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Molecular Gastronomy is just so 2006! (Das Ende der molekularen Küche I)

… just so ante-sub-prime-crisis! Und da ist was dran. Die Modewelle ist, so scheint es, bereits zur Gischt zusammengeschlagen. Irgendwie kommt keine Business-Veranstalltung mehr ohne den Show- und Aha-Effekt der Schäume und flüssigen Gase aus, kein lokaler Kochklub, der nicht Gel-Kügelchen in Kalziumchlorid tropft.

Viel entspannter, aber in der Laxheit ungleich tödlicher, beschreibt Rina Rapuano ihren Eindruck des Tast of the Nation Events im Gastro-Blog des Washingtonian und nennt die Molekulare Küche als den beliebtesten Showstopper des Abends:

Molecular gastronomy might be so 2006, but it’s still fun to watch. And if it tastes delicious, all the better. Butterfield 9 chef Michael Harr dipped a mixture of black peppercorn, lavender honey, and bleu cheese into a smoking cauldron of liquid nitrogen and poured it over a dollop of beet purée. Next to him, pastry chef Manabu Inoue popped disks of white-chocolate espuma into the liquid nitrogen, then plated it with a black-cherry sauce and sprinkled it with dark-chocolate flecks.

Nein – das molekulare Kochen im Sinne einer schwachen Nachahmung von Adrià, Amador oder Aznar ist wirklich eine fade Sache.
Die interessanten Impulse werden hier vom Gros der Köche so wenig aufgegriffen wie in den Achzigern die wertvollen Anregungen der Nouvell Cuisine.

Uns geht es aber nicht um Schäume – um das einfach mal explizit zu sagen – sondern um:
– Entrümpelung; Ockhams Rasiermesser endlich auch in der Küche!
– Klarheit; Grundlagen des Geschmacks beim Namen nennen
– Bedeutung; Kochen und Essen als Kommunikation

und natürlich Rezepte, die wir unter diesen Aspekten kochen.

Ich plädiere jetzt für das Ende des Begriffs Molekularküche.

Dreisternekoch als Fastfood-Unternehmer: Ferran Adriàs "Fast Good"

fg.pngDass hierzulande auch Sterneköche immer wieder in Fernsehsendungen aufkreuzen um dort ein wenig herumzublödeln und nebenher noch ein Gericht zuzubereiten, das das Fernsehpublikum zum Glück weder riechen noch schmecken muss, ist verständlich. Irgendwoher müssen sie ihr Sternehobby ja finanzieren, denn nur ganz wenige der Dreisternerestaurants können kostendeckend operieren. Zu groß die Anforderungen der Gastrokritiker an Einrichtung, Personalschlüssel und natürlich auch die Qualität der Lebensmittel. Und irgendwo in der Nähe von 300 Euro liegt dann doch die Schmerzgrenze dafür, was man für ein Menü verlangen kann.

Der beste Koch der Welt, Ferran Adrià, geht auch hier einen etwas anderen Weg. Er kocht nicht für Kerner, sondern hat zusammen mit NH-Hoteles eine Fast-Food-Kette auf Franchise-Basis gegründet. Auf den ersten Blick mag das überhaupt nicht zusammengehen, aber wenn man sich mit seiner Philosophie näher auseinadersetzt, ergibt das durchaus Sinn. Adrià spricht sich immer wieder dafür aus, die Qualität von Produkten gänzlich unabhängig von ihrem Preis zu bewerten. Es geht nicht um Luxus, sondern um den Versuch, auf experimenteller Grundlage und in Kooperation mit Experten aus der Lebensmittelindustrie eine Küche zu entwickeln, die Glück verschafft.

Warum sollte sich dieses Prinzip nicht auch auf belegte Brötchen anwenden lassen – also zum Beispiel mit dem Ziel, einen Hamburger zu entwickeln, der im Unterschied zu der gewöhnlichen Systemgastronomie ein gutes Geschmackserlebnis bietet, gesund ist und auch noch einigermaßen bezahlbar. Natürlich geht es hier nicht um handgeformte Sphärenravioli, die mit einem mehrminütigen Begleittext am Tisch serviert werden, aber: warum nicht die Erkenntnisse der Taller-Experimentierküche auch in den Massenmarkt zurückspeisen. Das magische Dreieck heißt: „rápido – con sabor – sano“ (schnell – wohlschmeckend – gesund).

fast-good.pngWie das konkret aussieht, kann man auf der Webseite von Adriàs Fastfoodkette imit dem programmatischen Namen „Fast Good“ bewundern. Da gibt es zum Beispiel ein Hähnchen thailändischer Art mit Basmatireis, einen infantilen Minihamburger, der sich besonders „für die kleinen Gourmets“ eignen soll sowie diverse Panini. Aber auch kalte Speisen wie Salate, Tapas oder Parmesanbrioches gibt es, ganz zu schweigen – und hier erkennt man den Meister – von den zahlreichen Espumas als Nachtisch.

espumas.pngDie Preise liegen zwar über den entsprechenden Angeboten der Konkurrenz aus den USA, dafür scheinen die Speisen aber gut anzukommen (allerdings meinte Siebeck dazu: „Immerhin dürfte es jetzt auch dem Bustouristen möglich sein, bei Ferran Adrià zu essen, was bisher, im El Bulli, nur Steuerhinterzieher nach langer Vorbestellung schafften“). So schreibt Luca über den „Good Burger„, es sei der beste Hamburger seines Lebens gewesen. Die Webseite ist sehr Web-Zwei-Nullig, nicht nur was das Layout betrifft, sondern auch in der Interaktivität: die Nutzer können die einzelnen Speisen kommentieren und auf einer Skala von 1-5 Punkten bewerten. Außerdem: Unter dem Titel „La opinión de nuestro chef“ bloggt Ferran Adrià selbst.

