Mittlerweile hat der Diskurs über die molekulare Küche in Deutschland eine merkwürdige Wendung genommen. Die Kritik an der Verwendung von Lebensmittelzusatzstoffen wie Agar-Agar oder Xanthan kommt zum Beispiel aus den Reihen der Deutschen Akademie für Kulinaristik, in der nicht nur Eckart Witzigman, der vor 30 Jahren die deutsche Küche aus ihrer Provinzialität befreit hat, Mitglied ist, sondern auch der Physiker Thomas Vilgis (Max-Planck-Institut für Polymerforschung), der die deutschsprachigen Standardwerke zur molekularen Küche geschrieben hat.
Während sich die kuliarische Elite gegen die molekularen Schaumschläger, besonders in Gestalt experimentierender Hobbyköche, wendet, hat die molekulare Küche nun einen überraschenden Fürsprecher gefunden: Unter dem Titel „Wie gesund ist Gourmet-Küche aus dem Labor?“ schreibt die Bild-Zeitung heute über „Suppe zum Schneiden, Lachs als Schaumkügelchen, Cocktails in Bonbonform“. Zitiert wird Andrea Lambeck von der „Centralen Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft“ (CMA), erklärt, dass die Lebensmittelzusatzstoffe ausgereift genug seien, um sie in der Küche einzusetzen. Nach Juan Amador, der im Übrigen gerade als Liebhaber von Brot, Wurst und Käse „entlarvt“ wurde, kommt auch noch der „Dortmunder Restaurantkritiker Hans Böddicker“ zu Wort und wird wie folgt zitiert: „Aromen werden verbessert, verfeinert und intensiver.“
In einer der üblichen Leserumfragen wird gefragt, ob die Leser solche Gerichte essen würden: 28 Prozent lehnen das ab, während 47 Prozent angeben „Klar, warum nicht“. Ist die molekulare Küche in der breiten Masse angekommen?