Archiv für den Autor: bk

Alineabuch erscheint im Herbst

Im Herbst 2008 wird voraussichtlich das „Alinea-Book“ von Greg Achatz – ich sage nur „lamb in cubism“ – den erfolgreichen Trend opulent-multimedialer Spitzenkochbücher (siehe z.B. die El Bulli-Kochbücher oder das Oud Sluis-Kochbuch „Sergio“) fortsetzen. Wer das Buch auf dieser Webseite für 50 USD vorbestellt, wird nicht nur mit einem signierten Exemplar beliefert, sondern bekommt auch einen Zugang zu der begleitenden Webseite Alinea Mosaic, auf der weitere Achatz-Rezepte, Videos, wissenschaftliche Hintergrundinformationen und Bilder zu finden sind:


Alinea Book Trailer from 2061wc on Vimeo.
(via GFC)

Hestons 24-Stunden-Steak

Einfach und effektiv – das ist der Anspruch des 24-Stunden-Steak-Rezepts von Heston Blumenthal. Hier hat sich jemand die Mühe gemacht, das Ganze nachzukochen und dabei zu filmen. Wenn auch die Kommentare davon zeugen, dass z.B. der Zweck des Abflammens (Maillard-Reaktion, Bakterienabtötung) nicht recht verstanden wurde („So, das ist jetzt gut versiegelt“), ist diese Dokumentation recht unterhaltsam:

I. Akt: Die Lötlampe

II. Akt: 24 Stunden später: Noch nicht ganz durch

III. Akt: Hundefutter

IV. Akt: Wiederkehr des Verdrängten

Aber der Herd ist klasse, oder? Kühle Laboratmosphäre? Von wegen!

Spiceporn: Sternanis

img_7115.jpg

Durch Heston Blumenthal habe die kulinarische Allzweckwaffe „Sternanis“ (früher bekannt unter dem Marathi-Namen „Badian“) schätzen gelernt, die sich zum Beispiel wundervoll dafür eignet, Umamikomponenten z.B. bei einem Fleischgericht, in den Vordergrund zu rücken. Auf den ersten Blick scheint der Name perfekt zu der Frucht zu passen, denn sie ist sternförmig und hat ein stark an Anis erinnerndes Aroma. Eine Tüte Sternanis zu öffnen ist für die Nase ein ebenso markantes Erlebnis wie das Öffnen einer Flasche Raki oder Ouzo (im Pastis wird Sternanis verwendet). Tatsächlich hat Sternanis (Illicium verum) aber nichts mit dem Namensvetter Anis (Pimpinella anisum) zu tun. Aber weil beide (wie auch Süßfenchel) die phenolische Substanz Anethol enthalten, ähneln sie sich geschmacklich und geruchlich. Allerdings ist Sternanis etwas intensiver, schärfer und lakritziger.

Auf diesem Foto sieht man deutlich die sechs bis acht Kammern des getrockneten weiblichen Fruchtstandes, in denen sich die Samen befinden – ein ästhetisch äußerst angenehmer Anblick, wie die hochglänzenden Samen hier nur ausschnitthaft zu sehen sind:

img_7126.jpg

Öffnet man einen Samen, dann sieht das wie folgt aus. Man erhält zwei harte, glänzende Schalen und das eigentliche Innenleben des Samens – die Keimanlagen:

img_7132.jpg

Ich habe einmal die einzelnen Bestandteile der Reihe nach probiert: das Sameninnere ist trocken und hat nur einen ganz leichten Anisgeschmack. Es dominiert eine bittere Note. Die Hüllen schmecken schon deutlich intensiver nach Sternanis. Besonders schön ist die chitinartig-knusprige Konsistenz. Die äußere Schale ist der stärkste Geschmacksträger, allerdings lässt sich dieser Teil nur schwer kauen. Deshalb wird üblicherweise die gesamte Frucht kleingemalen oder gemörsert.

