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Powidlpofesen (Arme Ritter mit Zwetschgenmus)

Powidlpofesen

Das wäre doch einmal ein perfekter Kandidat für eine molekulargastronomische Überarbeitung oder Aktualisierung: der „Arme Ritter“ oder in Österreich die Pofesen. Besonders faszinierend an diesem Gericht ist neben dem spektakulären Texturgradienten von dem knusprich-harten Eimantel bis zum vanillig-breiigen Innenleben seine lange Geschichte. Zwar findet man die Armen Ritter erst Ende des 18. Jahrhunderts in der deutschen Küche dokumentiert, aber wenn man einmal nach einem der zahlreichen Synonyme (Arme Ritter, Rostige Ritter, Fotzelschnitten, Semmelschnitten, Kartäuserklöße, Weckschnitten, Gebackener Weck, Pofesen, Blinder Fisch, Torrijas, Tostadas, Rabanadas, Pain Perdu oder French Toast) sucht, wird die lange und globale Tradition der ausgebackenen Eibrote oder -semmeln deutlich. Auch in der Literatur findet sich dieser Begriff immer wieder, zum Beispiel um 1350 in Hajeks Gute Spise:

Man […] snit denne abt snitten armeritlere und backe die.

Und Henisch gibt in seinem 1616 erschienen Werk einige geläufige Bezeichnungen des Gerichts an:

Arme Ritter | Brotküchlin | schnitten | guldene schnitz

Aber das Rezept lässt sich, so ist Davidsons Standardwerk zu entnehmen, noch viel länger zurückverfolgen: Bereits bei Apicius, dem großen Gastrosophen des ersten nachchristlichen Jahrhunderts, findet sich demnach ein ähnliches Rezept. In England ist dieses Gericht im Mittelalter angekommen – anscheinend als Import des französischen „Archetypus“ pain perdu. Die in den USA geläufige Bezeichnung French Toast erinnert immer noch an diese Genealogie.

Doch aus der armseligen Aufbereitung alten Brotes wurde schnell eine verfeinerte Köstlichkeit: durch die Zugabe von Wein, Honig, Mandelmilch oder Sirup. Auf jedem Fall sieht man in diesem Gericht bereits eine hohe molekularkulinarische Kunst der Veränderung von Texturen: aus dem harten Brotresten wird eine cremig-weiche Speise.

Eine der schönsten Variationen dieses Rezepts sind die österreichischen Powidl-Pofesen – die Bezeichnung Pofesen kommt übrigens vom italienischen Pavese, dem typischen Schild der mittelalterlichen Armbrust- und Bogenschützen -, die am besten mit einem reinen Zwetschgenmus (Powidl) gefüllt werden. Das Rezept aus Plachuttas Guter Küche ist ebenso einfach wie überzeugend:

Zutaten

  • Brot (aufgeschnittene Semmeln, Toastscheiben, Tramezzini etc. – die cremigste Fülle bekommt man mit frischem Weizentoast amerikanischer Art)
  • Milch
  • Vanillezucker
  • Eier
  • Mehl
  • Zwetschgenmus
  • Butterschmalz
  • Puderzucker

Zubereitung

  1. Brotscheiben (evtl. vorher entrinden) dick mit Mus bestreichen und zusammenklappen.
  2. Gefülltes Brot in der mit Vanillezucker verrührten Milch tränken (denkbar ist auch die Zugabe von etwas Rum).
  3. Brot im mit etwas Mehl verschlagenen Ei wenden und in der Pfanne bei mittlerer Temperatur in Butterschmalz hellbraun ausbacken.
  4. Mit Puderzucker bestreuen und servieren.

Powidlpofesen

Blumenthal verkauft The Fat Duck – oder auch nicht

266992163_68f0e09838_m.jpgDieser Meldung zufolge hat Heston Blumenthal sein Dreisterne-Restaurant „The Fat Duck“ (das „angeblich beste Restaurant der Welt„) an Ronnie Lowenthal, den Stiefbruder seines Vaters, verkauft. Für das Restaurant selber dürfte das aber wenig Konsequenzen haben, da Blumenthal angekündigt hat, auch weiterhin dort zu kochen.

