Monatsarchiv: Dezember 2007

Sauce Espangnol

1903 erscheint der „Guide Culinaire“ von Auguste Escoffier. Mit diesem Werk beginnt die Epoche der Moderne in der Küche. Es lohnt sich unbedingt diese bis heute normgebende Sammlung zur Hand zu nehmen. Jede neue gastronomische Strömung des Abendlandes im 20. Jahrhundert musste sich mit Escoffier auseinandersetzen: die Folie auf der von Generation zu Generation aufgebaut wird, was als „Haute Cuisine“ verstanden wird.

Escoffier, der als erster Chéf unter César Ritz in dessen 1898 eröffneten Hotel an der Place Vendôme in Paris zu Weltruhm aufstieg, gilt gemeinsam mit Julius Maggi als Erfinder des berühmten, billigen Würzextrakts.

Um zu verstehen, von was sich die Nouvelle Cuisine zu distanzieren suchte, und was bis heute – und sei es als monstre – für immer neue Inspiration gerade auch der jüngeren Sterneköche gilt, folgt hier das Rezept der Braunen Grundsauce, die in ihrer Instant-Version bis heute aus keiner Kantine wegzudenken ist. Und es wird klar, wie es dazu kam, dass die Hauteur der Küche sich wohl primär an der Komplexität der Zubereitung bemessen hat.

Sauce Espagnole – Braune Grundsauce

Proportionen für 5 Liter
625g Mehlschwitze
12 Liter brauner Fond
150g magere Speckwürfel, 250g Karotten, 150g gewürfelte Zwiebel, Thymian, Lorber

Zubereitung: 1. Man bringt 8 Liter Fond zum Kochen, fügt die erweichte Mehlschwitze hinzu, führt das Ganze mit dem Löffel oder dem Schneebesen glatt, bringt es unter ständigem Rühren zum Kochen und lässt hierauf an der Seite des Feuers langsam aber beständig weiterkochen.

2. Dann fügt man die folgendermaßen bereitete Mirepoix hinzu: Man lässt den Speck in einem Sautoir zergehen, gibt die Würfel von Karotten, Zwiebeln, Thymian und Lorbeerblatt hinzu und röstet dies, bis die Gemüse leicht gelb sind. Dann gießt man das Fett ab, gibt die Gemüse in die Sauce, löscht das Sautoir mit einem Glase Weißwein ab, kocht dies bis zur Hälfte ein, giet den Fond in die Sauce und lässt diese hierauf langsam unter öfterem Abschäumen drei Stunden vorsichtig kochen.

3. Man passiert die Sauce dann durch ein Spitzsieb in eine andere Kasserolle, wobei man die Mirepoix leicht presst, gießt von neuem 2 Liter Fond hinzu, lässt nochmals 3 Stunden langsam und stetig kochen, pasiert die Sauce dann in eine Schüssel und rührt sie von Zeit zu Zeit, bis sie völlig erkaltet ist.

4. Am anderen Tage gießt man die Sauce in eine Kasserolle mit dickem Boden und gibt die 2 Siter noch übrigen Fond sowie 1 Liter Tomatenpüree oder ebensovie frische Tomaten (etwa 2 kg) hinzu. Wenn man Tomatenpüree verwendet, so raten wir, dasselbe im Ofen zu rösten, bis es beinhae braun ist. Dieses Abrösten nimmt dem Püree alle Säure, erlcihter das Klären der Sauce und gibt derselben einen wärmeren, dem Auge angenehmeren Ton. Dann lässt man die Sauce unter forwährendem Rühren mit dem Spatel oder dem Schneebesen auf offenem Feuer aufkochen, dann noch 1 Stunde langsam aber stetig kochen und schäumt während dieser Zeit mit der größten Sorgfalt ab. Nonmehr passiert man sie durch ein Passiertuch und rührt sie von Zeit zu Zeit um, bis sie erkaltet ist.

Der Autor dieses Posts hier offen zu, regelmäßiger Escoffier-Leser zu sein: wo findet man sonst alleine sechs Rezepte für Schnecken!

"Die Revolutionen des Ferran Adrià" von Manfred Weber-Lamberdiére

„Wie ein Katalane das Kochen zur Kunst machte“ lautet der Untertitel dieser gerade erschienenen engagierten Biografie des definitiv meist-gehypten Kochs unserer Zeit.

Was das Buch aber lesenswert macht, ist tatsächlich weniger Adriàs Leben, das – für ihn sicherlich zum Glück – bis auf einige Anekdoten recht beschaulich und sehr geradlinig verlaufen zu sein scheint. Nein, „Die Revolutionen des Ferran Adrià“ (Bloomsbury Berlin) bieten eine wirklich unterhaltsame und kenntnisreiche Fahrt durch die Entwicklung der internationalen Haute-Cuisine des 20. Jahrhunderts. Es wird uns klar gemacht, wie sich aus dem Erbe der „großen internationalen Küche“ Auguste Escoffiers und deren Antithese, der Erfindung der „Nouvelle Cuisine“ durch Ferdinand Point und seine Mitstreiter schön dialektisch der nächste Schritt entwickelt, die „Nueva Nouvelle Cuisine“, wie Adrià seine Kochkunst bezeichnet wissen will; den Begriff „Molekular-Küche“ findet er bekanntermaßen zu technisch.

