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Die Dekonstruktion eines Deli-Sandwiches

wd50.pngGroßes Lob für die molekulare Gastronomie eines Wylie Dufresne aus der Feder von Jon Fasman in dem begleitenden Blog zur Zeitschrift „Intelligent Life“ aus dem Economist-Verlag:

The most memorable dish I had at the parade of wonders that is Wylie Dufresne’s WD-50 restaurant in downtown New York consisted of pickled beef tongue with cubes of fried mayonnaise, tomato molasses, and a row each of lettuce and onion diced impossibly small. It wasn’t just the wizardry of frying mayonnaise […] It was the wittiness of the dish as a whole: the deconstructed deli sandwich was Mr Dufresne’s tip of the toque to his neighborhood’s eastern European Jewish heritage.

Zitatpop nach Gastronomenart. Das gefällt uns. (via Huffington Post)

(Bild: „WD-50“ von Eddie does Japan)

Nanogastronomie in Manchester

fda.pngNächste Woche (19.-21. November) findet in Manchester die Jahreskonferenz der Food Development Association (einer Gründung des Medienhauses Dewberry Redpoint) statt, die dieses Jahr unter dem spannenden Motto „Bridging the Gap – from Science to Plate“ steht. Besonders interessant erscheint mir eine Session, die für den 20. November um 10:30 angekündigt ist und in der ein Vertreter des Institute for Nanotechnology über folgendes Thema referieren wird (dabei fällt mir auf, dass Google gerade einmal 7 Treffer für das Stichwort „Nanogastronomy“ verzeichnet):

Nanotechnology is the science of the tiny, and is coming to the kitchen. As yet there are no foods in Europe that contain nano
materials although they exist in the US. Discover how nanotechnology is shaping the future of our food.

(Gefunden bei Passion Directive)

"It was an intellectual exercise" Duncan Markham über The Fat Duck

sound.pngSehr lesenswert ist Duncan Markhams Beschreibung eines Essens in dem SpitzenlokalThe Fat Duck“ im englischen Bray. Was Heston Blumenthal (drei Michelin-Sterne) dort serviert hat, klingt schlichtweg grandios:

  • Nitro-green tea and lime mousse
  • Jellies
  • Oyster, passion fruit jelly, lavender
  • Pommery grain mustard ice cream, red cabbage gazpacho
  • Jelly of quail, langoustine cream, parfait of foie gras
  • Oak moss and truffle toast
  • Snail porridge („abenteuerliche“ Gänge wie dieser können von ängstlichen Gästen ausgelassen werden)
  • Roast foie gras
  • Sound of the sea (Hier werden die servierten Meeresfrüchte mit Meeresklängen aus einem bereitgestellten iPod garniert)
  • Salmon poached with liquorice
  • Best end of lamb
  • Hot and iced tea
  • Mango and Douglas Fir purée
  • Carrot and orange tuile, beetroot jelly
  • Parsley cereal
  • Nitro-scrambled egg and bacon ice cream

Für einen Gesamtpreis von 200 EUR pro Person sicher nicht gerade billig, aber ein außergewöhnliches Erlebnis. Genau darin liegt allerdings für Markham auch das Problem des Ganzen, denn er beschließt seine Kritik mit Worten wie z.B.: „I didn’t feel it was a comfortable meal. It was an intellectual exercise.“

(Bild: Besucher von The Fat Duck mit Sound of the Sea, the_moog)

Molekulare Cocktails von Heiko Antoniewicz

Gerade bin ich bei Best Practice Business auf dieses Video des Dortmunder Sternekochs Heiko Antoniewicz gestoßen, der diesen Sommer für die Besucher der Messe „Prowein“ seine molekularen Cocktails zubereitet hat:

Zum Beispiel einen „Kir Moleculare„:

Dabei hat er zuerst Johannisbeersaft, Lemonsirup und Créme de Cassis verrührt und anschließend ein farb- und geschmacksneutrale Alginat, das als Verdickungsmittel dient, darauf verstreut. Anschliessend hat er die Saft-Alginatlösung mit einer Spritze aufgenommen, um sie anschließend in eine Calcium-Laktat-Lösung zu tröpfeln. Nach der Neutralisierung in kaltem Wasser wurden die Kügelchen in ein Glas mit Champagner gefüllt. Fertig war der „explosive“ Cocktail.

Und da wir gerade bei den Videos sind: Der Sternefresser bringt in diesem Beitrag ein zweiteiliges Interview mit Juan Amador, einem der herausragendsten Vertreter der molekularen Gastronomie in Deutschland (gefunden beim Kompottsurfer).

…because the food makes me sad…

Jeder Neuerung wird irgendwann popularisiert. Das führt dann nahezu zwangsläufig dazu, dass … hmm wie soll man das am besten umschreiben … eine Art bizarre an Hausmannskost erinnernde Verwurstung des molekularen Kochens herauskommt wie auf diesem Bild hier. Auf der anderen Seite scheint gerade das Bild der molekularen Gastronomie mit einem riesigen Publikationsbias behaftet: man sieht nur die spektakulären Erfolge und nur selten, was und wie alles schief gehen kann (und im Fall der verlinkten „Shrimp and scallop noodles with fried Artichokes, sou-vide peas, and burnt onion cream“ ist das Ergebnis wirklich eine grandiose Pleite). Manchmal kann auch das lustvolle Scheitern ein wahrer Genuss sein.

