yukio Hattori und auch Ferran Adrià zu interviewen.“ Ich bin gespannt, ob es diese Interviews bald einmal irgendwo zu lesen gibt.
  • Und dann war da noch Marcos Morán (Casa Gerardo), der seine „Müllküche“ („Maritime Trash-Cooking“) vorstellte, in der bevorzugt Teile von Fischen verwendet werden, die sonst in der Fischmehlfabrik landen: Sardellen-Haut, Kabeljau-Leber und Tuna-Herz sind drei der neuen spannenden Rohstoffe der kulinarischen Avantgarde.

Österrreichische Gastronomiezeitung, Salzburger Fenster – kann es sein, dass sich die Österreicher etwas mehr für die Avantgarde der Spitzengastronomie interessieren als die deutschen Medien?

(Abbildung: „Fish smoking in Tanji“ von doevos)

UPDATE: Wie ich mittlerweile gesehen habe, widmete sich immerhin die taz-Bloggerin Dieta mediterránea der Fusión.

Zerdrückte Eier mit Paprika und Schinken

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Sucht man auf Deutsch nach „zerdrückten Eiern“, dann findet man alles mögliche, unter anderem Hinweise auf Fortpflanzungsprobleme bei Chamäleons, Tipps zur Vorbereitung einer anstehenden Schlägerei oder Rechtshilfe für den Einzelhandel („Einfach den Kassiererinnen schriftlich anweisen, daß zerdrückte Eier sofort aus dem Verkehr zu ziehen sind“).

Sucht man dagegen auf Spanisch nach „huevos estrellados“, dann sieht die Sache gleich ganz anders aus. Nicht nur eine Menge köstliche Rezepte bekommt man zu sehen, sondern sogar Tageszeitungsartikel, die sich allein der Frage widmen, wo man in Madrid die besten zerdrückten Eier serviert bekommt (in den Restaurants Los Huevos de Lucio, La Bardemcilla, Casa Remigio, La Percha, El Quinto Vino, El Rincontico de Juan, Taberna Maripepa und Vinotinto). Zu dem Begriff gibt es selbstverständlich auch einen Wikipediaeintrag, die Madrid Fusión hat sich mit dieser Eierfrage bereits beschäftigt und es gibt auch Meisterklasserezepte dieser Köstlichkeit, zum Beispiel von Lucio (Casa de Lucio, der Referenz auf dem Gebiet zerdrückte Eier):

[E]l secreto de mis huevos es que no son fritos ni cocidos, diríamos que son una mezcla entre a la plancha y fritos. Para empezar, echo muy, muy poco aceite en la sartén -que no cubra los huevos- y espero a que se caliente bien. Añado un poco de sal a los huevos y los comienzo a freír por un lado y, luego, por el lado de la yema, pero sólo un poco, porque la yema no tiene que pasarse nunca. Para la presentación, pongo el huevo sobre las patatas previamente fritas y abro la yema, para que caiga sobre el todo el plato.

Schnell merkt man, dass der Begriff huevos estrellados nicht wortwörtlich zu nehmen ist, sondern das dies meistens nur eine ältere Bezeichnung für Spiegeleier (huevos fritos) darstellt.

Aber die Gelegenheit, aus dieser Doppeldeutigkeit etwas mehr zu machen, lässt sich ein Ferran Adrià natürlich nicht entgehen und kreirte ein Gericht namens „Huevos ‚estrellados‘ con pimientos y jamón“. Die Anführungszeichen um das estrellados haben in diesem Fall gerade nicht die Bedeutung, dass das Wort nur übertragen gebraucht wird, sondern genau das Gegenteil: Bestandteil dieser Speise sind tatsächlich 2 weichgekochte Eier, die mit der Gabel zerdrückt werden. Angerichtet wird in einem Glas auf einem Fundament kurz angebratener Paprika (besonders wohlschmeckend: eingelegte Pimientos del piquillo aus Lodosa) und Speckstreifen, garniert mit einer Scheibe Schinken. Aber Vorsicht: obwohl leicht flüssig, ist diese Köstlichkeit nicht als Fastenspeise geeignet.

