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McGee bekommt Chemiker-Preis

mcgee.pngWir wissen nicht, ob es an seiner Arbeit zur Geschmackschemie der Schokolade liegt, oder ob es eher um seine enorme Präsenz im Diskurs der wissenschaftlich-gastronomischen Aufklärung geht, aber Harold McGee wird den ebenso renommierten wie umständlich auszusprechenden James T. Grady-James H. Stack Award for Interpreting Chemistry erhalten. Ziel des Preises, der u.a. 1965 Isaac Asimov verliehen wurde, ist:

To recognize, encourage, and stimulate outstanding reporting directly to the public, which materially increases the public’s knowledge and understanding of chemistry, chemical engineering, and related fields.

Zwar hat die American Chemical Society, die diesen Preis jährlich vergibt, noch keine Pressemitteilung dazu veröffentlicht und auch in seiner „Hauszeitung“, der New York Times ist noch nichts zu lesen, aber auf der Seite des Preises ist der Name schon zu lesen. Deshalb aus der Molekularküche herzlichen Glückwunsch.

Hier noch ein Video, in dem Harold McGee (ab 10:00) über die wissenschaftliche Erforschung von Biolebensmitteln spricht und auch mit dem Mythos aufräumt, biologische Landwirtschaft sei weniger technologisch fortschrittlich als die konventionelle:

Bücher von Harold McGee:

(via)

Die Chemie der Schokolade

Vorbildlich finden wir die Aktion der American Chemical Society, ein informatives Webangebot zum Thema „Chemie der Schokolade“ bereitzustellen. Dort kann man sich zum Beispiel über die Geschichte der Brownies informieren (einschließlich einer Rezeptsynopse), über verschiedene Schokoladensorten und Temperatureinflüsse oder eben – und hier werden die Molekularköche hellhörig – über die Chemie des Schokoladengeschmacks. Zu diesem Punkt kann man sich ein Handout von Harold McGee herunterladen, das vermutlich nur wenige Punkte des Vortrags auf dem ACS-Schokoladenworkshop „Cooks with Chemistry – The Elements of Chocolate“ illustrieren soll, aber ein wunderschönes Schokoladengeschmacksrad (nach Alice Meldrich 1997) enthält:

schokolade.png

Wer es noch wissenschaftlicher mag und sich etwa über den Procyanidin- und Catechingehalt informieren will, kann hier dann auch noch die Abstracts von aktuellen Papieren zur akademischen Schokoladeforschung durchlesen. Wir hoffen, dass diese Seite weiter ausgebaut und vor allem regelmäßig gepflegt wird.

Molekulare Gels aus der Steckdose

Bloggers for Peer-Reviewed Research ReportingEine der wichtigsten Verbindungen zwischen der modernen Lebensmittelchemie und der auf wissenschaftlichen Grundlagen aufbauenden Molekulargastronomie ist die Hydrokolloidforschung. Im Mittelpunkt stehen dabei die unterschiedlichen Eigenschaften (Viskosizität, Elastizität, Mundgefühl etc.) von Hydrokolloidgels auf Alginat-, Agar-, Agarose– und Gellanbasis. Abhängig von der Konzentration, dem pH-Wert oder der Temperatur lassen sich mit diesen Stoffen eine große Bandbreite von Texturen herstellen, die zu Grundelementen der Nueva Nouvelle Cousine geworden sind.

nussinovitch.pngDie beiden israelischen Forscher Amos Nussinovitch (Autor des Standardwerks „Hydrocolloid Applications„) und Zvitov-Marabi (Hebrew University of Jerusalem) widmen sich u.a. auch in ihrem aktuellen Aufsatz „Unique shape, surface and porosity of dried electrified alginate gels“ in der aktuellen Ausgabe (Mai 2008) von Food Hydrocolloids einer weiteren Variable: der Elektrifizierung von natürlichen Gels. Denn die Gels der molekularen Küche können auch durch elektrische Spannung dazu gebracht werden, ihre Form und Porosität sowie mechanische und chemische Eigenschaften zu verändern. Die Forscher sind der Ansicht, dass insbesondere die höhere Porosität der elektrifizierten und anschließend gefriergetrockneten (-50°C bei 1,1 Pa Druck) Gels neue Anwendungsmöglichkeiten erschließen könnten:

The freeze-dried hydrocolloid gels could also be useful as carriers for many food snacks, non-food matrices and biotechnological operations.

