Kategorie-Archiv: vermischtes

Auf den Spuren der Chefs – warum Briten zu Hobbyköchen werden

cook.pngEine Studie der Marktforschungsabteilung von Marks & Spencer ist zu dem Ergebnis gekommen, dass Großbritannien sich langsam in eine Nation von Hobbyköchen verwandelt, die auf den Spuren Heston Blumenthals wandeln und einen Creme brulée-Brenner unter dem Weihnachtsbaum liegen hatten. Dieser Megatrend heißt „Cook It Yourself“ (CIY) und manifestiert sich zum Beispiel darin, dass 42 Prozent der Briten jeden Tag ein Gericht zubereiten. Und damit ist nicht das Aufwärmen von Mikrowellennahrung gemeint, sondern das „cooking from scratch“. Nur 30 Prozent kochen bereiten höchstens einmal in der Woche ein Gericht selbst zu.

Dieser Trend lässt sich auch als Reaktion auf eine breite lebensmitteltechnologische Verunsicherung der Verbraucher in der Risikogesellschaft deuten (Stichwort: BSE, Schweinepest, Vogelgrippe): knapp die Hälfte der Hobbyköche geben als wichtigstes Motiv an, durch die eigene Zubereitung genau zu wissen und kontrollieren zu können, was auf dem Teller landet. Aber auch die Möglichkeit, die Gerichte genau so zuzubereiten, dass sie dem eigenen Geschmack entsprechen, aber auch Kochen als Entspannung und Therapie spielen eine wichtige Rolle. Für mehr als ein Viertel der 1.500 Befragten ist Kochen eine wichtige Freizeitaktivität und fast 90 Prozent besitzen mindestens ein Kochbuch.

Man kann mehrere Typen von Hobbyköchen unterscheiden:

  • „Gastronomen“ (42 Prozent) kochen täglich ein Gericht von Grund auf selbst
  • „Vertrauensköche“ (29 Prozent) stützen sich in ihrer mindestens wöchentliche Küchenaktivität auf wenige, dafür geprüfte und zuverlässige Rezepte, die ihnen immer gut gelingen
  • „Möchtegernchefs“ (12 Prozent) haben keine Zeit, jeden Tag am Herd zu stehen, kochen aber sehr gerne und bereiten immerhin mehrmals im Monat ein Gericht zu.

Unsere Frage: Wie oft kommt ihr zum Kochen? Was ist eure wichtigste Motivation für das Kochen?

(via That’s Food and Drink, Abbildung „Pretty Cooked“ von eole)

Powerslide mit Blumenthal

Für das britische Automobil-Videomagazin „Fifth Gear“ durfte sich Fat Duck-Chef Heston Blumenthal hinter das Steuer eines BMW M5 klemmen und zusammen mit Tiff Needell den Powerslide üben. So weit so gut. Aber Heston wäre nicht Heston, würde er nicht das Ganze noch einmal toppen wollen: Mit einem in der Autotür eingeklemmten Tojiro Senkou-Kochmesser schneidet er als praktische Anwendung seiner neu erworbenen Fahrkenntnisse noch ein paar Gurken durch.

Besteck für die molekulare Küche

brewster.pngEs erscheint nur folgerichtig, einer gastronomischen Entwicklung, die sich bemüht, neue Geschmackskombinationen oder gar -richtungen und Texturen zu entwickeln, auch ein neues Besteck zu verpassen. Ein Besteck, das auch den Akt des In-den-Mund-Führens verfremdet bzw. in einem neuen Licht erscheinen lässt.

Das experimentelle Besteck „Season of Love“ der britischen Künstlerin Simone Brewsters, das die klinische Reinheit der weißen Farbe mit einer geschwungenen, sinnlich-körperlichen Formensprache in Beziehung setzt, könnte diese Funktion erfüllen.

(via torc)

Neu, neu, neu und immer neurer – Amerika entdeckt den Sodasiphon

img_7067.jpgUnter der Überschrift „Exotic soda siphon makes comeback in home bars“ berichtet Joanne Sasvari für die kanadische Tageszeitung Vancouver Sun über die derzeitige Siphon-Welle in Amerika. Unsere Annahme, dass dieses Gerät (auch bekannt als Sahnesprüher oder Sodaspender) bislang außerhalb Deutschland und Österreich kaum bekannt ist, wird darin voll bestätigt, denn Sasvari nennt den Apparat so „exotic even the people who sell it don’t necessarily know what it is.“

Aber dank der molekularen Küche interessieren sich auch in Amerika immer mehr experimentierfreudige Köche und Barkeeper für dieses merkwürdige Gerät, das eigentlich ganz gut in die ebenfalls anwachsende Steampunk-Welle passt (oder für Neal Stephenson-Fans: Neoviktorianismus). In diesem Kontext erscheint der Siphon wie gerufen, da er zum einen die ultramoderne dekonstruktionistische Avantgardeküche eines Ferran Adrià repräsentiert („Now with the fad for molecular gastronomy, it’s making a comeback of sorts as chefs use it to foam everything from soup to nuts“), zum anderen aber auch auf eine mittlerweile 80-jährige Tradition zurückblicken kann – erfunden 1829 von dem ungarischen Benediktiner Anyos Jedlik und nicht weg zu denken aus dem (östlichen) Europa der 1920er und 1930er Jahre.