Albert und Ferran Adrià: Das wissenschaftliche Lexikon der Gastronomie

elbulli.pngImmer wieder hat Ferran Adrià, wenn er nach seiner „wissenschaftlichen Kochweise“ gefragt wurde, betont, dass an seiner Avantgardeküche (leider) keine nennenswerte wissenschaftliche Beteiligung auszumachen sei. Die Wissenschaftler haben ihn und seine elBulli-Kollegen weitgehend im Stich gelassen, so dass sie sich die erforderlichen chemischen und physikalischen Grundlagen für die Herstellung der weltberühmten Espumas, Gels und Pulver selbst aneignen mussten. Dieses Buch ist gewissermaßen die Reaktion darauf – ein selbstbewusstes Statement, das aussagen soll: Wenn die Wissenschaft nicht auf uns zugehen will, dann gehen wir eben auf die Wissenschaft zu und schreiben das Nachschlagewerk, auf das wir so lange warten, eben in Eigenregie.

Nun hat der Hampp-Verlag dieses 2006 auf katalanisch das erste Mal erschienene „Lèxic cientific gastronómic“ binnen Jahresfrist auch dem deutschsprachigen Publikum zur Verfügung gestellt. Der Zeitpunkt könnte nicht besser gewählt sein, denn mit Erscheinen des Buchs hat der Adrià-Schüler Juan Amador für seine Version der nueva nouvelle cuisine seinen dritten Michelinstern erhalten, in zahlreichen Großstädten sind molekulare Kochkurse der Renner und auch die Massenmedien berichten zunehmend über die avantgardistische wissenschaftliche Küche.

Gleich auf den ersten Blick erfreut „Das wissenschaftliche Lexikon der Gastronomie“, das pikanterweise (Adrià hat sich immer wieder gegen das M-Wort gewehrt) den Untertitel „Das Grundlagenwerk der Molekularen Küche“ erhalten hat, durch seine hochwertige Ausstattung: durchgehend auf Hochglanzpapier gedruckt, mit vielen spektakulären, zum Teil doppelseitigen Fotografien aus der taller-Experimentalküche von Albert und Ferran Adrià, einem Daumenregister, übersichtlichen Tabellen und gut verständlichen Illustrationen chemisch-physikalischer Prozesse.

Jeder Eintrag ist auf dieselbe übersichtliche Weise gegliedert: Zuerst wird das jeweilige Stichwort einem oder mehreren Themenfeldern – die Oberrubriken lauten: Zusatzstoffe, Zusammensetzung von Lebensmitteln, ernährungswissenschaftliche Begriffe, wissenschaftliche Begriffe, sensorische Eigenschaften, physikalische oder chemische Verfahren, Mineralien, Technologie – zugeordnet. Danach wird das Stichwort in einem Satz knapp und allgemein verständlich definiert. Es folgen Informationen zu Herkunft oder Herstellung, Zusatzinformationen, Verwendungshinweise sowie in einigen Fällen auch Tipps zur richtigen Dosierung. Chemische Strukturformeln, CAS-Nummern oder Informationen zu den entsprechenden R- und S-Sätzen sucht man allerdings vergebens – Zielgruppe sind weniger ausgebildete Chemiker als experimentierfreudige Köche.

Auch wenn man schon den Oxford Companion to Food, den Larousse Gastronomique sowie die kochwissenschaftlichen Standardwerke von This, McGee und Vilgis im Regal stehen hat, ist dieses Buch eine lohnende Ergänzung, um sich mit Informationen über moderne Lebensmittelzusatzstoffe, die zum Teil noch gar nicht in der Gastronomie angekommen sind, vertraut zu machen. Bei zahlreichen Stoffen ist über die Verwendung in der Gastronomie zu lesen: „Im Versuchsstadium“, was vermutlich soviel bedeutet wie: momentan ist elBulli der einzige Ort, an dem man mit etwas Glück schon Gerichte damit degustieren kann.

