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Akrylamid: die Dunkle Seite der Mailard-Macht

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Erinnert sich noch jeder an Akrylamid (Tödliche Pommes in Schweden; Lebensgefahr in der Brotkruste etc.)?
Am 1.11.2003 hatte die aufgeschreckte EU-Bürokratie das Forschungsprojekt Heatox-Projekt“ ins Leben gerufen, um zu erforschen, ob die schädlichen Stickstoffverbindungen nur in einigen industriell gefertigten Lebensmitteln entstehen oder gar fester Bestandteil der europäischen Fritier-Küche sind – und wie in der Herstellung die Entstehung von Akrylamid möglichst vermieden werden kann.

Jetzt liegt das Ergebnis vor (natürlich wieder ein besonders schönes Beispiel von Powerpoint-Präsentation):

  • Akrylamid erzeugt tatsächlioch Krebs.
  • Für industriell erzeugte Lebensmittel gibt es kein Entrinnen, lediglich die Möglichkeit zur Reduktion (z. B. Kartoffeln blanchieren und nur kurz und nicht zu heiß frittieren).
  • Markentreue führt zu besonders hohem Risiko

Da bleibt nur eins: Selberkochen.

Kochmuetzen.net


Professionellen Austausch für Profi-Köche bietet das neue Kochportal www.kochmuetzen.net.
Unter dem Tag Molekulare Rezepte finden sich auch schon einige Kreationen des Gründers Henrik Schellhoss, z. B. Gurkengelee mit Zander, Gänseleber und Kreuzkümmelöl.

Zartes Geflügel nach Art der Eipo

Auf besonderen Wunsch einiger Leser kommen hier einige Tips, wie man auf molekularem Wege zu besonders zarten und wohlschmeckenden Geflügelbraten im Ofen gelangt und nicht zu einem alten, zähen Stück Leders:

Drei Punkte gilt es zu beachten:
1)

„Die Gans ist schon tot. Wozu dann noch soviel Hitze im Backofen?“Johann Lafer

Wichtig ist vor allem genügend Feuchtigkeit im Rohr. Bei deutlich unter 100°C einige Stunden garen.

2) Das Fleisch bleibt zart mit Hilfe von Fruchtsäure und Fruchtenzymen.
Sehr gut eignen sich frischgepresste Säfte von Papaya, Annanas oder Feigen, die mittels großlumiger Kanüle dem Viehch unter die Haut injiziert werden. Auch wegen der Wirkung der Enzyme ist niedrigere Temperatur vorteilhaft: die Eiweißstoffe zerfallen über 70°C

3) Die obligatorische Mailard-Reaktion.
Dafür den Vogel mit einer Marinade aus Butter, Honig und Sojasauce einpinseln und am Schluss kurz unter den heißen Grill schön braun werden lassen – sehr gut geeignet ist auch ein Bunsenbrenner.

Dem Autor dieses Posts ist noch in guter Erinnerung, wie lecker die nach Art der Eipo auf Papua (West Neu-Guinea) im Erdofen bereiteten Schweine waren: drei Stunden Garzeit, eingewickelt in Bananenblätter (Enzyme!), umgeben von Steinen, die zunächst im Feuer erhitzt waren und bedeckt von ca. 50-80 cm Erde. (Hier der schöne Film zum Thema). Dieses allerdings hier im heimischen Seewiesen erlebt.

Die Schmalkalder kneten Senf in den Hackepeter. Die Meininger kennen das nicht.


Der Molekularen Küchen bleibt vermutlich das Schicksal nicht erspart, wie es vor dreißig Jahren ihre Mutter, die „Nouvelle Cuisine“ ereilte. Aus einer Eliten-Kiste wird eine Avantgarde, dann eine „frühe Mehrheit“ und dann sinkt die Sache zur Bedeutungslosigkeit.
Dieser Hype-Cycle ist, wie ihn die Gartner Group treffend nennt, Beschreibt das Auf und Ab technologischer oder kultureller Trends.

Damit kein falscher Eindruck entsteht: der Autor dieses Posts freut sich wirklich, dass auch auf der Weihnachtsfeier des Köcheverein Schmalkalden-Meiningen molekular gekocht wird, aber die Erinnerung wird wach, der letzte Kondratiew des Kochens mit der „Neuen Küche“ aus Frankreich über Deutschland lief. Zunächst einige Spitzenköche wie z. B. Witzigmann, dann das schnelle Absinken zu vollkommenem Blödsinn: „Ich kann den ganzen Novelle Cuisine Scheiß nimmer sehen“, wie dann Franz-Xaver Kroetz in Kir Royal treffend sagt.

