Wie lange man schon Fleischstücke sorgfältig glättet oder klopft, mit einer Farce – meist aus Ei, Semmelbröseln, Wurst oder Fleisch – bestreicht und dann zusammenrollt gart, lässt sich nur schwer herausfinden. Die Geschichte der Roulade wurde noch nicht geschrieben. Alan Davidson definiert die Roulade als „something rolled up“, wobei er es offen lässt, ob es sich um eine herzhafte Mahlzeit handelt oder um eine Süßspeise. Der Begriff jedenfalls, so Davidson, ist vor allem gegen Ende des 20. Jahrhunderts in Mode gekommen. Enzyklopädien des 19. Jahrhunderts kennen unter dem Begriff „Roulade“ vor allem „eine Reihe von Tönen zur Verzierung der Melodie“.
Allerdings habe ich in dem 1740 in Amsterdam herausgegebenen Kochbuch „Le Cuisinier gascon“ ein Rezept für „Roulade de veau en canelons au selleri glacées“. Das „Nouveau dictionnaire de cuisine“ von Charles-Yves Cousin aus dem Jahr 1826 führt ein Rezept für eine „Roulade de veau à la bavaroise“ an – eine üppig gefüllte Roulade mit Schmalz, Schinken, Pfeffer, Nelke, Zimt, Muskatnuss, Koriander, Petersilie, Zwiebeln, Schalotten, Knoblauch, Rocambole, Thymian, Basilikum, Bohnenkraut, Lorbeer, Champignons, Kalbszitzen (tétine de veau), Kalbsbries und Butter. Kann es sein, dass diese herzhafte Würzmischung gebraucht wird, um einen möglicherweise schon zu starken Kalbs-haut-goût zu übertönen?
In der modernen Rouladenküche, die erst dann eine Breitenwirkung entfalten konnte, als man es sich leisten konnte, die jungen Kälber zu schonen, schlachten und zu essen anstatt sie bis zum erwachsenen Tier großzuziehen. Letztlich kann man zwei Funktionen der Farce feststellen: zum einen der Überraschungseffekt, der sich einstellt, wenn zum Beispiel die römischen Gäste von Trimalchio nach dem Öffnen eines Spanferkels in ihrem Inneren eine wohlschmeckende, sich farblich vom Fleisch abhebende Füllung aus Würsten und Blutwurst entdeckten – oder noch besser: erst beim Zubeißen. Oder aber zum anderen die Verwendung einer Füllung, die sich dazu eignet, die austretenden Fleischsäfte aufzusaugen und den Geschmack dadurch zu sammeln und konzentrieren. Gerade im Fall des mageren Kalbsfleisches bietet sich dies an.
Die italienische Küche ist eine sehr kalbslastige Küche, zahlreiche der bekanntesten Gerichte wie zum Beispiel Costoletta alla milanese, Piccata al limone, Osso bucco oder Vitello tonnato sind Kalbsgerichte. In den USA waren derartige Gerichte bis ins 19. Jahrhundert unbekannt. Erst mit der Einwanderung von deutschen und italienischen Immigranten im 20. Jahrhundert kamen auch die Amerikaner auf den Kalbsgeschmack – in den 1940er Jahren lag der durchschnittliche Kalbskonsum pro Person und Jahr bei viereinhalb Kilogramm. Mittlerweile hat der Kalbsverzehr aufgrund des hohen Preises wieder deutlich abgenommen. Hier nun das Rezept von Marcella Hazan.
Zutaten (2 Portionen)
- 2 flache Schnitzel von der Oberschale eines Biokalbes
- 10g Weißbrotkrumen
- 3 EL Milch
- 25g fein gehackter Kochschinken
- 25g Schweinehackfleisch
- 1 kleines Ei
- 3 EL Parmigiano Reggiano
- Salz, Pfeffer, Muskatnuss
- 15g Butter
- 1 EL Öl
- Mehl zum Wenden
- 4 EL trockener Weißwein
- 75 ml Fleischbrühe
Zubereitung
- Die Semmelbrösel mit der Milch vermischen, dann Schinken, Hackfleisch, Ei, Parmesan, Salz, Pfeffer und Muskat dazugeben und mit der Gabel kräftig verquirlen.
- Die flach geklopften Schnitzel mit der Farce bestreichen, zusammenrollen und die Rolle mit einem Holzspießchen befestigen.
- In einer schweren Pfanne Butter und Öl bei mittlerer Hitze erhitzen, dann die in Mehl gewendeten Rouladen scharf anbraten.
- Mit Wein ablöschen, kochen lassen bis der Wein verkocht ist. Dann die Rouladen salzen und die Brühe hinzugeben und mit geschlossenem Deckel etwa 20 Minuten leise köcheln lassen bis das Fleisch gar ist.
- Die Involtini anrichten und die Kochflüssigkeit je nach Bedarf noch etwas einkochen lassen oder verdünnen, dann über die Fleischrollen gießen.