Aber dieses Lexikon ist nicht nur zum Nachschlagen geeignet. Auch kulinarhistorisch ist dieses Buch eine Fundgrube, denn viele Einträge skizzieren in sachlicher, knapper Sprache das Bild einer wahrhaftig ikonoklastischen Kochweise, die keine traditionellen Grenzen mehr akzeptiert, wenn es um das Erreichen bislang unerreichbarer Geschmackserlebnisse geht. So ist zum Beispiel zur Buttersäure folgendes Anwendungsbeispiel zu lesen: „Verwendung, um z.B. Kartoffeln oder Paniertem die sensorischen Eigenschaften von Käse zu übertragen.“

Grundsätzlich ist allerdings die Frage nach der Funktion gebundener Lexika im digitalen Zeitalter zu stellen. Denn viele der Informationen hätte man sich auch aus dem Internet – allen voran der Wikipedia, die einiges über Lebensmittelzusatzstoffe weiß – zusammensuchen können. Jedoch: Was die Haptik betrifft, sind digitale Nachschlagewerke keine echte Konkurrenz für hochwertig produzierte Bücher wie das Adriá-Lexikon. Außerdem: Wer will sein Notebook neben den Herd stellen? Fragen wie diese scheinen auch schon die Brüder Adrià beschäftigt zu haben: In der Einleitung fordern sie ihre Leser explizit zur Mitarbeit auf und verstehen ihr Buch ausdrücklich als „Grundstein“ und „Aufruf“, der am Anfang einer Konversation zwischen Köchen und Wissenschaftlern – sowie möglicherweise auch interessierte Laien – stehen soll.

Albert und Ferran Adrià: Das wissenschaftliche Lexikon der Gastronomie. Das Grundlagenwerk der Molekularen Küche, Stuttgart, Hampp, 2007, 286 Seiten, ISBN 3936682194, 35,00 EUR.

Blätterteig mit Octenol und Dipropylsulfid

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Wie sagte Jonathan Swift, der Verfasser von Gulliver’s Reisen einst: „For this is every cook’s opinion, No savoury dish without an onion“. Tatsächlich gehören die überwiegend auf Schwefelkomponenten beruhenden Zwiebelnoten zu den am leichtesten erkennbaren Geruchsnoten.

Dieses Geruchsbukett setzt sich zusammen aus den beiden nach Obst riechenden Aldehyden 2-Methyl-pentanal und 2-Methyl-butanal sowie einer großen Zahl an Schwefelverbindungen, die den charakteristischen Zwiebelgeruch verströmen, allen voran Dipropyldisulfid (Tokarska and Karwowska, Die Nahrung 25, 565-571 (1981)). Ein Teil der Verbindungen (z.B. Allylsulfid) gehen dabei eher in Richtung Knoblauch, während der andere Teil einen süßlichen Geruch beisteuert (die Propylverbindungen).

Dazu kommen bei diesem Gericht aus Ferran Adriàs schneller Küche dann noch Benzaldehyd (das sogenannte „falsche Bittermandelöl“), 1-Octen-3-ol (auch bekannt als Octenol) und 1,5-Octadien-3-ol (hier als Modell), die aromatisch wirksamen Bestandteile des französischen Brie (Karahadian, Josephson and Lindsay, J Dairy Sci 68, 1865-1877 (1985)) sowie die Oliven mit den Aromastoffen Hexanal (Apfelnote), 2-Hexenal (grüne Mandelnote), Hexan-1-ol („vorwiegend frisch-grün, etwas „pilzig“, mit krautiger Beinote“), 2-Hexen-1-ol, 3-Hexen-1-ol (beide mit ausgesprochen grüner Note) sowie 3-Methylbutanal (diesen fruchtigen Aromastoff findet man ebenfalls in Kakao und Parmesankäse) (siehe auch Morales, Berry, McIntyre and Aparicio, J Cromatography A 819: 267-275 (1998)).

Zutaten

  • Blätterteig
  • Frühlingszwiebeln
  • Schwarze Oliven
  • Olivenöl
  • Briekäse

Zubereitung

  1. Blätterteig in längliche Stücke schneiden, mit den blanchierten Frühlingszwiebelstreifen belegen und bei 180°C 4 Minuten im Ofen backen.
  2. Währenddessen die Olivenpaste zubereiten: Oliven entkernen, klein schneiden und mit dem Olivenöl vermengen.
  3. Nun die Blätterteigstücke mit dem Brie (ohne Rinde) belegen und weitere 4 Minuten backen bis der Käse verlaufen ist.
  4. Etwas von der Olivenpaste darauf verteilen und servieren.

