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Kocht Blumenthal demnächst für Channel 4?

Möglicherweise steht Dreisternekoch Heston Blumenthal (The Fat Duck) unmittelbar vor dem Wechsel seines TV-Senders. Bislang war er regelmäßig für die BBC in der Sendung „In Search of Perfection“ zu sehen, wo er auf der Suche nach der Herkunft bekannter und unbekannter Gerichte kreuz und quer über den Erdball gereist ist. Das Angebot des potentiellen neuen Senders Channel 4, in dem auch seine Kollegen Gordon Ramsay und Jamie Oliver (aktuell des Product Placements eigener Küchengeräte beschuldigt) beheimatet sind, soll mehr als eine Mio. Pfund (= 1,3 Mio EUR) betragen. Allein die Entwicklung neuer Rezepte soll dem Sender 300.000 Pfund Wert sein. Das jüngste Angebot der BBC soll dagegen nur halb so hoch ausgefallen sein.

Leider ist es genausowenig möglich, Channel 4-Sendungen außerhalb der britischen Inseln übers Internet zu betrachten wie BBC2-Sendungen:

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Weils gerade zum Thema passt, hier noch ein Video eines deutlich jüngeren Heston Blumenthal bei der Zubereitung von Hervé This‘ Chocolat Chantilly (hier in Nahaufnahme), ein Rezept, das die klassische Warnung, beim Schokolade-Schmelzen kein Wasser in die Schokolade zu lassen, bewusst und erfolgreich missachtet:

(via)

Heston Blumenthal: Further Adventures in Search of Perfection

51vpd1m2l5l_aa240_.jpg„Further Adventures on the Search of Perfection“, das Begleitbuch zur BBC-Serie mit dem britischen Dreisternekoch Heston Blumenthal (The Fat Duck) ist mit Abstand das ungewöhnlichste Kochbuch, das ich jemals gelesen habe.

Zum einen ist es eigentlich gar kein echtes Kochbuch, da die eigentlichen Rezepte – Hamburger, Fish Pie, Chicken Tikka Masala, Risotto, Pekingente, Chilli Con Carne, Baked Alaska und Trifle – nur einen geringen Teil des insgesamt über 300 Seiten umfassenden Werks ausmachen. Auf den restlichen Seiten schreibt Blumenthal über die kulinarhistorischen Hintergründe der Gerichte, die Suche nach ihrem Ursprung (besonders spannend: die Suche nach dem Ur-Hamburger), die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den jeweiligen Substanzen sowie seine Schritte auf dem Weg zur Perfektion dieser Speisen inklusive einiger Rückschläge (siehe die Chicken Tikka-Story). Aber es ist auch nicht so, dass hier acht Rezepte, die im Übrigen selbst, was Zutaten und Arbeitsschritte angeht, epische Ausmaße erreichen, mit einer Menge Füllmaterial aufgeschäumt werden (um einmal eine Küchenmetapher zu verwenden). Nein, die narrativen Passagen sind jeweils eng mit den Rezepten verbunden, erklären ihren Hintergrund und ihr Zustandekommen.

Das Buch ist dabei, das ist die zweite Besonderheit, derart flüssig und packend geschrieben, dass es das erste Kochbuch ist, das ich in einem Zug durchgelesen habe. Auch Bocuse oder Escoffier sind auf jeden Fall gut lesbar – doch mir ist aus der Überlieferung nur eine Person bekannt, die sich davon derart fesseln ließ und auch diese Bücher verschlungen hat: Ferran Adrià. Mit Blumenthals Werk kann jeder einmal ein ähnliches Gefühl verspüren.

Die einzelnen Rezepte vollständig zu kochen, stellt in den meisten Fällen allein aufgrund der viele Stunden oder gar Tage umfassenden Prozeduren eine wirkliche Herausforderung dar. Auch ambitionierte Hobbyköche dürften bei der Zubereitung einer Pekingente à la Blumenthal ins Schwitzen kommen. In aller Regel wird man diese Rezepte gerade deshalb auch nur ein einziges Mal zubereiten – auch etwas seltsam für ein Kochbuch. Aber ganz gleich wie das Ergebnis ausfällt: man wird auf jeden Fall etwas dabei gelernt haben. Außerdem kann man sich immer auch auf das Nachkochen einzelner Teile der Rezepte beschränken – zum Beispiel das Entenconfit oder die Basmati-Hühnerboullion – und sich auf diese Weise die Rezepte step by step aneignen.