Sehr anschaulich wird neben diesem Gang durch die Gastro-Geschichte auch die psychologiesche Motivation der Köche entwickelt. Auf den Punkt gebracht: es geht um Glück, und der „Biochemie des Glücks“ wird denn auch ein eigenes Kapitel gewidmet.

Äußerlich ist es ein hübsches Büchlein: solide geheftet, angenehmes Papier und der Text schön gesetzt.

Der Autor, Manfred Weber-Lamberdière, ist Paris-Korrespondent des Focus.

Manfred Weber-Lamberdière: Die Revolutionen des Ferran Adrià. Wie ein Katalane das Kochen zur Kunst machte, 232 S., Bloomsbury Berlin, 2007, ISBN 3827007429, 18,- EUR

Akrylamid: die Dunkle Seite der Mailard-Macht

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Erinnert sich noch jeder an Akrylamid (Tödliche Pommes in Schweden; Lebensgefahr in der Brotkruste etc.)?
Am 1.11.2003 hatte die aufgeschreckte EU-Bürokratie das Forschungsprojekt Heatox-Projekt“ ins Leben gerufen, um zu erforschen, ob die schädlichen Stickstoffverbindungen nur in einigen industriell gefertigten Lebensmitteln entstehen oder gar fester Bestandteil der europäischen Fritier-Küche sind – und wie in der Herstellung die Entstehung von Akrylamid möglichst vermieden werden kann.

Jetzt liegt das Ergebnis vor (natürlich wieder ein besonders schönes Beispiel von Powerpoint-Präsentation):

  • Akrylamid erzeugt tatsächlioch Krebs.
  • Für industriell erzeugte Lebensmittel gibt es kein Entrinnen, lediglich die Möglichkeit zur Reduktion (z. B. Kartoffeln blanchieren und nur kurz und nicht zu heiß frittieren).
  • Markentreue führt zu besonders hohem Risiko

Da bleibt nur eins: Selberkochen.

Kochmuetzen.net


Professionellen Austausch für Profi-Köche bietet das neue Kochportal www.kochmuetzen.net.
Unter dem Tag Molekulare Rezepte finden sich auch schon einige Kreationen des Gründers Henrik Schellhoss, z. B. Gurkengelee mit Zander, Gänseleber und Kreuzkümmelöl.

Brodelwarnung

Kein Weihnachtsmarkt ohne Glühwein, keine Weihnachtszeit ohne Lebensmittelpanik. Dieses Mal kommt beides zusammen und munter wird der Glühwein dafür diskriminiert, krebserregende Stoffe zu beinhalten. Denn, so die Verbraucherschützer, wenn man das Getränk zu stark erhitzt, dann werden Zucker und Kohlehydrate zersetzt und bilden die Aldehyd- und Furan-Verbindung Hydroxymethylfurfural (HMF). Und diese Substanz ist nicht nur ein potentieller Bioenergieträger oder Polyestergrundstoff sowie ein mögliches Heilmittel für die Sichelzellenanämie, sondern vielleicht auch ein Karzinogen. HMF ist auch in Honig enthalten, weswegen auch davon abgeraten wird, Honig zu erhitzen. Und wer hat“s entdeckt? Der große Urvater der Molekularküche natürlich: Louis Maillard.

Farbenspiele II: Rotkohl / Blaukraut

Und da wir gerade schon einmal beim pH-Wert sind: Es gibt so viele leckere Rotkohl/Blaukraut-Rezepte, an denen man ganz praktisch die Wirkung von Säuren und Basen auf die im Rotkohl enthaltenen Anthocyane testen kann, zum Beispiel dem Elsässer Rotkohl mit Maronen. Sehr rot und überaus wohlschmeckend.

