Monatsarchiv: Dezember 2007

The front lines of weirdness is where we like to be….

Ein schönes Motto für Entdeckergeist. Dazu gibt es Nachdenkliches zur „Weirdness of its own sake“ auf dem Blog des Cachagua Store aus Carmel Valey in Californien. Ich zitiere das etwas ausführlicher, weil es gut die Sorge ausdrückt, die uns ebenfalls gelegentlich drückt:

Does anyone else remember when people used to smoke in the middle of fancy dinner parties? […] Back in the day, raspberry mousse with white chocolate anything was weird: „I thought mousse was chocolate? What is wrong with chocolate mousse? And how can it be chocolate if it is white? You guys are weird. Can I get an ashtray?“
[…] There was a time (which is now returning, sadly) when hip restaurants‘ menus looked like they had been prepared by throwing magnet words at a refrigerator: Rack of Yak with Pomegranate Aioli, served on a bed of Chizo and Chipotle Cream. […]

Und was macht dann gute Weirdness aus?

Still, the New Crew’s dishes are not just weird for weirdness‘ sake.

Fortschritt versus Eklektizismus. Vermutlich noch stärker als bei der Nouvelle Cuisine bietet sich die Molekulare Küche sich für kitschige Dekoration bürgerlicher Speisekarten an. Gerhard Klöck gibt den richtigen Hinweis in seinem lesenswerten Artikel:

Zwingende Voraussetzung für den langfristigen Erfolg des Gastronomen ist es aber doch, neue Trends und Techniken in seinem persönlichen Stil einsetzten zu können. Alles andere wäre nur eine neue Form von Convenience.

Möchte ein Koch molekulare Akzente setzen, so muss er sich zunächst die neuen Techniken aneignen, d. h. nachahmen, bevor er selbst kreativ werden kann.

Zu schnell endet die Sache sonst im Selbstzweck.

Zu Gast bei Denis Feix

Wir hatten bereits an dieser Stelle über Denis Feix, den Aufsteiger des Jahres geschrieben. Nun haben sich die Blogkollegen von dinnerscout aufgemacht und sein Restaurant Il Gardino im Bad Griesbacher Columbia Hotel getestet und einige (leider etwas blaustichige) Fotos von den Speisen – von der Auster in Espuma und der Blutwurst im Krustenmantel bis zur Gänsestopfleber – gepostet.

Maronensoufflé

Was tun, wenn man noch ein paar Esskastanien von den Feiertagen übrig hat? Backen und pur genießen? In den Kamin schmeißen und den Duft von Chestnuts Roasting on an Open Fire inhalieren? Beides zu wenig herausfordernd für die Molekularküche. Deshalb steht hier auf dem Programm: Kastaniensoufflé.

Zutaten (2 Personen)

  • 10-15 Kastanien
  • 100 ml Milch
  • 25g Zucker
  • 1/4 Vanillestange
  • etwas Butter
  • etwas Mehl
  • 3 Eier

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Zubereitung

  1. Kastanienschale kreuzweise einritzen und im Ofen bei 180° erhitzen bis die Schalen aufplatzen. Dann schälen.
  2. Kastanien in einem Topf mit etwas leicht gesalzenem Wasser zugedeckt weich kochen (ca. 30-45 Minuten).
  3. Währenddessen: In einem anderen Topf die Milch mit dem herausgekratzten Vanillemark und der Stange aufkochen und 10 Minuten neben der Herdplatte ziehen lassen. Danach noch einmal aufkochen und die Vanillestange herausnehmen.
  4. Kastanien abgießen und zusammen mit dem Zucker in die Milch geben. Ein paar Minuten auf kleiner Flamme köcheln lassen, pürieren und durch ein Sieb pressen. Abkühlen lassen.
  5. Zwei Eiweiß zu festem Eischnee rühren. Der Eischnee muss so fest sein, dass er ein volles Ei tragen kann ohne einzusinken.
  6. Ein Eigelb in das etwas abgekühlte Kastanienpüree geben und verrühren. Danach das zweite Eigelb. Den Eischnee vorsichtig unterheben. Die Luftbläschen im Eiweiß sind die Grundlage für das spätere Aufgehen des Soufflés, sie dürfen nicht zerdrückt werden. Masse in zwei ordentlich gebutterte und eingemehlte Souffléförmchen geben, etwa bis 3/4 der Höhe befüllen.
  7. Sofort in den Ofen und bei mittlerer Hitze (170°C) 20 Minuten backen. Die immer noch verbreitete Variante, bei der das Soufflé vor dem Backen im Wasserbad „warten“ muss, ist nach Nicholas Kurti und Hervé This nicht zu empfehlen, denn das Soufflé steigt am höchsten, wenn es sofort in den Ofen darf.

