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Kulinarische Wichtigtuer und ihre Paco-Jets

Melanie von dem Blog neue/ess/klasse kümmert sich nach der Lektüre der Adrià-Biographie sowie des Kochbuchs von Thomas Vilgis in ihrem jüngsten Blogbeitrag um die molekulare Gastronomie und warnt vor zu viel Gadget-Elitismus:

Was mir nämlich an diesem Thema wirklich auf den Wecker geht, dass oft solch kulinarische Wichtigtuer besonders schlau über Molekularküche und deren Köche reden. Diese Leute können in der Regel gar nicht wirklich mit Leidenschaft und Kreativität selbst köchen, aber wenn es um Zutaten wie Agar-Agar (Geliermittel aus Algen) oder Xanthan (Verdickungsmittel, wird aus Maisstärke gewonnen) oder Paco-Jets (damit kann man tiefgeforene Zutaten zu Sorbets oder Eiscreme pürieren – ein solches Teil kostet über 2.000 €! => hallihallo) werden sie wach.

Wir mögen beide Aspekte und meinen, dass im Idealfall die foodhackerische Experimentierfreude (durchaus auch mit hochtechnologischer Unterstützung) und ein gewisser Geschmack für leckere Kombinationen zusammenkommen. Dass manche Rezepte -wie zum Beispiel Heston Blumenthals Pekingente – eine einmalige Angelegenheit bleiben, wenn man sich überhaupt daran traut, sie selbst nachzukochen, stört uns nicht so. Dann gucken wir eben zu und staunen. Aber auch kulinarische Misserfolge wie unser Fruchtsaftkaviar oder der Salz-Jello können Spaß machen und sogar gewisse Lerneffekte bewirken. Hoffen wir.

Kochen und dabei Gutes tun

crisis.pngNun, wenn man die Gerichte aus dem Crisis-Kochbuch für sich selbst oder die Familie kocht, hilft das den Obdachlosen in den UK natürlich nur wenig, aber von jedem verkauften Exemplar des Buches gehen 3 britische Pfund an das Obdachlosenhilfswerk Crisis – bei einem Kaufpreis von 5 £. Die Liste der darin mit Rezepten vertretenen Köche liest sich sehr spannend, außerdem sind auch noch zehn Weinessays von Jancis Robinson mit dabei:

Ferran Adria, El Bulli, Spain, Mario Batali, Babbo, New York, Vineet Bhatia, Rasoi Vineet Bhatia, London, Heston Blumenthal, The Fat Duck, Bray, Paul Bocuse, Collonges-au-Mont-d’Or, France, Claire Clark, pastry chef, The French Laundry, California, Sam and Sam Clark, Moro, London, Sally Clarke, Clarke’s, London, Alain Ducasse, Le Louis XV, Monaco, Anthony Demetre, Arbutus, London, James and Emma Faulks, Magdalen, London, Chris Galvin, Galvin’s, London, Fergus Henderson, St John, London, Henry Harris, Racine, London, Shaun Hill, The Glasshouse, Worcester, Baba Hine, The Corse Lawn Hotel, Mark Hix, Chef/Director, Caprice Restaurants, London, Ken Hom, Simon Hopkinson, Nigel Howarth, Northcote Manor, Lancashire, Tom Kitchin, Kitchin’s, Leith, Scotland, Jeremy Lee, The Blueprint Café, London, Rowley Leigh, Le Café Anglais, London, Bruce Poole, Chez Bruce, London, Joel Robuchon, L’Atelier du Robuchon, Michael Romano, Union Square Cafe, New York, Rick Stein, The Seafood Restaurant, Padstow, Alice Waters, Chez Panisse, California.

(via Franco London)

Ohne Berlin fahren wir nach Holland

71456879_0c16840a83.jpgKlingt schon ziemlich hart, was der Enterpreneur den niederländischen Gastronomen so alles vorwirft:

Almost all Dutch meals consisted of soggy fish, overcooked meat, boiled potatoes and bland cheese, often washed down with a glass of milk, or at best, cheap wine. A dour Protestant tradition seemed responsible.