TGRWT #9

180px-p8174339.jpgMan nehme die folgenden Aromastoffe:

Daraus gilt es in der nächsten Runde des Blogevents „They Go Really Well Together“ (TGRWT #9), diesmal zu Gast bei lamiacucina, eine leckere Speise zuzubereiten. Klingt erstmal ziemlich ekelerregend und scheint eine unmögliche Aufgabe zu sein, an der sogar „the man who ate everything“, Jeffrey Steingarten, scheitern dürfte. Oder?

Nicht unbedingt, denn in Abwandlung des alten Paracelsus-Zitats gilt auch auf kulinarischem Terrain: die Menge macht den (ekligen) Geschmack. In geringen Mengen und in der richtigen Kombination ergeben die oben aufgeführten Geruchsstoffe nämlich durchaus angenehme Lebensmittel: Kakao und Parmesankäse. Das klingt doch schon deutlich besser. Also: ab in die Vorratskammer, die StinkmorchelnSchokolade und den Parmesan herausgeholt und losgekocht.

Ich denke, die Molekularküchenblogger könnten sich ja mal an einer „Chocolat coulant au parmesan“ versuchen? Oder, da einige der Aromastoffe auch in getoastetem Brot vorkommen, eine Abwandlung eines Ferran Adrià-Rezeptes: „Parmesaniertes Toastbrot mit Zartbitterschokolade“?

Seehecht mit grüner Sauce

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Und weil es so schön war, hier gleich noch ein Rezept aus der schnellen Küche Ferran Adriàs: Merluza con salsa verde. In Ermangelung frischer Venusmuscheln habe ich Miesmuscheln verwendet, die gab es gerade in guter Qualität und außerdem ist der Februar mit seinen beiden Rs ein guter Muschelmonat.

Den lateinischen Name der Miesmuschel, Mytilus edulis (übersetzt in etwa: essbare essbare Muschel), findet man übrigens schon bei Aristoteles. Schon die Griechen wussten die spannende Texturvielfalt dieser Meeresfrucht und den charakteristischen Muschelgeschmack (Dimethylsulfid) anscheinend zu schätzen. Ja, überhaupt gehören angehäufte Muschelschalen („Kjökkenmöddings„), wie man sie zum Beispiel an der dänischen Küste gefunden hat, zu den frühesten menschlichen „Küchenabfällen“ (siehe diese Bilder). Die ältesten hat man in der Nähe von Nizza gefunden: die Überreste eines prähistorischen Mahls vor 33.000 Jahren.

Eine Anmerkung noch: Wie man auf dem Bild deutlich erkennen kann, ist es zum einen etwas wenig grüne Sauce geworden und zum anderen war sie nicht dickflüssig genug, so dass sie sofort unter dem Fisch verschwunden ist – das nächste Mal also großzügiger Wasser nachgießen, mehr Speisestärke und vinoch etwas mehr Petersilie verwenden.

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Zutaten

  • 2 Seehechtfilets
  • 3 Esslöffel fein gehackte Petersilie
  • 2 Knoblauchzehen, gehackt
  • 12 Muscheln (Miesmuscheln oder Venusmuscheln)
  • 1 TL Speisestärke
  • 1 Glas Wasser
  • 2 TL Olivenöl

Zubereitung

  1. Wasser für die Muscheln zum Kochen bringen. Muscheln gut abbürsten, bereits geöffnete oder beschädigte Muscheln nicht verwenden.
  2. Muscheln kurze Zeit in das kochende Wasser geben bis sie sich öffnen. Mit einem Löffel aus dem Wasser nehmen und beiseite legen (nicht geöffnete Muscheln verwerfen).
  3. Öl in der Pfanne erhitzen, Knoblauch hineingeben, aber keine Farbe annehmen lassen. Dann die Hälfte der Petersilie dazugeben.
  4. Wasser dazugeben und mit der Speisestärke binden.
  5. Jetzt die Filets in die Sauce geben und garen, wenn nötig Wasser angießen. Kurz vor Ende der Garzeit die Muscheln mit in die Pfanne geben sowie das Wasser, das sie nach dem Kochen abgegeben haben.
  6. Den Seehecht und die Muscheln auf dem Teller anrichten. Die Sauce passieren und darübergeben. Mit der restlichen Petersilie bestreuen.