Sternanis ist ein wichtiger Bestandteil der chinesischen Küche. In Verbindung mit Zwiebeln und Sojasauce entstehen schwefelphenolische Aromaverbindungen, die sich dafür eignen, die Fleischnote hervorzuheben. Sternanis ist also ein natürlicher Umamiverstärker. Aber die hauptsächliche Verwendung ist mittlerweile nicht mehr das klassische chinesische Fünf-Gewürze-Pulver oder die keralische Garam-Masala-Variante, sondern liegt in der Medizin: der größte Teil der Ernte dieser Frucht geht in die Fabriken von Roche, wo aus der attraktiven Frucht das Antigrippemittel Tamiflu hergestellt wird. Aber bereits früher wurde die Frucht auch medizinisch eingesetzt: etwa als Gegenmittel zu Säuglingskoliken. Auch gegen Rheuma wurde die Pflanze in China eingesetzt.

Wer sich mit diesem Gewürz einmal auseinandersetzen möchte, dem sei dieses Heston Blumenthalsche Rezept für Spaghetti bolognese empfohlen, in dem Sternanis eine wichtige Rolle spielt (die Zubereitung dauert allerdings etwa neun Stunden):

Caramelising onions with star anise produces vibrant flavour compounds that really enhance the meaty notes of the sauce

McDonalds Sieg über Laktoseintoleranz nur eine Urban Legend?

1422981738_2bca5c81a0_m.jpgEin auf den ersten Blick faszinierendes Beispiel für den Umgang mit geschmacklicher bzw. sogar physischer Aversion habe ich in diesem Blogpost von „What I Learned Today“ gefunden: Wie wohl einigermaßen bekannt sein dürfte, sind die Milch-trinkenden (Nord-)europäer im globalen Maßstab eher eine Anomalie. Milch, neben Honig wohl das einzige Nahrungsmittel, das explizit für den Zweck des Verzehrs produziert wird, kann von dem großen Teil der Weltbevölkerung nicht verarbeitet werden.

Laktoseintoleranz bedeutet, dass größere Mengen Milchzucker unangenehmerweise (eigentlich: natürlicherweise) von der Darmflora des Dickdarms fermentiert werden. Die Folge sind Blähungen, Bauchdrücken, Krämpfe, Übelkeit, Erbrechen und Durchfälle. Das ist für den Absatz von Softeis z.B. in asiatischen McDonaldsfilialen ein klares Markthindernis.

Die Hamburgerbrater haben sich davon aber nicht abschrecken lassen und in einem eleganten Kunstgriff die Eiscreme in ihren indonesischen Filialen einfach kostenlos an die Kundschaft abgegeben. Was dann passierte, lässt sich sehr gut mit dem altdeutschen Sprichwort: „Lieber den Magen verrenkt als dem Wirt ‚was geschenkt“ zusammenfassen. Trotz Übelkeit, Blähungen und Durchfall griffen die indonesischen Fastfoodler gierig nach den Eishörnchen und gewöhnten Dünn- und Dickdarm dadurch langsam an wachsende Mengen Milchzucker. Mittlerweile scheint jedoch die Laktoseintoleranz dort zurückgegangen zu sein, so dass auf einmal einen indonesischen Markt für Speiseeis entstanden ist.

Das Problem an dieser Geschichte, wie auch nabeepchen bemerkt: Laktoseintoleranz ist zumindest als angeborener Laktasemangel nicht heilbar. Egal wieviele Eisportionen in Südostasien verdrückt werden: 98 Prozent bleiben laktoseintolerant. Entweder die Indonesier verdrücken als auch in naher Zukunft nur unter Schmerzen ihr kostenloses Softeis oder aber die Speiseeisanbieter behelfen sich durch begleitende Laktasegaben oder verwenden laktosereduzierte Milcherzeugnisse als Grundlage ihrer Eisproduktion. Wechselt man allerdings den Zeitrahmen, kann man feststellen, dass die Laktosetoleranz eine junge „Erfindung“ ist. Erst vor etwa 8000 Jahren mit Beginn der Tierzucht haben Teile der Menschheit die Fähigkeit erworben, Milch zu verdauen. McDonalds muss also in Südostasien nur etwas langen Atem beweisen, dann könnte es etwas werden mit dem Sieg über die Laktoseintoleranz.