Doch die molekulare Gastronomie konnte auch in diesem Land Fuß fassen: vor zwei Jahren konnte sich Sergio Herman, der sich nicht nur durch Heston Blumenthals kreativen Umgang mit klassischen Gerichten inspiriert fühlt, sondern auch unter Ferran Adrià gekocht hat, in die Riege der Dreisterneköche einreihen. In seinem Restaurant „Oud Sluis“ in dem niederländischen Nest Sluis werden molekulargastronomische Tapas gekocht, die so gar nicht zu dem oben erwähnten kulinarischen Quadrat aus glitschigem Fisch, zähem Fleisch, Salzkartoffeln und fadem Käse passen wollen:

Meals are a symphony of surprising tastes and mouthwatering sensations, plate after plate served tapas-style. There’s a sorbet of wasabi, sake, lemon and lemon zest. There’s crevette gris mixed with potato mouseline, tomato and lobster wrapped in mango; a muscadet granita served with a goose liver mousse; and a soy soup with rice noodles, fish and vegetables. Then blue-fin tuna served with Japanese lemon on a soy and tofu base.

Auch in diesem Restaurant findet man die typische Verbindung von lokalen Produkten wie die Zeeland-Auster („We use the best homegrown produce“) und der abwechslungsvollen, durchaus auch unterhaltungsorientierten, Darbietung dieses Ausgangsmaterials („Our chefs … skillfully play with various textures, different temperatures and surprising presentations“).

41hq5g2v1kl_aa240_.jpgUns gefällt an dem Artikel insbesondere der Versuch des Autors William Echikson, die Verbreitung der neuen Küche in Verbindung zu setzen mit der bisherigen länderspezifischen Gastronomie: Länder mit eher bescheidener gastronomischer Vergangenheit – bzw. Länder, die die nouvelle cuisine nur als Import erlebten – sind demnach ein fruchtbares Saatbeet für molekulargastronomische Entwicklungen. Heston Blumenthal in Großbritannien, Ferran Adrià in Spanien und Wylie Dufresne in den USA sind hier als Beispiele zu nennen. Aber diese Lust am Nachzeichnen historischer Entwicklungsbahnen hat Echikson bereits in seinem Rotweinbuch „Noble Rotbewiesen. Vielleicht bekommen wir doch noch bald eine brauchbare Geschichte der Nouvelle Cuisine?

(Abbildung: „Dessert: Chocolate & black olive cake, Granny Smith granite“ von ulterior epicure)

Blog-Event XXX: Ingwer: Ananas-Ingwerkebab à la Ferran Adrià

p1010072.JPGHier unser Beitrag zur Ingwerblogaktion, die das Blog „1 x umrühren bitte“ ausgerufen hat: Ananas-Ingwerkebab à la Ferran Adrià, ein Klassiker aus der El Bulli Laborküche. Die Zubereitung ist denkbar einfach, dafür erhält man eine äußerst wohlschmeckende, wenn auch nicht so unglaublich überraschende, rhizomatische Kombination aus süßem Baiser, süß-saurer Ananas und süß-scharfem Ingwer:

Zutaten

  • Kandierter Ingwer. Wir haben die Fertigvariante gewählt; man kann diese Köstlichkeit, der nicht nur eine erkältungsstillende, sondern auch eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt wird, aber auch selbst herstellen. Das Procedere zieht sich allerdings über mehrere Tage hinweg.
  • Ananas, in Scheiben geschnitten
  • Eiweiß
  • Puderzucker

Zubereitung

  1. Die Ananasscheibe in kleine, ca. 1/2 Zentimeter dicke Scheibchen (Quadrate oder Rauten) schneiden; den kandierten Ingwer ebenfalls.p1010076.JPG
  2. Abwechselnd Ingwer und Ananas auf einen kleinen Spieß (z.B. Schaschlik) stecken.
  3. Eiweiß mit etwas Puderzucker schlagen bis es eine stabile Konsistenz hat.
  4. Die Fruchtspieße in der Meringuemasse wenden und an der Luft oder im warmen Ofen trocknen lassen.

Geröstete Spaghetti à la Ferran Adrià

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Als ich mir dieses Rezept des Dreisternekochs Ferran Adrià (El Bulli) das erste Mal durchgelesen habe, dachte ich mir: Typisch nueva nouvelle cuisine – um jeden Preis vermeiden, die Spaghetti so zuzubereiten, wie man es normalerweise macht (Wasser kochen und die Nudeln dazugeben). Aber das Rezept überzeugt: Die Nudeln erhalten durch das Anrösten eine herrliche Konsistenz.

Zutaten

  • 350g Nudeln, hier: Spaghetti aus Hartweizengrieß
  • 3 Esslöffel Olivenöl
  • 2 Knoblauchzehen
  • 1 kleine Chilischote
  • 3 Tassen Brühe, hier: Gemüsebrühe
  • 1 Tasse Wasser
  • Petersilie

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Zubereitung

  1. Nudeln in ca. 5 cm lange Stückchen brechen. Das Olivenöl in einem großen Topf erhitzen und die Nudeln dazugeben. Unter ständigem Rühren golden anrösten.
  2. Nach etwa 3 Minuten den zerdrückten Knoblauch und die kleingeschnittene Chilischote dazugeben und etwa eine Minute mitkochen lassen.
  3. Dann die Brühe und das Wasser in den Nudeltopf gießen und die Nudeln all dente garen.
  4. Zum Abschluss die kleingeschnittene Petersilie daruntermengen und servieren.