Die elektrische Spannung, die benutzt werden kann, um die Gels in destilliertem Wasser zu manipulieren, muss dabei gar nicht hoch sein: schon bei 40 Volt verändert sich die Struktur der Substanz. Alginatperlen lassen sich stärker von elektrischen Feldern beeinflussen als Agarperlen. Durch die vielen und wesentlich größeren Poren sind die elektrifizierten Gele auch weniger spröde – was möglicherweise auch ein anderes Mundgefühl mit sich bringen könnte. Besonders eindrucksvoll und überraschend waren die Veränderungen von aufgeschnittenen Alginatschwämmchen an der Kathode: dort waren statt der üblichen Poren <0.25mm2 große Poren bis zu 2.5mm2 zu beobachten. Die Querschnitt-Aufnahmen der Gelkügelchen mit dem Elektronenmikroskop zeigen dabei eindrucksvoll die Strukturveränderung von einer gleichförmigen Bläschentextur hin zu einem konzentrisch-rosenförmigen Erscheinungsbild. Die Ursache ist noch nicht vollständig geklärt, wobei pH-Wert, Überschussionen, Geltyp als wichtige Einflussvariablen gelten.

Die Molekularköche fragen sich jetzt natürlich: haben Alginatschwämmchen von der Kathodenseite ein anderes mouth feel als gewöhnliche Alginatperlen? Sowie natürlich: Wann werden Platinelektroden endlich in die molekulare Gastronomie integriert?

A. Nussinovitch/Zvitov-Marabi (2008): Unique shape, surface and porosity of dried electrified alginate gels. In: Food Hydrocolloids 22: 364-372.

"Die Molekül-Küche" von Thomas Vilgis

Die Molekül-KücheDie Maßstäbe, mit denen die „Die Molekül-Küche“ (S. Hirzel) von Thomas Vilgis zu messen ist, dürften klar sein: Wer ein Buch schreibt, das versucht, küchenwissenschaftliche Aufklärung mit Geschmack und Genuss zu verbinden, tritt in die mächtigen Fußstapfen von Hervé This. Dieser hat in seinen beiden Grundlagenwerken zur molekularen Gastronomie zum einen Chemie und Physik von Saucen, Emulsionen und Garmethoden überaus anschaulich dargestellt und anschließend ausgewählte molekulare Kochrezepte vor diesem Hintergrund präsentiert.

Genauso geht auch der theoretische Physiker Thomas Vilgis vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung vor, dessen Molekül-Küche nunmehr in der sechsten Auflage vorliegt. In dem Buch behandelt Vilgis die Chemie und Physik von Farbstoffen, Aromastoffen, Temperaturen, Garvorgängen, Zubereitungsmethoden, Saucen, Pökeln, Marinaden, Kristalle, Emulsionen, Hydrokolloide, Schäume, Milchprodukte, Teige, Kaffee und Schokolade. Dabei werden die theoretisch erklärenden Abschnitte – unter dem Titel „Genetische Sommertränen“ geht es zum Beispiel um Propanthial-S-Oxid, Thiosulphat und LF-Synthase oder etwas verständlicher: die Biochemie des Tränenflusses beim Zwiebelschälen – immer wieder mit kurzen Rezeptenvorschlägen unterbrochen: von parmesanisiertem Spinat über Marsaillaiser Bouillabaisse à la Lotte flotte bis hin zum bereits in unserem Blog erfolgreich nachgekochten indischen Paneer.