(via, Abbildung „Ice Cream Sundae“ von swamibu)

Auf den Spuren der Chefs – warum Briten zu Hobbyköchen werden

cook.pngEine Studie der Marktforschungsabteilung von Marks & Spencer ist zu dem Ergebnis gekommen, dass Großbritannien sich langsam in eine Nation von Hobbyköchen verwandelt, die auf den Spuren Heston Blumenthals wandeln und einen Creme brulée-Brenner unter dem Weihnachtsbaum liegen hatten. Dieser Megatrend heißt „Cook It Yourself“ (CIY) und manifestiert sich zum Beispiel darin, dass 42 Prozent der Briten jeden Tag ein Gericht zubereiten. Und damit ist nicht das Aufwärmen von Mikrowellennahrung gemeint, sondern das „cooking from scratch“. Nur 30 Prozent kochen bereiten höchstens einmal in der Woche ein Gericht selbst zu.

Dieser Trend lässt sich auch als Reaktion auf eine breite lebensmitteltechnologische Verunsicherung der Verbraucher in der Risikogesellschaft deuten (Stichwort: BSE, Schweinepest, Vogelgrippe): knapp die Hälfte der Hobbyköche geben als wichtigstes Motiv an, durch die eigene Zubereitung genau zu wissen und kontrollieren zu können, was auf dem Teller landet. Aber auch die Möglichkeit, die Gerichte genau so zuzubereiten, dass sie dem eigenen Geschmack entsprechen, aber auch Kochen als Entspannung und Therapie spielen eine wichtige Rolle. Für mehr als ein Viertel der 1.500 Befragten ist Kochen eine wichtige Freizeitaktivität und fast 90 Prozent besitzen mindestens ein Kochbuch.

Man kann mehrere Typen von Hobbyköchen unterscheiden:

  • „Gastronomen“ (42 Prozent) kochen täglich ein Gericht von Grund auf selbst
  • „Vertrauensköche“ (29 Prozent) stützen sich in ihrer mindestens wöchentliche Küchenaktivität auf wenige, dafür geprüfte und zuverlässige Rezepte, die ihnen immer gut gelingen
  • „Möchtegernchefs“ (12 Prozent) haben keine Zeit, jeden Tag am Herd zu stehen, kochen aber sehr gerne und bereiten immerhin mehrmals im Monat ein Gericht zu.

Unsere Frage: Wie oft kommt ihr zum Kochen? Was ist eure wichtigste Motivation für das Kochen?

(via That’s Food and Drink, Abbildung „Pretty Cooked“ von eole)

Bildzeitung lobt Molekularküche

Mittlerweile hat der Diskurs über die molekulare Küche in Deutschland eine merkwürdige Wendung genommen. Die Kritik an der Verwendung von Lebensmittelzusatzstoffen wie Agar-Agar oder Xanthan kommt zum Beispiel aus den Reihen der Deutschen Akademie für Kulinaristik, in der nicht nur Eckart Witzigman, der vor 30 Jahren die deutsche Küche aus ihrer Provinzialität befreit hat, Mitglied ist, sondern auch der Physiker Thomas Vilgis (Max-Planck-Institut für Polymerforschung), der die deutschsprachigen Standardwerke zur molekularen Küche geschrieben hat.