Bezeichnend ist auch, dass eine Amazon-Suche nach dem Sahne-Siphon verwandten Produkten folgendes Ergebnis liefert:

Kunden, die sich diesen Artikel angesehen haben…
Isi Thermo Whip, 0,5 l
interessierten sich auch für diese Artikel:
Die Revolutionen des Ferran Adria. Wie ein Katalane das Kochen zur Kunst machte Gebundene Ausgabe von Manfred Weber-Lamberdière

Das TEUBNER Buch – Deutsche Küche (Teubner Edition) Gebundene Ausgabe von Nikolai Buroh

Die Molekül-Küche. Physik und Chemie des feinen Geschmacks Broschiert von Thomas Vilgis

Tapas – Das Kochbuch Gebundene Ausgabe von Juan Amador

Dieter Müller – Einfach und genial. Rezepte aus der Kochschule des Meisters Gebundene Ausgabe von Dieter Müller

Die Molekularküche Gebundene Ausgabe von Thomas Vilgis

Molekularküche goes c't

Das freut uns natürlich ganz besonders, dass das Heise-Magazin c’t unsere Molekularküche in der Rubrik „Websites aktuell“ für erwähnenswert hält:

ct.png

Noch etwas: wer die Molekularküche besuchen will und den ellenlangen Link nicht eintippen möchte, findet uns auch unter kuirejo.de.

Blograllye: Umami 2008

Umami Blog RallyeDa sich im Jahr 2008 die Entdeckung der fünften Geschmacksrichtung durch den japanischen Forscher Kikunae Ikeda an der Kaiserlichen Universität zu Tokio das 100. Mal jährt wollen wir eine „Umami-Blograllye“ ausrufen.

(Genuss-)Blogs aller Art, die sich mit dem herzhaft-glutamatigen Geschmacksrichtung auseinandersetzen – sei es in Rezepten, in geschichtlichen Beiträgen, in kritischer Auseinandersetzung mit der Glutamatindustrie oder in Gestalt von Selbstversuchen -, können Ihren Text mit diesem Button kennzeichnen und den Molekularköchen per Trackback, Kommentar oder Email mitteilen, dass sie sich mit einem Beitrag an der Rallye beteiligen. Wir sammeln und verlinken dann alle Umami-Blogposts in einem Beitrag und hoffen, dass wir auf diese Weise etwas mehr über den „vergessenen“ (Emsley) oder gar „geheimnisvollen“ fünften Geschmack erfahren.

Der Bannercode zum Mitmachen sieht so aus:

Auch wenn der große Brillat-Savarin (1755-1826) dem Umami-Geschmack schon sehr viel früher auf der Spur war und versuchte, den geschmacksgebenden Bestandteil von Fleisch, das sogenannte „Osmazon“, zu extrahieren, führte Ikeda 1908 diesen speziellen Geschmack unter der Bezeichnung „Umami“ in die Wissenschaft ein. Er suchte nach der gemeinsamen geschmacklichen Komponente von reifen Tomaten, der Kombu-Alge, Spargel, Fleisch und reifem Käse – nach einer Komponente, die weder salzig noch süß, bitter oder sauer (die herkömmlichen vier Geschmacksrichtungen) war. Er fand diesen Geschmack im Glutamat, bzw. in der Glutaminsäure, einer Aminosäure. Man kennt es vor allem aus der Lebensmittelchemie als Geschmacksverstärker E620 (früher unter Verdacht als Auslöser des Chinarestaurantsyndroms), dabei handelt es sich eigentlich nicht um einen Verstärker, sondern eine eigene Geschmacksrichtung, deren Qualität intuitiv schon länger erkannt wurde: die Pizza-Kombination aus Tomate und Käse spricht dafür. 2001 machte dann Charles Zuker (dieser Name!) die entsprechenden „Umami“-Rezeptoren bei Menschen und anderen Tieren dingfest; seitdem gehört dieser fünfte Geschmack auch zum selbstverständlichen Bestandteil molekulargastronomischer Forschung und Literatur. Auch die ersten Umami-Kochbücher sind bereits erschienen.

Harold McGee übersetzt „Umami“ mit wohlschmeckend („delicious“) – die Molekularköche sind gespannt, auf welche deliziösen Umami-Gerichte die Genussblogger kommen.