Schweineflossen statt Haifischflossen

328937yegd_w.jpgSchweineflossen statt Haifischflossen, so lautet der Vorschlag im Shifting Baseline-Blog von Jennifer Jacquet. Sie bezieht sich auf diese Meldung, der die Produktion von falschen Haifischflossen aus Schweinegelatine beschreibt. Das schont zum einen die Haifische und zum anderen ist Gelatine sowieso eines der schönsten Lebensmittel.

Ein Soufflé lässt man nicht warten

1393505117_b8890f8d37.jpgWährend anderswo perfekte Steaks bei niedrigen Temperaturen gegart werden, habe ich mich auf die von Hervé This inspirierte Suche nach dem perfekten Roquefort-Soufflé begeben (eine Rezeptvariante findet man hier; ich habe mich nach den Angaben in seinen „Kulinarischen Geheimnissen“ gerichtet). Das Ergebnis war sowohl optisch als auch geschmacklich ein toller Erfolg: oben eine schön angebräunte Kruste und innen sehr saftig, aber nicht nass. Leider habe ich zu spät festgestellt, dass der Akku meiner Kamera leer war, sonst hätte es auch noch ein paar Bilder gegeben.

Abschließend noch eine kurze Anmerkung: viel wurde bereits über das Aufgehen eines Soufflés geschrieben (ein Ergebnis der gleichzeitig ablaufenden Proteingerinnung und Wasserverdampfung) – während das Zusammenfallen eines Soufflés (gottseidank) ein eher unterbelichtetes Thema darstellt. Soviel sei aber dazu gesagt: Nachdem man das Souffé aus dem Ofen geholt hat, beginnt es zwangsläufig damit, an Volumen zu verlieren. Doch Zusammenfallen ist in diesem Fall ein falscher Begriff, suggeriert er doch, dass die Speise von oben nach unten einbricht. Tatsächlich scheint sich das Soufflé durch das Eigengewicht von unten her zunehmend zu verdichten und infolgedessen langsam in sich zusammenzusacken.

Das einzige mir bekannte Gegenmittel: Nicht lange mit dem Verzehr warten. Aber bereits Joseph Joubert hatte ja festgestellt, dass man ein Soufflé nicht warten lässt. Zu dem Ergebnis kommt auch Hervé This, der auf die Frage „Kann man ein Soufflé vorbereiten?“ antwortet, dass man zwar durch das Zwischenlagern der Soufflémasse im Kühlschrank oder Wasserbad das Schrumpfen des Soufflés verhindern kann, wobei allerdings das Soufflé längst nicht so hoch aufgeht wie ein sofort zubereitetes.

(Bild leider nicht von mir, sondern von Rooey202)

Molekulare Gastronomie has been Slashdotted

slashdotlg.pngWenn ein Thema geslashdotted wurde, ist sicher, dass es in der Mitte der digitalen Gesellschaft angekommen ist. Genau das ist der molekularen Gastronomie vor ein paar Tagen passiert:

I’m betting „molecular gastronomy“ is going to REALLY take off within the next five years or so…

Analog zu Godwins Gesetz („As an online discussion grows longer, the probability of a comparison involving Nazis or Hitler approaches one.“) könnte man auch ein Gänseleber-Gesetz formulieren, denn: wenn es in Internetforen um Gastronomie geht, kommt früher oder später der Verweis auf die Produktion der Gänseleber und dann geht es für rund. So auch auf Slashdot, wobei ich dieses Stückchen Gänseleberprosa besonders schön finde:

The result of this is that modern production methods pretty much dictate that the birds are treated like royalty during their rather brief lives. At Hudson Valley Foie Gras, for instance, once a person has been assigned as the feeder for a group of birds, that person is the *ONLY* person that can touch them… switching the person who is responsible for them just stresses the birds out. Bottom line: when I come back, I hope it’s as a foie gras duck, because it pretty much guarantees that I’ll live like a rock star, and then die young. Isn’t that all anybody really wants?

"Deconstructing Alinea"

Wer einmal den Produktionsprozess eines Gangs aus einem molekularen Menü im Restaurant Alinea sehen möchte, sollte sich diese wundervollen Fotografien ansehen. Vielleicht wird dabei die verborgene Komplexität sichtbar, die hinter so einem Essen stecken kann:

A dish on one of Alinea’s two tasting menus is described as „Short rib, beets, cranberry, Campari.“ If only it were that simple. Chef Grant Achatz says the actual ingredients are „short rib, beet-Campari juice, roasted baby golden beet, beet-green marmalade, braised beet greens, beet pâte de fruit, beet chips, three different types of fennel garnish, cranberry sauce, caramelized fennel purée – man, I guess that is a lot.“

(via)

Wider die Kuschelgastronomie

Als Fazit einer Spätburgunderweinprobe ist im Winzerblog zu lesen:

Ich denke es wird spannend die nächsten Jahre, denn diese Ultramodernen Weine sind vom feinsten! In wie weit kann sich ein gebietstypischer klassisch produzierter Spätburgunder dagegen noch durchsetzen? Was passiert wenn der Konsument so weit konditioniert wurde das er unmaskierte Gerbstoffe als abartig empfindet und nur noch kuscheln möchte?

Dazu fällt mir ein Zitat des Philosophen Stefan Lindl ein, der vom Wein vor allem eines fordert:

Wir wollen von ihm schäbig behandelt werden und zahlen für seine Schäbigkeit auch noch einen hohen Preis.