Faschingssuppe aus Tomaten und Honigmelone mit Basilikum

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Die Grundlage für dieses Experiment ist ein Rezept aus Ferran Adriàs Kochbuch „Cocinar en 10 minutos“, in dem der Sternekoch sehr einfache Rezepte mit einfachen Supermarktzutaten zusammengestellt hat – ohne Agar-Agar oder Gellan. Anstelle der Wassermelone (Citrullus lanatus) habe ich allerdings ihre entfernte Verwandte Honigmelone (Cucumis melo) verwendet. Zwar ist dadurch die ursprünglich von Adrià intendierte Harmonie der beiden Lycopinquellen (ein wichtiger Antioxidant) Tomate und Wassermelone hin, aber dafür ist die aus Brasilien importierte Honigmelone ein kleiner Verweis auf die Karnevalshochburg Rio. Insgesamt eine angenehm erfrischende dicke Suppe, nach all den Krapfen nicht zu süß. Möglicherweise auch geeignet als Katermahlzeit? Immerhin ist die Honigmelone ein wichtiger Kaliumlieferant.

Zutaten

  • 3 Tomaten
  • 6 Kirschtomaten
  • 1/2 Honigmelone
  • 6 Stengel Basilikum
  • Olivenöl
  • Pfeffer, Salz

Zubereitung

  1. Wasser in einem Topf zum Kochen bringen.
  2. Die großen Tomaten und die Melone würfeln. 6 Melonenwürfel mit ca. 2cm Kantenlänge für später aufheben. Tomaten und Melone pürieren und durch ein Sieb streichen. Abschmecken mit Salz und Pfeffer.
  3. Kirschtomaten kurz in das heiße Wasser geben. Abkühlen lassen und schälen.
  4. Basilikumblätter abrupfen und mit dem Olivenöl pürieren. Abschmecken.
  5. Anrichten: Suppe in tiefe Teller gießen und jeweils 3 Melonenwürfel und 3 Kirschtomaten hineinsetzen. Dazu 6 großzügige Tropfen von dem Basilikumöl und mit kleinen Basilikumblättern dekorieren.

Freedom, freedom, freedom: Adriàs postmoderne Kochkunst

adriafusion.pngWenn nicht zur selben Zeit in München die – molekulargastronomisch ebenfalls interessante (davon später mehr) – DLD-Konferenz (Digital, Life, Design) stattgefunden hätte, wäre sicher Madrid ein Pflichttermin gewesen. Dort läuft gerade noch eine der wichtigsten Foodmessen der Welt: die Madrid Fusión. Gestern hielt dort Ferran Adrià seinen Vortrag „Symbiosis of the sweet world, salty world“, in dem er sich für ein kulinarisches anything goes aussprach:

Der spanische Spitzenkoch Ferran Adria sieht in der Freiheit ein Grundprinzip der Kochkunst. „In der Küche soll jeder tun können, was er will“, sagte der Chef der Molekularküche gestern während seines Vortrages. „Wir sollten keine Dogmen aufzustellen. Es gibt im Leben schon genug Probleme. Da brauchen wir in der Küche nicht auch noch welche.“

Das freut uns Molekularküchenblogger besonders, da wir den molekularen Ansatz ganz in der Tradition von Nicolas Kurti, Harold McGee und Hervé This als Experimentierfeld des Geschmacks ansehen – eben als foodhacking. Ein paar Eindrücke von der Fusión vermittelt TeleMadrid in diesem Video:

In diesem Video geht es ganz kurz auch um Ferran Adrià:

UPDATE: Die AFP-Reporter sind ebenfalls begeistert von Adriàs Vortrag und vergleichen seinen Auftritt mit einer Silicon Valley-Präsentation à la Steve Jobs. Auch hier findet sich ein schönes Zitat: „Freedom, freedom, freedom … Let’s not argue. Cooking is a pleasure!“