Auf nach China, ins Land der teuren Vasen


Hier sieht man Chef Mark Pi beim Nudel-Ziehen, und zwar bis zu einem Durchmesser von nahezu molekularen Dimensionen – durch wiederholtes Teilen. Ein schönes Beispiel von der physikalischen Seite des Kochens.

„We approach the division of matter…by halving and halving and halving it again.“

sagt der Physiker Philipp Morrison dazu.
via slashfood.com

A taste of things to come


Von Bruno Maddox lesen wir im Magazin Discover jüngst eine neuartige Apologie der Molekularen Küche: sie kann den Welthunger lindern!
Maddox, Autor der Kolumne „Blinded by Science“ propagierte an selber Stelle das Ende der Wissenschaft.

To the cynics who say such food creations are just pretentious gimmicks, Maddox replies that the potential for cooking experimentation to cure world hunger is real and has even attracted the attention of scientists. An interesting defense of often-maligned, cutting-edge cuisine.
via brijit.com

Das AG.MA-Senf-Sorbet

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Die Welle der „Plus-Nouvelle-Cuisine“ rollt – als Beleg dafür: die diesjährige Hauptversammlung der Arbeitsgemeinschaft Mediaanalyse, kurz AG.MA, jenem Joint Industry Commitee, das die Medienforschung in Deutschland zu einem organischen Corpus vereint …
Auf jeden Fall gab es zur Abendveranstaltung im Hamburger Restaurant „Au Quai“ einige zeitgenössische Nettigkeiten wie z. B. Bonbons aus Ziegenfrischkäse oder die Nordsee-Krabben mit Senf-Sorbet (s. mein leider etwas wackeliges Foto neben an, aber so ist das eben mit den Telefon-Kameras …)

Ancien Régime

Ich bin schon stolz darauf, dass wir in Tirol kein Restaurant haben, das durch seine Molekular-Küche bekannt wird.

sagt Martin Sieberer, 18 Mützen (!) im Gault Millau, Restaurant „Paznauner Stube“, Ischgl, was uns aber verwirrt, da er doch jüngst im Feinschmecker ein Rezept für Oliven-Eis mit Passionsfrucht-Kaltschale veröffentlicht hat …

Der nächste Übeltäter: Sous-vide

Es sind nicht nur die Moleküle, die von den US-Behörden als Bedrohung bekämpft werden, nein, es ist auch die Molekulare Küche selbst. Das Problem: es werden hier Techniken angewendet, die man nicht in der Kochschule lernt und für die es am Ende keine staatlichen Regularien gibt! Da ist es doch logisch, dass Bürgermeister Bloomberg, nach der erfolgreichen Vertreibung der Trans-Fette aus New Yorks Restaurants und dem nimmer müden Kampf gegen unhygienische Küchen auch der Haut-Cusine sich annimmt. Schon aus Proporz.

Also folgt das Verbot des Sous-Vide-Garens: Farewell, French Fries! Hello, Sliced Apples!, wie die NY-Times jammertjubelt

„I guess it will only be a matter of time before Philadelphia’s health department comes up with a similar guideline.“

meint Christopher Lee, executive chef des Striped Bass in Philadelphia (zitiert nach Nation’s Restaurant News)

The Salt Threat

Weiter geht es mit dem nächsten Schurken-Molekül:

Too Much Sodium in Diet Harmful to Americans‘ Health

wissen die ABC-News brand aktuell zu berichten. Und deshalb rückt die US Food and Drug Administration FDA dem Feind des Blutdrucks mit zukünftigen Grenzwerten für Lebensmittel zu Leibe.

American consumers enjoy one of the safest food supplies in the world; however, we know it can be made even safer.

Leider ist eher zu vermuten, dass solche, für kleine und mittelständische Erzeuger nur schwer dokumentierbaren Grenzwerte, wie schon die schwachsinnigen „Nutrition Facts“ nur ein Ziel haben: mehr Konzentration auf die Industrie-Giganten.

Auf jeden Fall entwickelt die Dialektik zwischen Salz-Hass und Salz-Liebe uns wieder einmal den Leitsatz des Good Old Aristotelian Europe: ????? ???????.