Während sich die kuliarische Elite gegen die molekularen Schaumschläger, besonders in Gestalt experimentierender Hobbyköche, wendet, hat die molekulare Küche nun einen überraschenden Fürsprecher gefunden: Unter dem Titel „Wie gesund ist Gourmet-Küche aus dem Labor?“ schreibt die Bild-Zeitung heute über „Suppe zum Schneiden, Lachs als Schaumkügelchen, Cocktails in Bonbonform“. Zitiert wird Andrea Lambeck von der „Centralen Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft“ (CMA), erklärt, dass die Lebensmittelzusatzstoffe ausgereift genug seien, um sie in der Küche einzusetzen. Nach Juan Amador, der im Übrigen gerade als Liebhaber von Brot, Wurst und Käse „entlarvt“ wurde, kommt auch noch der „Dortmunder Restaurantkritiker Hans Böddicker“ zu Wort und wird wie folgt zitiert: „Aromen werden verbessert, verfeinert und intensiver.“

In einer der üblichen Leserumfragen wird gefragt, ob die Leser solche Gerichte essen würden: 28 Prozent lehnen das ab, während 47 Prozent angeben „Klar, warum nicht“. Ist die molekulare Küche in der breiten Masse angekommen?

Heston Blumenthal: Further Adventures in Search of Perfection

51vpd1m2l5l_aa240_.jpg„Further Adventures on the Search of Perfection“, das Begleitbuch zur BBC-Serie mit dem britischen Dreisternekoch Heston Blumenthal (The Fat Duck) ist mit Abstand das ungewöhnlichste Kochbuch, das ich jemals gelesen habe.

Zum einen ist es eigentlich gar kein echtes Kochbuch, da die eigentlichen Rezepte – Hamburger, Fish Pie, Chicken Tikka Masala, Risotto, Pekingente, Chilli Con Carne, Baked Alaska und Trifle – nur einen geringen Teil des insgesamt über 300 Seiten umfassenden Werks ausmachen. Auf den restlichen Seiten schreibt Blumenthal über die kulinarhistorischen Hintergründe der Gerichte, die Suche nach ihrem Ursprung (besonders spannend: die Suche nach dem Ur-Hamburger), die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den jeweiligen Substanzen sowie seine Schritte auf dem Weg zur Perfektion dieser Speisen inklusive einiger Rückschläge (siehe die Chicken Tikka-Story). Aber es ist auch nicht so, dass hier acht Rezepte, die im Übrigen selbst, was Zutaten und Arbeitsschritte angeht, epische Ausmaße erreichen, mit einer Menge Füllmaterial aufgeschäumt werden (um einmal eine Küchenmetapher zu verwenden). Nein, die narrativen Passagen sind jeweils eng mit den Rezepten verbunden, erklären ihren Hintergrund und ihr Zustandekommen.

Das Buch ist dabei, das ist die zweite Besonderheit, derart flüssig und packend geschrieben, dass es das erste Kochbuch ist, das ich in einem Zug durchgelesen habe. Auch Bocuse oder Escoffier sind auf jeden Fall gut lesbar – doch mir ist aus der Überlieferung nur eine Person bekannt, die sich davon derart fesseln ließ und auch diese Bücher verschlungen hat: Ferran Adrià. Mit Blumenthals Werk kann jeder einmal ein ähnliches Gefühl verspüren.

Die einzelnen Rezepte vollständig zu kochen, stellt in den meisten Fällen allein aufgrund der viele Stunden oder gar Tage umfassenden Prozeduren eine wirkliche Herausforderung dar. Auch ambitionierte Hobbyköche dürften bei der Zubereitung einer Pekingente à la Blumenthal ins Schwitzen kommen. In aller Regel wird man diese Rezepte gerade deshalb auch nur ein einziges Mal zubereiten – auch etwas seltsam für ein Kochbuch. Aber ganz gleich wie das Ergebnis ausfällt: man wird auf jeden Fall etwas dabei gelernt haben. Außerdem kann man sich immer auch auf das Nachkochen einzelner Teile der Rezepte beschränken – zum Beispiel das Entenconfit oder die Basmati-Hühnerboullion – und sich auf diese Weise die Rezepte step by step aneignen.

