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Hmm, lecker, lecker diese Kost!

387021374_a8ecf1ae5a_m.jpgUnter der krampfhaft witzigen Überschrift „Wir sind nicht ganz normal im Topf“ schimpft Ullrich Fichtner im Spiegel über die unterentwickelte deutsche Küche, spricht dabei jedoch „ausdrücklich nicht von der Hochküche, das ist ein anderes Spiel“. Genau das ist jedoch der springende Punkt, der dazu führt, dass sein natürlich äußerst einseitiger Vergleich zwischen Frankreich und Deutschland ins Leere läuft (ganz abgesehen davon, dass drei der vier Gerichte, die er dann als „typisch deutsch“ präsentiert Importe sind: das Schnitzel aus Österreich, das Gulasch aus Ungarn und der Sauerbraten von den alten Römern). Denn wenn es um die Hochküche geht, ist Deutschland – Eckart Witzigmann sei Dank – seit ein paar Jahrzehnten auch in der Königsklasse der Kulinaristik angekommen.

Dass die einfache deutsche Wirtshausküche zwischen Lübeck, Weimar und Lindau zum Teil gruslige Ergebnisse auf die Teller bringt – geschenkt. Aber der entscheidende Unterschied ist, dass die französische Hochküche des 19. Jahrhunderts – ich spreche von den Praktikern Marie-Antoine Carême und Auguste Escoffier sowie ihren Cheftheoretiker Jean Anthelme Brillat-Savarin – nach und nach zur Nationalküche geworden ist. In Deutschland gab es keine entsprechende Transformation – vielleicht bringt uns aber die Molekularküche von der Mehllastigkeit weg (dazu ausführlicher später). Dazu kommt, dass es nie eine vereinheitlichte deutsche Nationalküche gegeben hat, sondern nur eine Vielzahl zum Teil äußerst vielfältiger und raffinierter Regionalküchen. Wenn man näher hinsieht, entdeckt man diese auch in Frankreich, zum Beispiel in der Normandie, in Burgund, im Elsass oder im Périgord.

Fichtner hätte vielleicht etwas mehr Erfolg gehabt, wenn er nach guten einfachen bayerischen, schwäbischen, saarländischen oder badischen Restaurants gesucht hätte. Und vielleicht schafft es auch in Deutschland die Hochküche im Verlauf der nächsten 100 Jahre in die einfachen Restaurants durchzudringen.

(Foto „today’s dinner“ von tschneider)

Das Hohelied des Fond

Die Brühe, der wichtigste Lieferant für Umami in der abendländischen Küche, war in der Ancienne Cuisine stets die Grundlage des guten Geschmacks. Die Zubereitung ist zeitaufwändig, hat man einmal angefangen zu kochen, bekommt man als Ergebnis stets mehrere Liter; und das Produkt, von dem man als Zutat meist nur ein zwei Tassen benötigt, lässt sich nicht ohneweiteres lagern.

Außer bei erfahrenen Gourmets sind die Brühen daher in der Regel meist dem Brühwürfel gewichen, wenn sie nicht durch noch elaboriertere Komplett-Lösungen wie z. B. Maggi-Fix ersetzt werden.

„Stock Options are plentiful“ titelt die Denver Post einen leidenschaftlichen Aufruf, wieder mehr Brühen selber zu kochen. Dabei ist man im fernen Colorado offenbar viel weniger Kulturpessimistisch als weiter östlich, wo es bei den diversen Aufrufen back to the roots of goode olde home cooking meist in Wahrheit um neokonservatives Lamento geht, das früher doch alles besser war.

No cook’s kitchen is complete without an ample supply of stock, or at least the fixins thereof. Thus, our mission to get you to make your own.

Also: auch in der Molekularen Küche braucht man Brühe. Darum ran an Glace, Demi Glace, Fond oder wie auch immer …

Umami 2008: umamischer Kartoffelsalat (terporna umama salato)

Auf Esperanto heißt Kartoffel teropomo. Typografisch ist das überaus ähnlich zu Teroporno – zu Terrorporno ein kleiner Schritt. Nach dieser Vorrede, nun zum Rezept.

Unser nächster Beitrag zur Ralley Umami 2008.

Kartoffelsalat wird schon in den bewährten Rezepten mit einer Umami-Note versehen: man gibt sowohl traditionell als auch in der Nouvelle Cuisine Brühe hinzu, am besten Kalbsfond. Genau dieser hat Auguste Escoffier, der Legende nach auch der Erfinder der klaren Kalbsbrühe war, dazu veranlast, das bekannte System von vier Geschmacksnoten in Frage zu stellen.

Unser Kartoffelsalat soll als vollmundiger Träger für den Umami-Geschmack dienen.

Rezept

Kartoffeln dämpfen (oder kochen), schälen, in Scheiben schneiden.

