Kategorie-Archiv: gewürze

Goji, Joselito und Cubeben – die Welt über neue Foodtrends

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Eine recht lesenswerte Bestandaufnahme der jüngsten Trendlebensmittel hat Robert Lücke für die Welt am Sonntag verfasst. Darin findet sich neben vielen exotischen Namen wie Goji-Beere (Gemeiner Bocksdorn), Queller (eine der wenigen Pflanzen, die intensiv nach Salz schmecken), Eisperlensalat (Eiskraut), Vogelmiere, Mangostan, Pomelo, Arganöl, Joselito-Schinken (nicht erst seit dem prominenten Auftritt in Bourdains Film „Decoding Adrià“ unter Verdacht, der beste Schinken der Welt zu sein, außerdem bekannt als Begleiter zu Blumenthals Schneckenporridge), Maränenkaviar, Malabar-, Telicherry- und Cubebenpfeffer natürlich auch ein Verweis auf die molekulare Küche, die als nicht besonders originell dargestellt wird:

Es ist beim Essen ja nicht viel anders als in der Mode. Fast alles war schon mal da und kommt nur in neuem Gewand wieder. Vieles ist so überflüssig wie Handtaschen aus Hühnerbeinleder, anderes wird überschätzt, etwa die sogenannte Molekularküche, deren Techniken in der Lebensmittelindustrie teilweise seit Jahrzehnten gebräuchlich sind, was auch einer deren Urväter, Ferran Adrià, immer wieder betont, aber kaum jemand registriert.

Das ist zwar nicht falsch, aber ebenso oft hat Ferran Adrià betont, dass die Lebensmittelchemie und -wissenschaft bislang fast nie auf die Gastronomen zugegangen ist. Beide Diskurse sind bis in die jüngste Vergangenheit parallel gelaufen, ohne dass die vielfältigen Berührungespunkte erkannt und diskutiert wurden. Diese Brücke ist erst mit den Seminaren von Nicolas Kurti entstanden. Außerdem: auch wenn Hydrokolloide in der Lebensmittelindustrie schon lange Zeit in Standardverfahren Eingang gefunden haben – die Anwendung in der Haute Cuisine ist Neuland, was man auch immer wieder an den fast schon paranoiden Abwehrreaktionen des kulinarischen Konservatismus erkennen kann.

(Abbildung „Questionable Goji Berries?“ von worldmegan, CC-Lizenz)

Das Ende der Szechuanpfefferprohibition

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Für mich gehört der Szechuanpfeffer (Zanthoxylum piperitum, der chinesische Blütenpfeffer Hua Jiao) zu den faszinierendsten Gewürzen. Nur leider passt der Name nicht besonders gut zu dem Gewürz, denn mit Pfeffer hat es außer der Kugelform nichts gemeinsam. Tatsächlich ist es die Frucht des Gelbholzstrauches, der mit den Zitruspflanzen verwandt ist (gibt es auch als Bonsai). Der Geschmack ist ganz anders – am besten beschreibt es tatsächlich das Adjektiv „elektrisch“. Denn wenn man eines der Körner zerbeißt empfindet man auf der Zunge einen elektrisierenden Geschmack, in etwa so wie wenn man an den Polen einer 9-Volt-Blockbatterie leckt.

199248051_c125375979_m.jpgMit diesem Gewürz, das in der Szechuanküche einen prominenten Platz einnimmt und essentieller Bestandteil des chinesischen Fünfgewürzepulvers ist, kann man also das übliche fünfdimensionale Koordinatensystem des Geschmacks verlassen und so etwas wie „kulinarische Transzendenz“ erleben. Im Chinesischen gibt es für diesen Geschmack mit sogar ein eigenes Zeichen, das Taubheit, Anästhesie, Lähmung bedeuten kann.

Zu dem elektrisierenden Gefühl, dem Hauptelement des Geschmackserlebnisses, das auch nach dem Herunterschlucken eine ganze Weile anhalten kann, kommt dann noch eine angenehm frische, limonadige Süßsauernote. Dazu dann noch hölzerne Bestandteile – und fertig ist das wunderbare Szechuanpfefferbouquet. In den USA gab es seit 1968 kaum eine Möglichkeit, das auf legalem Weg zu erleben, den Szechuan war dort fast 40 Jahre lang verboten. Von wegen „Amerika, du hast es besser„. Man befürchtete nämlich, dass sich durch das Gewürz ein Baumkrebs („canker„) auf den ökonomisch bedeutenden amerikanischen Zitrusplantagen ausbreiten könnte. Kurios ist dabei die Tatsache, dass dieser Erreger Xanthomonas die Grundlage für die Produktion des Hydrokolloids Xanthan ist. Die US-Regierung hat also der Bevölkerung die Möglichkeit, eine authentische Szechuanküche zu schmecken, genommen, um im Pflanzenschutz auf der sicheren Seite zu sein.