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Schmeckt sehr gut als Dessert mit Puderzucker bestäubt zu Eis. Wenn man den Zucker weglässt, kann man das Soufflé aber auch als Beilage z.B. zu Gänseleber servieren.

Kochen: der Urgrund in der Evolution des modernen Menschen

„Cooking up bigger brains“: in der Ausgabe Januar 2008 widmet sich Scientific American der Frage nach der (Co-)Evolution von Denken und Kochen. Der britische Biologe und Anthropologe Richard W. Wrangham, der in Harvard lehrt, stellt darin seine These vor, der Schritt vom affenartigen Hominiden zum Homo Erectus sei durch die Erfindung des Kochens möglich geworden – und nicht allein durch den Verzehr von Fleisch, wie bisher verbreitet angenommen.

Wrangham beschreibt sehr anschaulich, wie er auf diese Theorie gekommen ist. Als Mitglied in der Primaten-Forschergruppe um Jane Godall war er lange Zeit einer Sippe von Schimpansen gefolgt. Im Selbstversuch hatte er begonnen, die „Schimpansen-Diät“ aus hauptsächlich rohen Früchten und etwas rohem Fleisch zu sich zu nehmen. Diese Rohkost besteht zu ca. 35% aus unverdaulichen Fasern, im Gegensatz zur Nahrung des Jetzt-Menschen mit lediglich 10%.

I’d had the experience of seeing a close relative eating all those foods and seeing how unpleasant they are and how difficult it would be for humans to survive on a diet like that. Maybe people assume that the kinds of places in which humans live would have apples and bananas dripping off the trees, but it’s not like that.

Die Folgerung ist wirklich bestechend schlüssig und ergänzt die bisherigen Theorien, wie es dem Homo Erectus vor ca. 1,6 Mio Jahren möglich war, auf das starke Gebiss seiner Vorgänger und den großen Teil seines Darmes zu verzichten.

Also ein weiterer Punkt fürs Kochen: zu kochen ist (ur-)menschlich!

Einseitig gebratener Lachs

Sehr schön liest sich Hervé This‘ Beschreibung einer Spezialität des Pariser 3-Sternekochs Guy Savoy: einseitig gebratener Lachs (oder besser Saumon à l’unilatérale), bei dem durch die besondere Zubereitungsform der Gargrad von oben nach unten zunimmt, während die Kräuteraromen von unten nach oben zunehmen. Diesem spannenden Gericht hat sich die Molekularküche an den Feiertagen gewidmet. Das Ergebnis: ein köstliches Fischgericht, die 12 Filets waren im Nu aufgegessen.

Zutaten (6 Personen, frei nach This‘ Kulinarische Geheimnisse)

  • 6 Lachsfilets (mit Haut)
  • 25 g geklärte Butter
  • 1 EL Olivenöl
  • 2 Karotten
  • 2 Schalotten
  • 1 Lauchstange
  • 1 Fenchel
  • 1 Sträußchen frischer Koriander
  • 1 Petersilienzweig
  • 100 ml Crème double
  • 100 ml Fischfond