Weitere Links zum Thema:

"Jetzt ist eben die Küche dran" – FAZ lobt TV-Köche

Jakob Strobel y Serra bricht in der FAZ eine Lanze für das Kochfernsehen. Ausgangspunkt ist die immer wieder geäußerte Klage der TV-Kritiker, es gäbe zu viele (zwangsläufig schlechte) Kochsendungen im deutschen Fernsehen:

Sie unterwirft Kochsendungen einem viel strengeren Urteil als den großen Rest des Fernsehprogramms und verlangt von ihnen einen didaktischen Impetus, eine Moralität, als sei das Fernsehen eine Schillersche Erziehungsanstalt mit kulinarischem Klassenzimmer.

Doch diese Kritik läuft nach Strobel y Serra ins Leere, da man an der kulinarischen Kultur der Deutschen gar nicht viel kaputtmachen kann. Im Gegenteil: „Schön wär’s, gäbe es viel zu ruinieren.“ Insofern können auch die Kochsendunge im Unterhaltungsprogramm einen Beitrag dazu leisten, dass in deutschen Küchen ein bisschen mehr ausprobiert wird.

Wobei er damit streng genommen nichts weiter tut, als die Medienkritik durch eine Kulturkritik zu ersetzen. Ein Blick auf die höchst lebendige und experimentierfreudige Genussblogszene hätte Strobel y Serra allerdings gezeigt, wo das kulinarische Deutschland zu finden ist, das sich der fastfoodianischen und TV-kulinarischen Unmündigkeit entledigt hat, und dabei gelernt hat, sich seines eigenen VerstandesGeschmackes zu bedienen. Auf die Masse zu schimpfen ist da doch etwas billig.

Die Schmalkalder kneten Senf in den Hackepeter. Die Meininger kennen das nicht.


Der Molekularen Küchen bleibt vermutlich das Schicksal nicht erspart, wie es vor dreißig Jahren ihre Mutter, die „Nouvelle Cuisine“ ereilte. Aus einer Eliten-Kiste wird eine Avantgarde, dann eine „frühe Mehrheit“ und dann sinkt die Sache zur Bedeutungslosigkeit.
Dieser Hype-Cycle ist, wie ihn die Gartner Group treffend nennt, Beschreibt das Auf und Ab technologischer oder kultureller Trends.

Damit kein falscher Eindruck entsteht: der Autor dieses Posts freut sich wirklich, dass auch auf der Weihnachtsfeier des Köcheverein Schmalkalden-Meiningen molekular gekocht wird, aber die Erinnerung wird wach, der letzte Kondratiew des Kochens mit der „Neuen Küche“ aus Frankreich über Deutschland lief. Zunächst einige Spitzenköche wie z. B. Witzigmann, dann das schnelle Absinken zu vollkommenem Blödsinn: „Ich kann den ganzen Novelle Cuisine Scheiß nimmer sehen“, wie dann Franz-Xaver Kroetz in Kir Royal treffend sagt.

Das AG.MA-Senf-Sorbet

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Die Welle der „Plus-Nouvelle-Cuisine“ rollt – als Beleg dafür: die diesjährige Hauptversammlung der Arbeitsgemeinschaft Mediaanalyse, kurz AG.MA, jenem Joint Industry Commitee, das die Medienforschung in Deutschland zu einem organischen Corpus vereint …
Auf jeden Fall gab es zur Abendveranstaltung im Hamburger Restaurant „Au Quai“ einige zeitgenössische Nettigkeiten wie z. B. Bonbons aus Ziegenfrischkäse oder die Nordsee-Krabben mit Senf-Sorbet (s. mein leider etwas wackeliges Foto neben an, aber so ist das eben mit den Telefon-Kameras …)

Rote Molekulargastronomie in St. Louis

Ian Froeb berichtet in der Riverfront Times von einem Besuch in dem kürzlich eröffneten „Red“ in St. Louis, das neben der osteuropäischen Küche in einigen Gängen auch molekulinarische Prinzipien und Zutaten anwendet, wobei diese anscheinend seit der Eröffnung etwas in den Hintergrund gerückt sind

By the time I visited, however, the mint „cloud“ on the curried carrot soup was the only overt example of molecular gastronomy on the menu. In an interview with Sauce magazine, René Cruz explained that this „cloud“ is emulsified with xanthan gum (you know it as the ingredient that makes commercial ice cream so thick and, sometimes, gummy) and then served through a nitrous oxide-charged whipped-cream dispenser.

Interesting, yes, but how does it look and taste? In Red’s low light, the „cloud“ looked more or less exactly like a dollop of crème fraîche atop the soup. The flavor and texture were essentially like mint-flavored whipped cream, but the flavor was quickly subsumed by the aggressively spicy soup – so spicy that I couldn’t detect any carrot at all. It could have been anything in there.