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Siebeck wird 80 und hat noch viel zu tun

Kaum zu glauben, aber Deutschlands mit Abstand lesenswertester Gastrosoph Wolfram Siebeck (auch bekannt als „Adorno mit dem Schneebesen„) ist heute 80 Jahre alt geworden. Eine schöne Zusammenstellung von Glückwünschen liefert der heutige Tagesspiegel. Unter den Gratulanten sind Eckart Witzigmann, Sarah Wiener, Alfred Bioleck und Renate Künast.

Alle stellen sie die wichtige Rolle heraus, die Siebeck mit seinen Büchern und Artikeln für die Entwicklung des guten Geschmacks in Deutschland gespielt hat – wenn er nicht die Kategorie Geschmack überhaupt erst in Deutschland als relevante Größe eingeführt hat. Wie wichtig so jemand auch heute noch ist, sieht man in dem bisher einzigen Nutzerkommentar zu den Glückwünschen:

Von Wolfram Siebeck weiß ich nicht viel, von daher dürfte ich nicht meinen Senf dazutun. Aber, er ist mir in Erinnerung als einer, der lieber gar nichts ißt, wenn es denn nichts gutes ist (oder in diesem Sinne, seine eigene Aussage). Arroganter kann es wohl niemand ausdrücken.

Besser kann es wohl niemand ausdrücken, wie lebendig immer noch das Denken ist, auf den guten Geschmack zu achten, wäre eine arrogante Haltung. Der undifferenzierte Fraß wird in diesem Denken zur Tugend erklärt: Hauptsache satt („All-Inclusive-Buffetismus“). Wenn man einen Blick auf die Ergebnisse der Marktforschung zum Einkaufsverhalten der Deutschen wirft, wird klar, dass es sich hier nicht um eine Minderheiten-, sondern eine Mehrheitsperspektive handelt.

Deshalb von dieser Seite neben herzlichen Glückwünschen an das Geburtstagskind auch die dringliche Bitte, noch lange nicht daran zu denken, in Rente zu gehen. Es gibt noch viel zu tun.

"Chemische Küchenkeule"

Wenn man sich nach der
Koffein-Euphorie über die tollen Medien auf den Münchner Medientagen wieder ernüchtern will, empfielt sich stets ein Blick in das Feuilleton der Zeit – dem stetigen Manifest des Kulturpessimismus.

Es wäre nicht die Zeit, wenn wir uns nicht darauf verlassen könnten, dass es – wenn sich sonst schon alle in Lobhudeleien ergehen – hier eine solide Schmähung der molekularen Küche zu entdecken gibt:

Die nachhaltigste Küchenmode der letzten 100 Jahre war die Nouvelle Cuisine. Sie veränderte wenigstens das Aussehen und den Geschmack der Tellergerichte, welche überwiegend mit traditionellen Hilfsmitteln zustande kamen. Die Molekularküche versucht hingegen, den gleichen Geschmack und das gleiche Aussehen der tradierten Speisen durch neue Methoden zu erreichen. Es ist der Unterschied zwischen revolutionär und konservativ. Noch nie hat einer der Physiker mit dem Chemiekoffer behauptet, dass seine Voodoo-Küche den Geschmack der Speisen verbessere. Man hat den Eindruck, sie propagierten die Molekularküche nur, um zu beweisen, dass man auch anders kochen kann, als es die Großmeister am Herd bisher getan haben.

(auch der der Rest des Artikels von Siebeck ist recht lustig.