Zubereitung

  1. Karotten, Schalotten, Fenchel und Lauch in feine Streifen schneiden, im Olivenöl kurz anbraten und dann zusammen mit der Petersilie mit Deckel 5 Minuten dünsten.
  2. Deckel abnehmen und das Gemüse fertiggaren, bis das Wasser verdampft ist. Erst jetzt das kleingehackte Koriandergrün dazugeben und vermischen.
  3. Die Fischfilets in der geklärten Butter bei starker Hitze so lange anbraten, bis sie etwa bis zur halben Höhe durchgegagart sind. Oben sollten sie noch ziemlich roh sein. Das kann allerdings etwas schwierig sein, wenn die Filets sehr unregelmäßig geschnitten sind.
  4. Danach die Filets auf ein eingefettetes Backblech geben, salzen, pfeffern, mit einer dünnen Schicht Gemüse bedecken und etwa eine halbe Stunde ziehen lassen. Nun wandern die Aromen von den Kräutern in die rohe Seite der der Fischfilets. Dann bei 70° C im Ofen fertiggaren (20 Minuten).
  5. Den Fischfond aufwärmen, so dass er flüssig wird und die Crème double mit dem Schneebesen einrühren. Die Sauce auf die Filets geben und servieren.

Hier das halb gegarte Filet von der Seite betrachtet:

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Und hier das fertige Gericht:

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Mango Espuma (Apar Mango)

Man kann einen Mangoschaum wunderbar am Vorabend vorbereiten und außerdem noch eine Weile im Kühlschrank aufbewahren – ein perfektes Dessert für Feiertage, an denen man für jede eingesparte Minute dankbar ist (Rezept von espumas.at).

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Zutaten

  • Eine reife Mango (ca. 375g)
  • 125ml Orangensaft
  • 50g Zucker
  • 2 Blatt Gelatine

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Zubereitung

  1. Gelatine in kaltem Wasser einweichen.
  2. Mango schälen und würfeln, dann in einem Topf mit dem Zucker und Orangensaft aufkochen.
  3. Pürieren und durch ein feines Sieb drücken.
  4. Die Hälfte des Pürees auf 60°C erwärmen und die Gelatine einrühren. Danach das restliche Püree dazugeben und die Masse abkühlen lassen.
  5. Mit dem Schneebesen schlagen und in den Sahnesiphon einfüllen. Eine N2O-Kapsel aufschrauben und den Sahnesprüher kräftig schütteln.
  6. Mehrere Stunden kaltstellen.
  7. Vor dem Servieren den Siphon kräftig mit dem Kopf nach unten schütteln und senkrecht aufsprühen.

Das Tolle an Schäumen dieser Art (Espumas) ist, dass man eine äußerst luftige Substanz herstellen kann, die ohne Sahne einigermaßen stabil ist (10 Minuten bleibt der Schaum stehen). Im Mund entfaltet sich (manche sagen: explodiert) der volle, ungetrübte Geschmack einer reifen Mango. Absolut überzeugend. Das Geheimnis sind die vielen Luftbläschen, die durch das Aufschäumen entstehen und die man auf dieser Makroaufnahme gut erkennen kann:

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Gleichzeitig verändert sich durch die andere Lichtbrechung im Schaum die Farbe von dem schönen satten gelb der Mango hin zu cremeweiß bei dem Schaum (siehe oberes Foto).

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Molekulare Gastronomie auf hoher See

serena.pngWährend sich die deutschen Printmedien immer wieder in ihrer „kulturkritischen“ molekular-aversiven Haltung gefallen, scheint in Kanada zur Zeit genau das Gegenteil zu passieren. Alle paar Tage liest man in den Zeitungen voller Hingabe geschriebene Liebeserklärungen an Stickstoff, Gel und Schaum. Gerade eben war wieder einmal der Toronto Star dran, in dem Heather Greenwood Davis die molekulare Küche an Bord des Luxuskreuzschiffs „Costa Serena“ (mit 3780 Passagieren in Europa Spitze) beschreibt:

And as the doors swing open and sous-chef Fiori makes his way to the table with his tell-tale jug in hand, it’s all I can do to restrain myself from jumping up and down in my seat, clapping my hands and saying in a voice like my 2-year-old: „Do it again! Do it again!“

Das Menü wurde entworfen von dem italienischen Sternekoch Ettore Bocchia („Mistral“ im Grand Hotel Villa Serbelloni, Bellagio). Wahrscheinlich ist es aber ein Bärendienst an der molekularen Gastronomie, sie als „scary name for a simple idea – taking food down to its scientific core and then messing around with it a little“ zu banalisieren, wie Davis es in ihrem Artikel tut.