2094250747_9d8c3afa9f_m.jpgJetzt wurde dieses Verbot wieder aufgehoben und die Chinarestaurants des Landes können wieder ihre kalten Nudeln mit Szechuanpfeffer, ihr Hühnchen in Szechuanpfefferöl, die warmen Nudeln in Szechuanpfeffersauce und die grünen Bohnen mit zerstoßenem Szechuanpfeffer genießen. Und wer weiß wie viele Amerikaner von der anästhesierenden Würzigkeit der Körner fast schon abhängig werden. Eine habe ich schon gefunden. Saucy Contessa schreibt nämlich: „it is what we use as our everyday pepper – this goes in almost everything we cook!“ Dabei ist die von diesem Gewürz ausgelöste Geschmacksempfindung, wie Harold McGee schreibt, eine faszinierende Angelegenheit. Es werden verschiedene Nervenenden angeregt, ein Berührungs- und Kältegefühl zu senden, die normalerweise für diese Empfindungen gar nicht zuständig sind. Er spricht demzufolge von einer „neurologischen Verwirrung“.

Trotz der Aufhebung der Szechuanpfeffer-Prohibition – legal verkauft werden kann das Gewürz aber nur, wenn es kurzzeitig auf 70°C erhitzt wurde -, ist es in den USA noch längst nicht überall zu finden. Aber es steht bereits in den virtuellen Regalen von amazon.com und kurioserweise beziehe ich meine Körner ebenfalls von einem amerikanischen Anbieter.

Auch die Blogosphäre kocht gerne mit diesem Gewürz, von einer Apfel-Kokos-Möhrensuppe über ein Grünes Spargel Sushi mit Szechuan-Pfeffer oder ein Fondue mit asiatischem Gewürzsud bis hin zu Ricottatörtchen oder einer asiatischen Glühweinvariante.

(Abbildungen „HuaJiao (Sichuan Pepper)“ und „HuaJiao field (Sichuan Pepper)“ von Philou.cn, „Shrimp“ von Laurel Fan)

Spiceporn: Sternanis

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Durch Heston Blumenthal habe die kulinarische Allzweckwaffe „Sternanis“ (früher bekannt unter dem Marathi-Namen „Badian“) schätzen gelernt, die sich zum Beispiel wundervoll dafür eignet, Umamikomponenten z.B. bei einem Fleischgericht, in den Vordergrund zu rücken. Auf den ersten Blick scheint der Name perfekt zu der Frucht zu passen, denn sie ist sternförmig und hat ein stark an Anis erinnerndes Aroma. Eine Tüte Sternanis zu öffnen ist für die Nase ein ebenso markantes Erlebnis wie das Öffnen einer Flasche Raki oder Ouzo (im Pastis wird Sternanis verwendet). Tatsächlich hat Sternanis (Illicium verum) aber nichts mit dem Namensvetter Anis (Pimpinella anisum) zu tun. Aber weil beide (wie auch Süßfenchel) die phenolische Substanz Anethol enthalten, ähneln sie sich geschmacklich und geruchlich. Allerdings ist Sternanis etwas intensiver, schärfer und lakritziger.

Auf diesem Foto sieht man deutlich die sechs bis acht Kammern des getrockneten weiblichen Fruchtstandes, in denen sich die Samen befinden – ein ästhetisch äußerst angenehmer Anblick, wie die hochglänzenden Samen hier nur ausschnitthaft zu sehen sind:

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Öffnet man einen Samen, dann sieht das wie folgt aus. Man erhält zwei harte, glänzende Schalen und das eigentliche Innenleben des Samens – die Keimanlagen:

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Ich habe einmal die einzelnen Bestandteile der Reihe nach probiert: das Sameninnere ist trocken und hat nur einen ganz leichten Anisgeschmack. Es dominiert eine bittere Note. Die Hüllen schmecken schon deutlich intensiver nach Sternanis. Besonders schön ist die chitinartig-knusprige Konsistenz. Die äußere Schale ist der stärkste Geschmacksträger, allerdings lässt sich dieser Teil nur schwer kauen. Deshalb wird üblicherweise die gesamte Frucht kleingemalen oder gemörsert.

Sternanis ist ein wichtiger Bestandteil der chinesischen Küche. In Verbindung mit Zwiebeln und Sojasauce entstehen schwefelphenolische Aromaverbindungen, die sich dafür eignen, die Fleischnote hervorzuheben. Sternanis ist also ein natürlicher Umamiverstärker. Aber die hauptsächliche Verwendung ist mittlerweile nicht mehr das klassische chinesische Fünf-Gewürze-Pulver oder die keralische Garam-Masala-Variante, sondern liegt in der Medizin: der größte Teil der Ernte dieser Frucht geht in die Fabriken von Roche, wo aus der attraktiven Frucht das Antigrippemittel Tamiflu hergestellt wird. Aber bereits früher wurde die Frucht auch medizinisch eingesetzt: etwa als Gegenmittel zu Säuglingskoliken. Auch gegen Rheuma wurde die Pflanze in China eingesetzt.

Wer sich mit diesem Gewürz einmal auseinandersetzen möchte, dem sei dieses Heston Blumenthalsche Rezept für Spaghetti bolognese empfohlen, in dem Sternanis eine wichtige Rolle spielt (die Zubereitung dauert allerdings etwa neun Stunden):

Caramelising onions with star anise produces vibrant flavour compounds that really enhance the meaty notes of the sauce