Schon vor ein paar Tagen ist Heston in den Nachrichten gewesen, als er mit Clive Dixon einen Sternekoch für sein zweites Restaurant, den „Hind’s Head Pub„, ebenfalls in Bray, eingestellt hat.

Lässt sich das in die Richtung interpretieren, dass Blumenthal sich nun etwas aus Bray zurückzieht und verstärkt seinem potentiellen neuen TV-Partner Channel 4 sowie den Expansionsplänen in die Hauptstadt widmen will?

UPDATE: Dieser Meldung zufolge hat Blumenthal sein Restaurant doch nicht verkauft. Lowenthal hat schon vor einem Jahr eine Beteiligung an der Fat Duck übernommen.

Delias Schummelküche: beyond horrible!

cheat.jpgWas für ein herrliches Format! Der Guardian hat bemerkt, dass Delia Smiths Bestsellerkochbuch „How to Cheat at Cooking“ kontrovers diskutiert wird – Ausverkauf? Geschmacklosigkeit? Überfällig? – und lädt sich kurzerhand einen Chefkoch (Aldo Zilli) sowie eine handvoll Gastrosophen ein, um dem einmal empirisch nachzugehen. Die Aufgabe des Kochs lautet: Koche sechs der Gerichte nach. Und dann wird probiert. Das Ergebnis dieser merkwürdigen Probierrunde – die Zutaten reichen von Kondensmilch über tiefgefrorenes Kartoffelpüree bis zum fertig geriebenen Gruyère – kann man in diesem Artikel nachlesen.

Delia plädiert in ihrem Buch für die Verwendung von Fertigzutaten – um Zeit und Geld zu sparen, aber auch um die Hürde für den Kochanfänger zu senken. Wer es sich nicht zutraut, eine Rinderoberschale durch den Fleischwolf zu drehen, hat vermutlich weniger Probleme damit, fertig geformte Fleischpatties in die heiße Butter zu werfen. Das Ziel sind dennoch gesunde und wohlschmeckende Gerichte, die dann gemeinsam von einer glücklichen, weil nicht durch den Kochstress aufgeriebenen, Familie genossen werden:

„I think I will have performed a great service if I can make it possible for families to sit round and eat a meal together,“ she has said. „That’s my mission.“

Im Prinzip ist gegen die Verwendung von Fertigzutaten nichts einzuwänden. Viele Fertigwaren wie Anchovis oder Käse gehören zu den faszinierendsten Zutaten überhaupt – und ich bin eigentlich ganz froh, dass ich das Fermentieren der Fische und das Verkäsen der Molke den Fachleuten überlassen kann. Zudem handelt es sich hier um ein altes Phänomen, das eigentlich mit der Entwicklung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung begonnen hatte – man denke etwa an die berühmten antiken Garumfabriken in Cartagena, Pompeji, Klazomenaid und Leptis.

Doch das ist vor allem eine Frage der Schwelle: in welchem Maß sind die verwendeten Produkte schon weiterverarbeitet. So kommen auch die Guardian-Testesser immer wieder zu dem Ergebnis, dass die Vorschläge in Delias Kochbuch nicht besonders viel Zeit sparen und auch nicht zwangsläufig billiger sein müssen als die Verwendung frischer Zutaten (im Übrigen kostet das Buch bereits stolze 30 Euro). So dauert die Zubereitung von Delias Wildpilzrisottos deutlich länger als ein frisches Risotto, da die getrockneten Pilze erst hydriert werden müssen. Und für so merkwürdige Dinge wie fertiggebratenen Speck oder geriebenen Käse gibt es nun wirklich weder eine Verwendungsmöglichkeit noch eine Ausrede. Noch dazu, wenn die fertigen Gerichte nicht besonders überzeugend schmecken. So heißt es über die Schokoladenplätzchen:

These were beyond horrible. They had the sheen of a freshly laid dog turd – and the consistency, with that potato in them … Ugh. No resistance, no bite, nothing.

Oder über den Huhn-Lauch-Kuchen:

Utterly horrible. It reminded me of the worst kind of school dinners. The pastry was tasteless and undercooked, it had that awful tinned-meat flavour, and the vegetables were almost raw.