Die Ausstattung des Buches lässt keine Wünsche offen: das Buch ist sowohl farblich als auch typographisch sehr ansprechend gestaltet, die Fotos sind von guter Qualität, die Bindung wirkt sehr solide und das Papier fühlt sich sehr angenehm an. Besonders positiv: am Anfang des Buches findet man eine ausführliche Umrechnungstabelle von Milliliter in Unzen sowie Esslöffel oder Tassen, und am Ende des Buches sorgt ein ausführliches Stichwortverzeichnis dafür, dass man die im laufenden Text immer wieder eingestreuten Sachinformationen schnell wiederfinden kann. Dazu kommen noch Hinweise zu Hygiene und Sicherheit in der Küche, eine Liste der Bezugsquellen für Lebensmittel und Geräte sowie – schließlich handelt es sich um einen Vertreter der wissenschaftsnahen molekularen Kochweise – weiterführende Literaturhinweise.

Heston Blumenthal: Further Adventures in Search of Perfection, London, Bloomsbury, 2007, 320 Seiten, ISBN 0747594058, 32,99 EUR.
Bei Amazon kaufen

Kochen als entartete Kunst? Oder: Wir haben immer schon denaturiert

michelangelo.pngDie lebhafte Diskussion über die molekulare Küche (siehe hier, hier oder hier) ist aus unserer Sicht nicht besonders überraschend: Wenn es eine Konstante in der Geschichte des Kochens gibt, dann sind es Angriffe auf die kulinarische Avantgarde, auf die Popularisierung bestimmter Techniken und Zutaten, die zuvor einer kleinen Elite vorenthalten waren („wenn eine küchenmode zum massenphänomen verallgemeinert wird, scheint auf dem weg in die breite einfach das notwendige wissen und können verloren zu gehen“ kommentiert reibeisen) sowie die Abwehr von neu erreichten Reflexionsstufen über das Kochen. Das war zum Beispiel der Fall bei der Einübung des Essens mit Messer und Gabel, bei dem trickle down dieser Kulturtechnik sowie der wissenschaftlichen Reflexion über dieses neue Phänomen. Insofern liegt diese Debatte völlig im Trend.

Nur: den Begriff der „Denaturierung“ in diesem Kontext zu bemühen (so kommentiert Franz: „Leute, die Praktiken wie “Denaturierung” im Zusammenhang mit Nahrungsherstellung für legitim halten, können nicht kompetent sein, wenn es um Lebensmittel geht“), ist entweder unsinnig oder überflüssig.

Zunächst zum Unsinn. „Denaturierung“ ergibt in der Anwendung auf die Kochkunst keinen Sinn, da es keine natürliche Kochweise gibt, die „denaturiert“ werden könnte. Sieht man sich im Reich der Tiere oder Pflanzen um, so wird man sich sehr schwer dabei tun, Beispiele für eine natürliche Kochweise zu finden. Hier wird fleißig geschluckt oder Osmose betrieben, ohne dass sich die Akteure dabei die Mühe machen, ihre Nahrung vorher zu kochen.

Insofern ist Kochen eine Kulturtechnik und sogar eine der ältesten, wie wir immer wieder betont haben. Damit leider auch das genaue Gegenteil von Natur – wenn man diese Unterscheidung überhaupt aufrecht erhalten möchte. Kochen gehört in den großen Aktivitätskomplex des „Spiels gegen die Natur“ und macht den Menschen zu einem Kulturwesen, das sich Natur aneignet (um nicht zu sagen: Untertan macht). Im Übrigen liegt die Wurzel des Begriffs „Kultur“ im Ackerbau – also ebenfalls einer Technik, die sehr eng mit der Nahrungsproduktion und -aufnahme verbunden ist.

Dazu kommt, dass der Begriff „Denaturierung“ an die unsägliche Naziformel von der „Entartung“ erinnert – an die wissenschaftlich klingende Abwehr dessen, was dem eigenen Geschmack nicht entspricht. Beruhigend ist jedoch, dass in der jüngsten Debatte keine „nationale Küche“ oder „Volksküche“ als Gegenbild zur „denaturierten“ Molekularküche heraufbeschworen wird, sondern vielmehr eine nostalgisch verklärte „einfache Küche“ („back to the roots“). Allerdings spielt(e) diese Bedeutungsschicht auch im Begriff der „Entartung“ eine Rolle, so dass hier etwas mehr Fingerspitzengefühl angesagt wäre.