Zutaten

  • 1/2 Rotkohl
  • 100g Speck, in Streifen geschnitten
  • 10 Maronen
  • Bund aus Petersilie, Thymian und Lorbeer
  • Zwiebel, gespickt mit einer Nelke
  • 1-2 Esslöffel Essig
  • etwas Kalbsfond

Zubereitung

  1. Rotkohl waschen, trocknen, in feine Streifen schneiden und in einem Topf mit kochendem Wasser sechs Minuten kochen. Abtropfen lassen.
  2. Edelkastanien kreuzweise einschneiden und im sehr heißen Ofen erhitzen bis sie aufplatzen. Herausnehmen und schälen.
  3. In einem hohen Topf eine Schicht Rotkohl, Speck und Kastanien anordnen, dann eine weitere Schicht Rotkohl mit der Zwiebel und den Gewürzen und schließlich den Rest Speck, Kastanien und Rotkohl daraufgeben. Salzen und pfeffern und mit etwas Kalbsfonds und dem Essig aufgießen. Wenn der Rotkohl beim Kochen blau geworden ist, nimmt er an dieser Stelle wieder ein sattes violett oder dunkelrot an. Ganz zum Schluss noch ein paar Butterflocken oben drauf geben.
  4. Deckel auf den Topf und zum Kochen bringen. Sobald der Rotkohl kocht geht es weiter:
  5. Mit einer Alufolie die Oberfläche gut abdecken und bei 180° für zwei bis zweieinhalb Stunden in den Ofen.

Die Farbenspiele des Spargelkohls

6a00c225222d048e1d00e398c16ee90002-500pi.jpgTar von Tech/food/rant setzt sich in diesem Post mit den verschiedenen Farbvarianten auseinander, die Brokkoli nach dem Kochen annehmen kann. Abhängig von den zugegebenen Chemikalien – Natriumcarbonat, Backpulver, Natriumtartrat und Weinsäure – entstehen unterschiedliche Farbtöne von schön grün (Natriumcarbonat) bis unansehlich braun (Weinsäure). (via Kompottsurfer)

Zartes Geflügel nach Art der Eipo

Auf besonderen Wunsch einiger Leser kommen hier einige Tips, wie man auf molekularem Wege zu besonders zarten und wohlschmeckenden Geflügelbraten im Ofen gelangt und nicht zu einem alten, zähen Stück Leders:

Drei Punkte gilt es zu beachten:
1)

„Die Gans ist schon tot. Wozu dann noch soviel Hitze im Backofen?“Johann Lafer

Wichtig ist vor allem genügend Feuchtigkeit im Rohr. Bei deutlich unter 100°C einige Stunden garen.

2) Das Fleisch bleibt zart mit Hilfe von Fruchtsäure und Fruchtenzymen.
Sehr gut eignen sich frischgepresste Säfte von Papaya, Annanas oder Feigen, die mittels großlumiger Kanüle dem Viehch unter die Haut injiziert werden. Auch wegen der Wirkung der Enzyme ist niedrigere Temperatur vorteilhaft: die Eiweißstoffe zerfallen über 70°C

3) Die obligatorische Mailard-Reaktion.
Dafür den Vogel mit einer Marinade aus Butter, Honig und Sojasauce einpinseln und am Schluss kurz unter den heißen Grill schön braun werden lassen – sehr gut geeignet ist auch ein Bunsenbrenner.

Dem Autor dieses Posts ist noch in guter Erinnerung, wie lecker die nach Art der Eipo auf Papua (West Neu-Guinea) im Erdofen bereiteten Schweine waren: drei Stunden Garzeit, eingewickelt in Bananenblätter (Enzyme!), umgeben von Steinen, die zunächst im Feuer erhitzt waren und bedeckt von ca. 50-80 cm Erde. (Hier der schöne Film zum Thema). Dieses allerdings hier im heimischen Seewiesen erlebt.

Die Schmalkalder kneten Senf in den Hackepeter. Die Meininger kennen das nicht.


Der Molekularen Küchen bleibt vermutlich das Schicksal nicht erspart, wie es vor dreißig Jahren ihre Mutter, die „Nouvelle Cuisine“ ereilte. Aus einer Eliten-Kiste wird eine Avantgarde, dann eine „frühe Mehrheit“ und dann sinkt die Sache zur Bedeutungslosigkeit.
Dieser Hype-Cycle ist, wie ihn die Gartner Group treffend nennt, Beschreibt das Auf und Ab technologischer oder kultureller Trends.

Damit kein falscher Eindruck entsteht: der Autor dieses Posts freut sich wirklich, dass auch auf der Weihnachtsfeier des Köcheverein Schmalkalden-Meiningen molekular gekocht wird, aber die Erinnerung wird wach, der letzte Kondratiew des Kochens mit der „Neuen Küche“ aus Frankreich über Deutschland lief. Zunächst einige Spitzenköche wie z. B. Witzigmann, dann das schnelle Absinken zu vollkommenem Blödsinn: „Ich kann den ganzen Novelle Cuisine Scheiß nimmer sehen“, wie dann Franz-Xaver Kroetz in Kir Royal treffend sagt.

Auf nach China, ins Land der teuren Vasen


Hier sieht man Chef Mark Pi beim Nudel-Ziehen, und zwar bis zu einem Durchmesser von nahezu molekularen Dimensionen – durch wiederholtes Teilen. Ein schönes Beispiel von der physikalischen Seite des Kochens.

„We approach the division of matter…by halving and halving and halving it again.“

sagt der Physiker Philipp Morrison dazu.
via slashfood.com