Nach über 200 Seiten anschaulicher und wundervoll zu lesender Genießerprosa auf hohem wissenschaftlichem Niveau steht als Resümee fest: Der Vilgis sollte nicht nur einen Stammplatz in jedem molekulargastronomischen Bücherfach erhalten, sondern schafft sogar das Kunststück, den Thies in einigen Punkten zu übertreffen. In der wissenschaftlichen Erklärungstiefe, der systematischen Darstellung der Küchenchemie und vor allem in der sehr bodenständigen Art der Wissensvermittlung, die selten dozierend auftritt, sondern den Leser (und Experimentator) immer wieder dazu anregt, sich auf das eigene Augenmaß zu verlassen und die dargestellten Inhalte selbst zu begreifen und zu erschmecken.

Thomas Vilgis: Die Molekül-Küche. Physik und Chemie des feinen Geschmacks, Stuttgart, S. Hirzel Verlag, 2006, ISBN 9783777613703, 19,80 EUR.

Farbenspiele II: Rotkohl / Blaukraut

Und da wir gerade schon einmal beim pH-Wert sind: Es gibt so viele leckere Rotkohl/Blaukraut-Rezepte, an denen man ganz praktisch die Wirkung von Säuren und Basen auf die im Rotkohl enthaltenen Anthocyane testen kann, zum Beispiel dem Elsässer Rotkohl mit Maronen. Sehr rot und überaus wohlschmeckend.

Zutaten

  • 1/2 Rotkohl
  • 100g Speck, in Streifen geschnitten
  • 10 Maronen
  • Bund aus Petersilie, Thymian und Lorbeer
  • Zwiebel, gespickt mit einer Nelke
  • 1-2 Esslöffel Essig
  • etwas Kalbsfond

Zubereitung

  1. Rotkohl waschen, trocknen, in feine Streifen schneiden und in einem Topf mit kochendem Wasser sechs Minuten kochen. Abtropfen lassen.
  2. Edelkastanien kreuzweise einschneiden und im sehr heißen Ofen erhitzen bis sie aufplatzen. Herausnehmen und schälen.
  3. In einem hohen Topf eine Schicht Rotkohl, Speck und Kastanien anordnen, dann eine weitere Schicht Rotkohl mit der Zwiebel und den Gewürzen und schließlich den Rest Speck, Kastanien und Rotkohl daraufgeben. Salzen und pfeffern und mit etwas Kalbsfonds und dem Essig aufgießen. Wenn der Rotkohl beim Kochen blau geworden ist, nimmt er an dieser Stelle wieder ein sattes violett oder dunkelrot an. Ganz zum Schluss noch ein paar Butterflocken oben drauf geben.
  4. Deckel auf den Topf und zum Kochen bringen. Sobald der Rotkohl kocht geht es weiter:
  5. Mit einer Alufolie die Oberfläche gut abdecken und bei 180° für zwei bis zweieinhalb Stunden in den Ofen.

Die Farbenspiele des Spargelkohls

6a00c225222d048e1d00e398c16ee90002-500pi.jpgTar von Tech/food/rant setzt sich in diesem Post mit den verschiedenen Farbvarianten auseinander, die Brokkoli nach dem Kochen annehmen kann. Abhängig von den zugegebenen Chemikalien – Natriumcarbonat, Backpulver, Natriumtartrat und Weinsäure – entstehen unterschiedliche Farbtöne von schön grün (Natriumcarbonat) bis unansehlich braun (Weinsäure). (via Kompottsurfer)

Welche Aromen passen zusammen?

header02.jpgPassend zum Start des achten TGRWT-Foodblogevents startet mit Foodpairing ein unglaublicher neuer Dienst von Fooddesign: Auf der Seite lassen sich zu zahlreichen elementaren Zutaten Geschmackspaare (flavour pairing) aufzeigen. Die Grundlage dieser Darstellung sind die Schlüsselaromen, die den Geschmack der einzelnen Zutaten ausmachen.