Die Ausstattung des Buches lässt keine Wünsche offen: das Buch ist sowohl farblich als auch typographisch sehr ansprechend gestaltet, die Fotos sind von guter Qualität, die Bindung wirkt sehr solide und das Papier fühlt sich sehr angenehm an. Besonders positiv: am Anfang des Buches findet man eine ausführliche Umrechnungstabelle von Milliliter in Unzen sowie Esslöffel oder Tassen, und am Ende des Buches sorgt ein ausführliches Stichwortverzeichnis dafür, dass man die im laufenden Text immer wieder eingestreuten Sachinformationen schnell wiederfinden kann. Dazu kommen noch Hinweise zu Hygiene und Sicherheit in der Küche, eine Liste der Bezugsquellen für Lebensmittel und Geräte sowie – schließlich handelt es sich um einen Vertreter der wissenschaftsnahen molekularen Kochweise – weiterführende Literaturhinweise.

Heston Blumenthal: Further Adventures in Search of Perfection, London, Bloomsbury, 2007, 320 Seiten, ISBN 0747594058, 32,99 EUR.
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TV-Köche reloaded

Die Diskussion zu den TV-Köchen ist seit diesem Molekularküchenbeitrag wieder etwas in Bewegung gekommen. Diesen Berichten zufolge gab es in der letzten Folge von Kerners Köche eine interessante Dekonstruktion des Fernsehkochens zu beobachten. Die Köchinnen und Köche demontierten gegenseitig ihre Gerichte (hier kann man sich die Sendung noch einmal ansehen). Rückkehr der Ehrlichkeit oder eine folgerichtige Zuspitzung des Fernsehkochens auf das, was immer für Quote gut ist: Kontroverse. Wie lässt sich das noch toppen? Vielleicht mit einer Guido Knopp-Sendung zu Hitlers Köchen? Oder einer Maischberger-Diskussionsrunde zum Thema: War der Schweinebraten damals wirklich besser?

Hestons Weihnachtsmenü – "weeping at the sheer beauty of the food"

Jetzt müsste man in den Vereinigten Königreichen wohnensurfen, dann würde man auf dieser BBC-Seite nicht nur die Textmeldung sehen, sondern das große Weihnachtsmenü, das Heston Blumenthal seinen Gästen in der Sendung „In Search of Perfection“ gekocht hat (immerhin gibt es hier ein Foto von dem Essen).

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Grandios, wie der Fat Duck-Koch es schafft, zu polarisieren. Die einen halten seine Suche nach Rentiermilch für übertrieben oder gar krankhaft; die anderen sind begeistert, erstaunt und überwältigt von seiner visionären Küche – „food that no-one will ever cook“ – und sehen in ihm längst keinen Koch mehr, sondern einen postmodernen Alchemisten. Allein das Sorbet mit Pfeifenrauch- und Ledersesselaroma! Oder der Gänsebraten der etwas aufwändigeren Art:

He fed his goose (turkey is so not him) with pine-feed so it would taste of Christmas. Alongside the goose, he served a chestnut velouté in a bell jar that contained the smell of chestnuts roasting on an open fire.

Ich glaube, ich fliege am Sonntag nach London um mir die Wiederholung anzusehen.

"Jetzt ist eben die Küche dran" – FAZ lobt TV-Köche

Jakob Strobel y Serra bricht in der FAZ eine Lanze für das Kochfernsehen. Ausgangspunkt ist die immer wieder geäußerte Klage der TV-Kritiker, es gäbe zu viele (zwangsläufig schlechte) Kochsendungen im deutschen Fernsehen:

Sie unterwirft Kochsendungen einem viel strengeren Urteil als den großen Rest des Fernsehprogramms und verlangt von ihnen einen didaktischen Impetus, eine Moralität, als sei das Fernsehen eine Schillersche Erziehungsanstalt mit kulinarischem Klassenzimmer.

Doch diese Kritik läuft nach Strobel y Serra ins Leere, da man an der kulinarischen Kultur der Deutschen gar nicht viel kaputtmachen kann. Im Gegenteil: „Schön wär’s, gäbe es viel zu ruinieren.“ Insofern können auch die Kochsendunge im Unterhaltungsprogramm einen Beitrag dazu leisten, dass in deutschen Küchen ein bisschen mehr ausprobiert wird.

Wobei er damit streng genommen nichts weiter tut, als die Medienkritik durch eine Kulturkritik zu ersetzen. Ein Blick auf die höchst lebendige und experimentierfreudige Genussblogszene hätte Strobel y Serra allerdings gezeigt, wo das kulinarische Deutschland zu finden ist, das sich der fastfoodianischen und TV-kulinarischen Unmündigkeit entledigt hat, und dabei gelernt hat, sich seines eigenen VerstandesGeschmackes zu bedienen. Auf die Masse zu schimpfen ist da doch etwas billig.