Die Molekularköche wünschen ein gutes neues Jahr 2008 – mit einer Crema Catalana nach Ferran Adrià

Das waren also die ersten acht Wochen Molekularküchenblog. Viel Spaß hat es gemacht und immer öfter auch gut geschmeckt. Wenn sich dieser Trend ins neue Jahr fortsetzt, können wir gespannt sein. Jetzt verabschieden sich die Molekularküchenblogger von dem alten Jahr 2007 mit einem Rezept für einen Crema Catalana-Schaum nach Ferran Adrià. Momentan befindet sich die Masse im Sahnesiphon und wartet darauf, das abendliche Mahl mit einem fruchtig-cremig-süßen Akzent zu versehen. Das Endprodukt haben wir also noch gar nicht verköstigt, aber die Grundmasse schmeckt schon derart lecker, dass wir dieses Rezept hier ohne Bedenken weitergeben können. UPDATE: Die geschäumte Endfassung hat die Erwartungen übertroffen. Herrlich.

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Zutaten (für einen 0,5l-Sahnesiphon)

  • 3/4 Tassen Sahne
  • 3/4 Tassen Vollmilch
  • 1/2 Vanilleschote, halbiert
  • 1/2 Zimtstange
  • Zesten von 1/2 Orange
  • Zesten von 1/4 Zitrone
  • 4 Eigelb
  • 1/4 Tasse Zucker
  • 1 Esslöffel Mehl

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Zubereitung

  1. Milch, Sahne, Vanille, Zimt und Zesten auf mittlerer Flamme erhitzen. Dann vom Feuer nehmen und fünf Minuten ziehen lassen.
  2. Eigelb, Zucker und Mehl schaumig schlagen.
  3. Die etwas abgekühlte Milch-Sahne-Mischung durch ein Sieb in die Eigelb geben, dabei rühren. Mit dem Schneebesen glatt rühren.
  4. In einem Topf ca. 10 Minuten unter Rühren langsam erhitzen bis eine Temperatur von 75°C erreicht ist. Wer zuviel Zeit hat, kann das Ganze auch im Wasserbad erhitzen. In jedem Fall danach die Masse durch ein Sieb in eine Schüssel gießen und im Eiswasser abkühlen lassen.
  5. In einen Siphon geben, zuschrauben und die N2O-Kapsel aufschrauben. Für mindestens 15 Minuten kalt stellen. Man kann die Crema aber auch bis zu drei Tage im Siphon im Kühlschrank aufbewahren. Das Gas agiert dabei als Schutzatmosphäre.

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Quelle: Epicurious, siehe auch hier

Adrià: "Ich höre nicht auf und El Bulli wird nicht geschlossen"

El PaisNein, Ferran Adrià wird El Bulli nicht aufgeben, aber in dem Interview in der heutigen El País erklärt er dennoch, dass er im nächsten Jahr die Öffnungszeiten noch etwas stärker einschränken will um mehr Zeit in der Küche verbringen zu können. Damit kommt er seinem Traum eines Restaurants, in dem nur noch gekocht und kaum mehr serviert wird, ein kleines Stückchen näher. Vor drei Jahren sagte er:

Mein Traum ist eigentlich ganz einfach: Ich will mit allem aufhören. Mit dem Restaurantbetrieb, den Verpflichtungen drum herum, mit all den Joint Ventures, den Beraterverträgen und auch mit den Interviews. Der Traum wird immer klarer. Mittlerweile habe ich mir sogar einen Termin gesetzt, zu dem ich ihn verwirklichen will: im Jahr 2008.

Das ausgehende Jahr 2007 war für den Koch wohl eines der ereignisreichsten bisher: die Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Universität Barcelona (als erster Koch überhaupt), die Ehrenmedalle der Künste, die Würdigung seiner Küche als Kunstwerk durch die Documenta 12, die Mitwirkung an dem Film Ratatouille als Synchronsprecher, die Arbeit an der Alicia Foundation, einem Projekt zur Ernährungserziehung und dazu noch unzähliche Interviews, Vorträge und Events. Auch für das nächste Jahr können die Freunde von Blumenpapier und Co einiges erwarten: den Documentaband über Adrià von Vicente Todolí (Chef der Tate Modern in London) und Richard Hamilton (der Pop Art-Ikone) und außerdem einen Adrià-Film von David Puyol, der auf der nächsten Berlinale Premiere haben wird.