Nun zur Denaturierung als überflüssigen Begriff (siehe dazu auch die gewohnt entspannte Replik des Kompottsurfers). Kochen ist Denaturierung. Zumindest, wenn man von der heute üblichen Hauptbedeutung des Wortes ausgeht, die das Zerstören der Proteinfaltung durch Hitze, Säure, Luftblasen etc. und die sich daraus ergebende Koagulation beschreibt. Denaturierung findet also immer dann statt, wenn man etwas Zitronensaft auf ein frisches Lachsfilet träufelt, wenn man ein Ei in Essigwasser pochiert oder sich ein saftiges Kotelett brät. Konsens dürfte jedoch sein, dass zuviel Denaturierung dieser Art nicht besonders wohlschmeckend ist. Brät man sein Kotelett zu lange, so verknäulen sich die Proteine so stark, dass sie das Wasser aus den von ihnen zuvor gebildeten „Taschen“ herauspressen und man denaturiert das saftige Kotelett zu einem trockenen Stück Leder.

Wenn man von dieser wissenschaftlichen Wortbedeutung ausgeht, so werden wir hier einfach gelassen darauf warten, dass die Denaturierungsgegner endlich konsequent werden und Fisch, Fleisch und Eier roh verzehren – und die Denaturierung ihrer Magensäure überlassen.

Bleibt noch die Frage, was das alles mit der molekularen Küche zu tun hat. Nicht viel – aber das gilt für die gesamte Diskussion bisher.

Freedom, freedom, freedom: Adriàs postmoderne Kochkunst

adriafusion.pngWenn nicht zur selben Zeit in München die – molekulargastronomisch ebenfalls interessante (davon später mehr) – DLD-Konferenz (Digital, Life, Design) stattgefunden hätte, wäre sicher Madrid ein Pflichttermin gewesen. Dort läuft gerade noch eine der wichtigsten Foodmessen der Welt: die Madrid Fusión. Gestern hielt dort Ferran Adrià seinen Vortrag „Symbiosis of the sweet world, salty world“, in dem er sich für ein kulinarisches anything goes aussprach:

Der spanische Spitzenkoch Ferran Adria sieht in der Freiheit ein Grundprinzip der Kochkunst. „In der Küche soll jeder tun können, was er will“, sagte der Chef der Molekularküche gestern während seines Vortrages. „Wir sollten keine Dogmen aufzustellen. Es gibt im Leben schon genug Probleme. Da brauchen wir in der Küche nicht auch noch welche.“

Das freut uns Molekularküchenblogger besonders, da wir den molekularen Ansatz ganz in der Tradition von Nicolas Kurti, Harold McGee und Hervé This als Experimentierfeld des Geschmacks ansehen – eben als foodhacking. Ein paar Eindrücke von der Fusión vermittelt TeleMadrid in diesem Video:

In diesem Video geht es ganz kurz auch um Ferran Adrià:

UPDATE: Die AFP-Reporter sind ebenfalls begeistert von Adriàs Vortrag und vergleichen seinen Auftritt mit einer Silicon Valley-Präsentation à la Steve Jobs. Auch hier findet sich ein schönes Zitat: „Freedom, freedom, freedom … Let’s not argue. Cooking is a pleasure!“

Powerslide mit Blumenthal

Für das britische Automobil-Videomagazin „Fifth Gear“ durfte sich Fat Duck-Chef Heston Blumenthal hinter das Steuer eines BMW M5 klemmen und zusammen mit Tiff Needell den Powerslide üben. So weit so gut. Aber Heston wäre nicht Heston, würde er nicht das Ganze noch einmal toppen wollen: Mit einem in der Autotür eingeklemmten Tojiro Senkou-Kochmesser schneidet er als praktische Anwendung seiner neu erworbenen Fahrkenntnisse noch ein paar Gurken durch.