Dabei gilt Delia Smith doch als kulinarischer Apostel, denn sie ist nicht nur seit fast 25 Jahren für die BBC als Kochlehrerin in der Öffentlichkeit sichtbar, sondern hat zudem mit ihren mittlerweile drei Bänden „How to Cook“ ein Standardwerk auf dem Gebiet vorgelegt. (via)

Heston Blumenthal: Further Adventures in Search of Perfection

51vpd1m2l5l_aa240_.jpg„Further Adventures on the Search of Perfection“, das Begleitbuch zur BBC-Serie mit dem britischen Dreisternekoch Heston Blumenthal (The Fat Duck) ist mit Abstand das ungewöhnlichste Kochbuch, das ich jemals gelesen habe.

Zum einen ist es eigentlich gar kein echtes Kochbuch, da die eigentlichen Rezepte – Hamburger, Fish Pie, Chicken Tikka Masala, Risotto, Pekingente, Chilli Con Carne, Baked Alaska und Trifle – nur einen geringen Teil des insgesamt über 300 Seiten umfassenden Werks ausmachen. Auf den restlichen Seiten schreibt Blumenthal über die kulinarhistorischen Hintergründe der Gerichte, die Suche nach ihrem Ursprung (besonders spannend: die Suche nach dem Ur-Hamburger), die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den jeweiligen Substanzen sowie seine Schritte auf dem Weg zur Perfektion dieser Speisen inklusive einiger Rückschläge (siehe die Chicken Tikka-Story). Aber es ist auch nicht so, dass hier acht Rezepte, die im Übrigen selbst, was Zutaten und Arbeitsschritte angeht, epische Ausmaße erreichen, mit einer Menge Füllmaterial aufgeschäumt werden (um einmal eine Küchenmetapher zu verwenden). Nein, die narrativen Passagen sind jeweils eng mit den Rezepten verbunden, erklären ihren Hintergrund und ihr Zustandekommen.

Das Buch ist dabei, das ist die zweite Besonderheit, derart flüssig und packend geschrieben, dass es das erste Kochbuch ist, das ich in einem Zug durchgelesen habe. Auch Bocuse oder Escoffier sind auf jeden Fall gut lesbar – doch mir ist aus der Überlieferung nur eine Person bekannt, die sich davon derart fesseln ließ und auch diese Bücher verschlungen hat: Ferran Adrià. Mit Blumenthals Werk kann jeder einmal ein ähnliches Gefühl verspüren.

Die einzelnen Rezepte vollständig zu kochen, stellt in den meisten Fällen allein aufgrund der viele Stunden oder gar Tage umfassenden Prozeduren eine wirkliche Herausforderung dar. Auch ambitionierte Hobbyköche dürften bei der Zubereitung einer Pekingente à la Blumenthal ins Schwitzen kommen. In aller Regel wird man diese Rezepte gerade deshalb auch nur ein einziges Mal zubereiten – auch etwas seltsam für ein Kochbuch. Aber ganz gleich wie das Ergebnis ausfällt: man wird auf jeden Fall etwas dabei gelernt haben. Außerdem kann man sich immer auch auf das Nachkochen einzelner Teile der Rezepte beschränken – zum Beispiel das Entenconfit oder die Basmati-Hühnerboullion – und sich auf diese Weise die Rezepte step by step aneignen.

Die Ausstattung des Buches lässt keine Wünsche offen: das Buch ist sowohl farblich als auch typographisch sehr ansprechend gestaltet, die Fotos sind von guter Qualität, die Bindung wirkt sehr solide und das Papier fühlt sich sehr angenehm an. Besonders positiv: am Anfang des Buches findet man eine ausführliche Umrechnungstabelle von Milliliter in Unzen sowie Esslöffel oder Tassen, und am Ende des Buches sorgt ein ausführliches Stichwortverzeichnis dafür, dass man die im laufenden Text immer wieder eingestreuten Sachinformationen schnell wiederfinden kann. Dazu kommen noch Hinweise zu Hygiene und Sicherheit in der Küche, eine Liste der Bezugsquellen für Lebensmittel und Geräte sowie – schließlich handelt es sich um einen Vertreter der wissenschaftsnahen molekularen Kochweise – weiterführende Literaturhinweise.

Heston Blumenthal: Further Adventures in Search of Perfection, London, Bloomsbury, 2007, 320 Seiten, ISBN 0747594058, 32,99 EUR.
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