Bohnenkraut zu Kalbsfond und Wein geben, die Bohnen darin köcheln lassen (nicht durchkochen!). Mit Salz abschmecken.

Zwiebeln glasig dünsten, dass sie keinerlei Schärfe mehr haben, Knoblauch in vierteln oder Scheiben kurz mitdünsten, Shiitake Pilze anrösten. Mit Sojasauce ablöschen. Zu den Kartoffeln geben.

Den Bohnenfond samt Bohnen darunter mischen. Mit Essig, Öl, Sojasauce, Salz, Pfeffer abschmecken.

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Gibt man nicht zuviel Säure in den Salat, entwickelt sich nach kurzem Ziehenlassen der herrliche Umami-Geschmack (was ja eigentlich eine Tautologie ist …).

Sauce Espangnol

1903 erscheint der „Guide Culinaire“ von Auguste Escoffier. Mit diesem Werk beginnt die Epoche der Moderne in der Küche. Es lohnt sich unbedingt diese bis heute normgebende Sammlung zur Hand zu nehmen. Jede neue gastronomische Strömung des Abendlandes im 20. Jahrhundert musste sich mit Escoffier auseinandersetzen: die Folie auf der von Generation zu Generation aufgebaut wird, was als „Haute Cuisine“ verstanden wird.

Escoffier, der als erster Chéf unter César Ritz in dessen 1898 eröffneten Hotel an der Place Vendôme in Paris zu Weltruhm aufstieg, gilt gemeinsam mit Julius Maggi als Erfinder des berühmten, billigen Würzextrakts.

Um zu verstehen, von was sich die Nouvelle Cuisine zu distanzieren suchte, und was bis heute – und sei es als monstre – für immer neue Inspiration gerade auch der jüngeren Sterneköche gilt, folgt hier das Rezept der Braunen Grundsauce, die in ihrer Instant-Version bis heute aus keiner Kantine wegzudenken ist. Und es wird klar, wie es dazu kam, dass die Hauteur der Küche sich wohl primär an der Komplexität der Zubereitung bemessen hat.

Sauce Espagnole – Braune Grundsauce

Proportionen für 5 Liter
625g Mehlschwitze
12 Liter brauner Fond
150g magere Speckwürfel, 250g Karotten, 150g gewürfelte Zwiebel, Thymian, Lorber

Zubereitung: 1. Man bringt 8 Liter Fond zum Kochen, fügt die erweichte Mehlschwitze hinzu, führt das Ganze mit dem Löffel oder dem Schneebesen glatt, bringt es unter ständigem Rühren zum Kochen und lässt hierauf an der Seite des Feuers langsam aber beständig weiterkochen.

2. Dann fügt man die folgendermaßen bereitete Mirepoix hinzu: Man lässt den Speck in einem Sautoir zergehen, gibt die Würfel von Karotten, Zwiebeln, Thymian und Lorbeerblatt hinzu und röstet dies, bis die Gemüse leicht gelb sind. Dann gießt man das Fett ab, gibt die Gemüse in die Sauce, löscht das Sautoir mit einem Glase Weißwein ab, kocht dies bis zur Hälfte ein, giet den Fond in die Sauce und lässt diese hierauf langsam unter öfterem Abschäumen drei Stunden vorsichtig kochen.

3. Man passiert die Sauce dann durch ein Spitzsieb in eine andere Kasserolle, wobei man die Mirepoix leicht presst, gießt von neuem 2 Liter Fond hinzu, lässt nochmals 3 Stunden langsam und stetig kochen, pasiert die Sauce dann in eine Schüssel und rührt sie von Zeit zu Zeit, bis sie völlig erkaltet ist.

4. Am anderen Tage gießt man die Sauce in eine Kasserolle mit dickem Boden und gibt die 2 Siter noch übrigen Fond sowie 1 Liter Tomatenpüree oder ebensovie frische Tomaten (etwa 2 kg) hinzu. Wenn man Tomatenpüree verwendet, so raten wir, dasselbe im Ofen zu rösten, bis es beinhae braun ist. Dieses Abrösten nimmt dem Püree alle Säure, erlcihter das Klären der Sauce und gibt derselben einen wärmeren, dem Auge angenehmeren Ton. Dann lässt man die Sauce unter forwährendem Rühren mit dem Spatel oder dem Schneebesen auf offenem Feuer aufkochen, dann noch 1 Stunde langsam aber stetig kochen und schäumt während dieser Zeit mit der größten Sorgfalt ab. Nonmehr passiert man sie durch ein Passiertuch und rührt sie von Zeit zu Zeit um, bis sie erkaltet ist.

Der Autor dieses Posts hier offen zu, regelmäßiger Escoffier-Leser zu sein: wo findet man sonst alleine sechs Rezepte für Schnecken!