Für mich gehört der Szechuanpfeffer (Zanthoxylum piperitum, der chinesische Blütenpfeffer Hua Jiao) zu den faszinierendsten Gewürzen. Nur leider passt der Name nicht besonders gut zu dem Gewürz, denn mit Pfeffer hat es außer der Kugelform nichts gemeinsam. Tatsächlich ist es die Frucht des Gelbholzstrauches, der mit den Zitruspflanzen verwandt ist (gibt es auch als Bonsai). Der Geschmack ist ganz anders – am besten beschreibt es tatsächlich das Adjektiv „elektrisch“. Denn wenn man eines der Körner zerbeißt empfindet man auf der Zunge einen elektrisierenden Geschmack, in etwa so wie wenn man an den Polen einer 9-Volt-Blockbatterie leckt.
Mit diesem Gewürz, das in der Szechuanküche einen prominenten Platz einnimmt und essentieller Bestandteil des chinesischen Fünfgewürzepulvers ist, kann man also das übliche fünfdimensionale Koordinatensystem des Geschmacks verlassen und so etwas wie „kulinarische Transzendenz“ erleben. Im Chinesischen gibt es für diesen Geschmack mit má sogar ein eigenes Zeichen, das Taubheit, Anästhesie, Lähmung bedeuten kann.
Zu dem elektrisierenden Gefühl, dem Hauptelement des Geschmackserlebnisses, das auch nach dem Herunterschlucken eine ganze Weile anhalten kann, kommt dann noch eine angenehm frische, limonadige Süßsauernote. Dazu dann noch hölzerne Bestandteile – und fertig ist das wunderbare Szechuanpfefferbouquet. In den USA gab es seit 1968 kaum eine Möglichkeit, das auf legalem Weg zu erleben, den Szechuan war dort fast 40 Jahre lang verboten. Von wegen „Amerika, du hast es besser„. Man befürchtete nämlich, dass sich durch das Gewürz ein Baumkrebs („canker„) auf den ökonomisch bedeutenden amerikanischen Zitrusplantagen ausbreiten könnte. Kurios ist dabei die Tatsache, dass dieser Erreger Xanthomonas die Grundlage für die Produktion des Hydrokolloids Xanthan ist. Die US-Regierung hat also der Bevölkerung die Möglichkeit, eine authentische Szechuanküche zu schmecken, genommen, um im Pflanzenschutz auf der sicheren Seite zu sein.
Jetzt wurde dieses Verbot wieder aufgehoben und die Chinarestaurants des Landes können wieder ihre kalten Nudeln mit Szechuanpfeffer, ihr Hühnchen in Szechuanpfefferöl, die warmen Nudeln in Szechuanpfeffersauce und die grünen Bohnen mit zerstoßenem Szechuanpfeffer genießen. Und wer weiß wie viele Amerikaner von der anästhesierenden Würzigkeit der Körner fast schon abhängig werden. Eine habe ich schon gefunden. Saucy Contessa schreibt nämlich: „it is what we use as our everyday pepper – this goes in almost everything we cook!“ Dabei ist die von diesem Gewürz ausgelöste Geschmacksempfindung, wie Harold McGee schreibt, eine faszinierende Angelegenheit. Es werden verschiedene Nervenenden angeregt, ein Berührungs- und Kältegefühl zu senden, die normalerweise für diese Empfindungen gar nicht zuständig sind. Er spricht demzufolge von einer „neurologischen Verwirrung“.
Trotz der Aufhebung der Szechuanpfeffer-Prohibition – legal verkauft werden kann das Gewürz aber nur, wenn es kurzzeitig auf 70°C erhitzt wurde -, ist es in den USA noch längst nicht überall zu finden. Aber es steht bereits in den virtuellen Regalen von amazon.com und kurioserweise beziehe ich meine Körner ebenfalls von einem amerikanischen Anbieter.
Auch die Blogosphäre kocht gerne mit diesem Gewürz, von einer Apfel-Kokos-Möhrensuppe über ein Grünes Spargel Sushi mit Szechuan-Pfeffer oder ein Fondue mit asiatischem Gewürzsud bis hin zu Ricottatörtchen oder einer asiatischen Glühweinvariante.
(Abbildungen „HuaJiao (Sichuan Pepper)“ und „HuaJiao field (Sichuan Pepper)“ von Philou.cn, „Shrimp“ von Laurel Fan)
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