chocolate.jpgWählt man zum Beispiel Schokolade aus, so findet das Programm eine ganze Menge Früchte, die sich mit der Schokolade ein Aroma teilen (Apfel, Orange, Kiwi usw.), ebensoviele Milchprodukte (Gruyère, Joghurt, Cheddar usw.), ein paar Gemüsesorten (rote Bete, Karotten, Blumenkohl usw.), aber ebenso: Kaffee, Chicoree, Mandeln, Tortillas, gegrilltes Fleisch, gegrillte Taube und Bourbon-Vanille. Cheddar und Schokolade? Vielleicht lässt sich daraus ja etwas machen? Tatsächlich, in Verbindung mit Chili gibt es so etwas schon.

Der Dienst ist jedenfalls schon einmal sehr beeindruckend. Wenn noch etwas mehr Details hinzukommen (Welche Aromastoffen teilen sich die Zutaten jeweils? Welche Paare passen besonders gut zusammen?) und dann vielleicht noch die Möglichkeit, per Knopfdruck ein passendes Rezept zu erhalten, dann wäre das eine Killeranwendung für die molekulare Küche. (Gefunden beim Kompottsurfer)

Das perfekte Alginat-Gel

Es ist zwar nicht die Weltformel, aber ein Versuch dem perfekten Gel auf Natriumalginat-Basis (ein Produkt der Braunalge Macrocystis pyrifera bzw. „Algin“ für alle Texturas-Fans) näherzukommen:

The optimum condition to form a gel with high cohesiveness is with 2.1% sodium alginate, pH of 5, temperature of 37.6 °C and 1.1% calcium chloride.

Zu diesem Ergebnis kamen die beiden indischen Wissenschaftler B.S. Roopaa und Suvendu Bhattacharya (Universität Mysore) in ihrem aktuellen Beitrag „Alginate gels: I. Characterization of textural attributes“ (DOI des Artikels) im „Journal of Food Engineering„.

Cremigere Texturen mit Xanthan und Carob

Die drei spanischen Forscher M. Dolz, M.J. Hernándeza und J. Delegidoa (Universitat de Valencia) widmen sich in der Mai 2008 Ausgabe von Food Hydrocolloids der Viskoelastizität von Emulsionen mit geringem Ölgehalt (DOI), wie sie zum Beispiel als Salatdressings auf Basis von modifizierter Stärke gerade in der Massengastronomie immer wieder vorkommen. Mit Hilfe von Kriechtests haben sie herausgefunden, dass sich Xanthan (siehe auch die Erklärungen hier) oder Carubin (gewonnen aus der Frucht des Johannisbrotbaumes) deutlich hochwertigere und cremigere Texturen erreichen lassen:

The combination of starch with other natural gums may improve the quality of the product. A reference emulsion containing 4% MS, and four other formulations in which the starch was partially replaced by xanthan gum (XG), locust bean gum (LBG) and two synergistic blends of these gums were formulated […] It has been shown that all the emulsions present a similar final percentage recovery, which moreover is greater than that of the corresponding gels. Of note is the fact that replacing part of the starch with a small proportion of XG or LBG increases the percentage recovery of the resulting emulsion.

Rückkehr zum Planeten der Maillards

Auch eine Möglichkeit, die von Molekularköchen so geschätzte Maillard-Reaktion zu erklären:

The sweet, intelligent Aldehydes spent their time playing bridge. They had 5 groups in their bridge club: the fructoses, the glucoses, the galactoses, the lactoses and the maltoses. They were perfectly content with the lifestyle of sipping soda, nibbling on Nestles chocolate bars, and playing their cards right. On the other hand, the strong and mighty Aminos pumped iron, played football and ran cross-country. Their goal in life was to devote themselves to being the strongest and mightiest Aminos in the land.

Hier geht die Saga weiter.