Mittlerweile gibt es Filialen in Barcelona, Madrid, Valencia und auf Gran Canaria sowie in Chile. Deutschland ist noch nicht auf der Fast Good-Landkarte verzeichnet. Wer sich dafür berufen fühlt, kann sich bei Adrià als Franchisenehmer bewerben. Oder man besucht die ebenfalls von Adrià und NH-Hoteles gemeinsam entwickelten Nhube-Restaurants am Stuttgarter oder Frankfurter Flughafen oder in Nürnberg.

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Neu, neu, neu und immer neurer – Amerika entdeckt den Sodasiphon

img_7067.jpgUnter der Überschrift „Exotic soda siphon makes comeback in home bars“ berichtet Joanne Sasvari für die kanadische Tageszeitung Vancouver Sun über die derzeitige Siphon-Welle in Amerika. Unsere Annahme, dass dieses Gerät (auch bekannt als Sahnesprüher oder Sodaspender) bislang außerhalb Deutschland und Österreich kaum bekannt ist, wird darin voll bestätigt, denn Sasvari nennt den Apparat so „exotic even the people who sell it don’t necessarily know what it is.“

Aber dank der molekularen Küche interessieren sich auch in Amerika immer mehr experimentierfreudige Köche und Barkeeper für dieses merkwürdige Gerät, das eigentlich ganz gut in die ebenfalls anwachsende Steampunk-Welle passt (oder für Neal Stephenson-Fans: Neoviktorianismus). In diesem Kontext erscheint der Siphon wie gerufen, da er zum einen die ultramoderne dekonstruktionistische Avantgardeküche eines Ferran Adrià repräsentiert („Now with the fad for molecular gastronomy, it’s making a comeback of sorts as chefs use it to foam everything from soup to nuts“), zum anderen aber auch auf eine mittlerweile 80-jährige Tradition zurückblicken kann – erfunden 1829 von dem ungarischen Benediktiner Anyos Jedlik und nicht weg zu denken aus dem (östlichen) Europa der 1920er und 1930er Jahre.

Bezeichnend ist auch, dass eine Amazon-Suche nach dem Sahne-Siphon verwandten Produkten folgendes Ergebnis liefert:

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Isi Thermo Whip, 0,5 l
interessierten sich auch für diese Artikel:
Die Revolutionen des Ferran Adria. Wie ein Katalane das Kochen zur Kunst machte Gebundene Ausgabe von Manfred Weber-Lamberdière

Das TEUBNER Buch – Deutsche Küche (Teubner Edition) Gebundene Ausgabe von Nikolai Buroh

Die Molekül-Küche. Physik und Chemie des feinen Geschmacks Broschiert von Thomas Vilgis

Tapas – Das Kochbuch Gebundene Ausgabe von Juan Amador

Dieter Müller – Einfach und genial. Rezepte aus der Kochschule des Meisters Gebundene Ausgabe von Dieter Müller

Die Molekularküche Gebundene Ausgabe von Thomas Vilgis

Umami 2008: Shiitake Schaum und Brühe

Auf zum nächsten Werk zur 100-Jahrfeier von Umami: Brühe von Shiitakepilzen und Shiitakeschaum.

Shitake – 椎茸, Lentinula edodes – bestechen schon roh durch ihren herzhaftgen Geschmack – 100 g frische Pilze enthalten ca. 70 mg Glutamat und bis zu 50 mg Guanylsäure (deren Dinatriumsalz als E627 aus der Convenience-Küche nicht wegzudenken ist).


In getrockneten Pilzen ist die Konzentration von Guanylsäure drei bis vier Mal höher, als in frischen Pilzen. Daher wird aus jenen eine vegetarische Abwandlung der beliebten japanischen Brühe Dashi hergestellt, indem man die getrockneten Pilze mit Wasser aufgießt und mehrere Stunden ziehen lässt.

Das Rezept lehnt sich an eine Schöpfung von Juan Amador.

Zutaten

  • 1 kg Shiitake
  • 3-4 Schalotten
  • 500 ml Hühnerfond
  • 150 ml Schlagsahne
  • Weißwein
  • Olivenöl
  • Balsamico Essig
  • Arganöl
  • 5 Blatt Gelatine
  • Rosmarinzweig, Pfeffer, Salz, Zucker
  • Isi-Schäumer mit 2 Stickstoffpatronen

1. Der Pilzschaum

2-3 Schalotten in Olivenöl glasig anbraten, dann 300 g Shiitake mit andünsten.
Mit Weißwein löschen und mit 250 ml Hühnerfond aufkochen. Rosmarinzweig dazu, ca. 20 Minuten ziehen lassen, dann durch ein Sieb abseihen. Mit Essig abschmecken.
Sahne in die Brühe rühren.
2 Blatt Gelatine in kaltem Wasser einweichen, ausdrücken, in die Brühe geben und unter Rühren auflösen, kurz aufkochen, dann abkühlen lassen und in den Siphon füllen. Diesen mit zwei Patronen laden. Für ca. 4 Stunden kalt stellen.

2. Die Pilzbrühe

Restliche Zwiebeln leicht anbraten, Pilze dazu, kurz andünsten. Mit Weißwein löschen, die restliche Hühnerbrühe dazu. 3 Blatt Gelatine in kaltem Wasser einweichen, ausdrücken, in die Brühe geben und unter Rühren kurz aufkochen, dann abkühlen lassen.

Natürlich kann man hier auch die oben beschriebene Shiitake-Dashi einsetzen.

3. Anrichten

Mit einem Schöpflöffel in Gläser oder kleine Schüsseln füllen, ca. 1-2 Stunden kühl stellen.

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Zum Schluss den Schaum auf die Brühe sprühen und mit Arganöl beträufeln.

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