Die Angst vor dem leeren Teller

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In dieser langen Streitschrift von Jean Paul Bastiaans (ID4LIVING) wird einmal mehr deutlich, dass die Kritik, die sich gegen die molekulare Gastronomie richtet, fast nahtlos an die Schmähungen der Nouvelle Cuisine anknüpfen können. Die Frotzeleien von damals: „Das sieht doch recht übersichtlich aus“ (Loriot) oder „Nouvelle Cuisine, roughly translated, means: I can’t believe I paid ninety-six dollars and I’m still hungry“ (Mike Kalin) können also wortwörtlich übernommen werden, bzw. werden allenfalls noch etwas radikalisiert: noch teurer, noch aufwändiger, noch weniger, noch mehr Effekt.

Für Bastiaans ist Ferran Adrià mindestens die Wurzel alles kulinarischen Bösen:

Ferran Adrian is the main responsable for the pedantic snobbery atrocities you can consume at his place in Gerona. A typical place for creativeless and easy to impress snobs, unable to appreciate the simple and traditional, having to mutate into a world of pseudo elegancy, kitch, cooking circus and where everything seems to be allowed, the more extravagant, the better.

Alles, was man nicht auf Anhieb verstehen und erschmecken kann, wird hier zum Gegner erklärt, denn Essen heißt hier: Essen, ohne nachdenken zu müssen. Doch kommt diese besinnungslose Tätigkeit nicht am Ende einer langen Steigerungskette wie z.B. in Walter Benjamins berühmten Feigen, die nur noch in ihrer reinen Körperlichkeit aufgenommen – ja, gefressen – werden, dabei aber das letzte Glied eines (über)langen Befriedigungsaufschubs darstellen und ohne dieses sublimierende Vorspiel gar nicht zu dekodieren wären: „Der hat noch niemals eine Speise erfahren, nie eine Speise durchgemacht, der immer Mass mit ihr hielt. So lernt man allenfalls den Genuss an ihr, nie aber die Gier nach ihr kennen, den Abweg von der ebenen Strasse des Appetits, der in den Urwald des Frasses führt.“ (Benjamin)

Bei Bastiaans steht diese Unterscheidung dagegen am Anfang: wenn man beim oder gar vor dem Essen Informationen aufnehmen muss, kommunizieren muss, ist der Genuss nicht mehr möglich:

I avoid any restaurant that serves Designer’s Food and where the waiter has and needs to explain what the „Chef“ has prepared for you in his Circus Kitchen.

Aus diesen Sätzen spricht immer wieder eine fast schon paranoide Angst des Nahrungsverlusts (der Psychoanalytiker würde hier anal-retentive Züge erkennen): die Angst vor dem leeren Teller. Und zwar keiner Leere, die durch den vorangegangenen Akt der Völlerei ausgeglichen wird, sondern eine ursprüngliche Leere (emptyness), die gewaltsam erzwingt, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Dazu wieder Bastiaans:

What’s next on the snob’s table? Le “Chef’s Imaginary Menu”? An empty plate where the client has to visualize and imagine the beautiful food and decoration the Chef has virtually transported to your plate?

So wird verständlich, dass beim Anblick der zu kleinen Portionen im Winterrestaurant des Le Bristol in Paris (zwei Michelinsterne) Anflüge einer Panik entstehen und immer wieder auf die Menge bzw. das (Miss)verhältnis zu den Behältnissen hingewiesen wird: „a large metal semisphere plate cover“, „mini tomatoes“, „micro portion“, „microscopic finger work“, „mini shrimps“, „mini Cherry tomatos“, „I had seen them bigger“. Doch was liegt am anderen Ende dieser kulinarischen Metrik? Große Portionen? Nicht nur. Das Gegenteil der „Miniportionen“ der „Snobküche“ ist „a good portion“, „good french cheese“, „a good bottle“, „natural food“, „good cooking“ und letztlich: Tradition, „the way it was done during many centuries“.

Hier sind wir endlich wieder angekommen bei der so vertrauten Gegenüberstellung von Kochkunst, Kochwissenschaft und nouvelle cuisine auf der einen und Natur, Tradition und dem Lob der Portion auf der anderen Seite.

(Abbildung: The zen garden at Ginkakuji, Kyoto, Japan von Paul Mannix)