Adrià selbst wird sich ein wenig rar machen und dort stehen, wo er hingehört: an den Töpfen, Tiegeln und Reagenzgläsern. Das Schlimmste wäre schließlich ein Ferran Adrià, über den die Leute später sagen werden: er hat sich wiederholt:

„No quiero entrar al trapo cuando la gente dice que hay saturación de Adrià. Nunca me quejo, porque abrirse a cosas nuevas siempre cuesta“.

"Die Revolutionen des Ferran Adrià" von Manfred Weber-Lamberdiére

„Wie ein Katalane das Kochen zur Kunst machte“ lautet der Untertitel dieser gerade erschienenen engagierten Biografie des definitiv meist-gehypten Kochs unserer Zeit.

Was das Buch aber lesenswert macht, ist tatsächlich weniger Adriàs Leben, das – für ihn sicherlich zum Glück – bis auf einige Anekdoten recht beschaulich und sehr geradlinig verlaufen zu sein scheint. Nein, „Die Revolutionen des Ferran Adrià“ (Bloomsbury Berlin) bieten eine wirklich unterhaltsame und kenntnisreiche Fahrt durch die Entwicklung der internationalen Haute-Cuisine des 20. Jahrhunderts. Es wird uns klar gemacht, wie sich aus dem Erbe der „großen internationalen Küche“ Auguste Escoffiers und deren Antithese, der Erfindung der „Nouvelle Cuisine“ durch Ferdinand Point und seine Mitstreiter schön dialektisch der nächste Schritt entwickelt, die „Nueva Nouvelle Cuisine“, wie Adrià seine Kochkunst bezeichnet wissen will; den Begriff „Molekular-Küche“ findet er bekanntermaßen zu technisch.

Sehr anschaulich wird neben diesem Gang durch die Gastro-Geschichte auch die psychologiesche Motivation der Köche entwickelt. Auf den Punkt gebracht: es geht um Glück, und der „Biochemie des Glücks“ wird denn auch ein eigenes Kapitel gewidmet.

Äußerlich ist es ein hübsches Büchlein: solide geheftet, angenehmes Papier und der Text schön gesetzt.

Der Autor, Manfred Weber-Lamberdière, ist Paris-Korrespondent des Focus.

Manfred Weber-Lamberdière: Die Revolutionen des Ferran Adrià. Wie ein Katalane das Kochen zur Kunst machte, 232 S., Bloomsbury Berlin, 2007, ISBN 3827007429, 18,- EUR

Resteküche

Auch eine Art, wie man mit Nahrungsresten umgehen kann: Matthijs Vogels hat ein Restaurant-Konzept vorgestellt, in dem alle Lebensmittelabfälle wiederverwertet werden. Ein Teil der Abfälle wird zu Schüsseln und Tellern gepresst und der Rest in Gas für die Küche umgewandelt. Was dann noch übrig bleibt, wandert als Dünger auf die Gemüsebeete.

The vegetable parts that are not suitable for consumption which are normally thrown away in the kitchen, are used now as resource for products like plates and bowls. This is achieved by shredding, drying and moulding the vegetable fibres with a hand press. In order to make the products hygienic and moisture resistant a transparant sheet of biodegradable plastic (PLA) is laminated in the inside. The outside is left uncovered, in order to reveal the material by smell, touch and sight. (Food for Design, culiblog)

Wie lange wird es wohl dauern, bis Blumenthal oder Adrià ihre Gemüsegerichte auf entsprechend duftenden Tellern anrichten werden? Oder bis eine neue No Cuisine entsteht, die geschmacklose, transparente Gele auf riechenden, schmeckenden und bunten Platten serviert? Wir sind gespannt.

CNN über die besten neuen Restaurants

Anya von Bremzen beschreibt für CNN die besten neuen Restaurants der Welt und ruft am Beispiel von Carles Abelláns TapaÇ 24 in Barcelona gleich noch einen Paradigmenwechsel in der Gastronomie aus: Zurück zur Einfachheit statt molekulare Küche:

These days the entire planet seems to be abuzz over molecular gastronomy. Spain, meanwhile, having pioneered the trend, is moving on — to ingredient-inspired simplicity.

Wir finden nicht, dass sich das ausschließen muss. Man denke nur an Adriàs Gemüseplatte. Wenn das nicht geschmacklich und visuell praktizierte Einfachheit ist.