(Bild: „Costa Serena“ von turismosavona)

Roh, gekocht, gebraten


In seiner Betrachtung der Küche kommt Claude Levi-Strauss zu einem „kulinarischen Dreieck“, in dessen Ecken die extremen Zubereitungsformen roh, gekocht und gebraten stehen (bei CLS kommt allerdings als Drittes das Verfaulte – darüber sollten wir auch noch sprechen! – mein Dreiklang stammt aus der Interpretation von Slavoy Žižek).

Das Gebratene – dem Feuer am nächsten – geht am verschwenderischsten mit den Nährstoffen der Speisen um, so Levi-Strauss. Daher sei es sozial höheren Schichten zuzuordnen, als das Gekochte. / Diese Ansicht teilt er übrigens mit Brillat-Savarin, der schon genau hundertfünfzig Jahre zuvor festegestellt hatte, dass man zum Koche ausgebildet werden kann, „zum Bratkünstler aber ist man geboren“ …/

Ist denn das Braten wirklich so verschwenderisch, nur weil aus dem Bratgut die Säfte heraustreten? In einem aktuellen Artikel beschäftigt sich das Journal of Agricultural and Food Chemistry mit dieser Frage, inwieweit unterschiedliche Gartechniken die Nähreigenschaften beeinflussen.

Das Ergebnis: gebratenes Gemüse ist gesünder als rohes. Je nach Gemüsesorte liegt Konzentration der Antioxidantien um bis zu 30% über den Werten für die rohen Speisen.

Aufsteiger des Jahres: Denis Feix

Der neue Gusto-Führer Bayern, der neute erscheint, kürt Denis Feix, Restaurant Il Giardino, Columbia-Hotel, Bad Griesbach zum Aufsteiger des Jahres. Feix erkochte sich schon einen Michelin-Stern und stolze 16 GautMileau-Mützen. Die Begründung der Gustos für die Ehrung:

„Mit sehr viel Ideenreichtum und handwerklicher Präzision bereichert Denis Feix seit zwei Jahren die bayrische Gourmetlandschaft. Sein spannendes Repertoire erschöpft sich nicht in Althergebrachtem, sondern bietet moderne, sehr elegant und aufwendig zubereitete Kreationen mit gelungenen kreativen Akzenten. Maßvoll und wohlüberlegt setzt er hie und da auch molekulare Effekte ein … (aus der Pressemitteilung)

Das unser Molekularkuechen-Blog besonders bemerkenswerte ist tatsächlich die Kombination von „klassischer“ Haute Cuisine mit molekularen Einflüssen, wie auf der Karte erkennbar.
Den ganzen Unken sei es hier wiedermal gesagt: der Fortschritt in der Küche ist bei Weitem kein solcher Selbstzweck, als den ihr ihn verschmäht, und nur weil sich jemand Gedanken macht, statt alles aus dem Bauch heraus zu kochen, heißt das noch lange nicht, das die Küche ihre Seele verliehrt …

d'Pintxos


Pintxos bedeutet Tapas auf Baskisch. Und unter d’Pintxos fand vom 12. bis 14. Dezember in San Sebastian die erste „Messe für kleines Essen“ statt bzw. für die „Küche in Miniatur“. Schöne Bilder der spektakulären Kreationen sind auf dem Blog directo al paladar zu finden (was wohl soviel wie direkt in den Gaumen bedeutet).

Sehr nett liest sich die Liste der beteiligten Köche:

    Juan Mari und Elena Arzak (Arzak, Donostia)
    Pedro Subijana (Akelarre)
    Andoni Luis Adúriz (Mugaritz, Oiartzun)
    José Ramón Elizondo (Bar Aloña Berri, Donostia)
    Sergi Arola (La Broche, Madrid)
    Carles Gaig (Gaig, Barcelona)
    May Hofmann (Escuela-Hofmann, Barccelona)
    Sacha Ormaechea (Sacha, Madrid)
    Ed Brown (Sea Grill, New York)
    Koji Fukaya (Vascu, Japón)
    Sumito Estévez (Instituto Culinario de Caracas, Venezuela)
    Benito Molina (La Manzanilla, Baja California)
    Bruno Oteiza (Bico, Mexico D.F.)