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123 – fertig ist der Klippfischbrei

Wenn so jemand wie Marc, Molekularküchenleser der ersten Stunde, ein Stöckchen hierher wirft, dann lässt sich das kaum ignorieren. In diesem 123-Stöckchen geht es darum, einen zufälligen Blick darauf zu erhaschen, welches Buch gerade auf dem Schreibtisch, Couchtisch, Nachttisch etc. der betroffenen Person liegt:

„pick sentence 6-8 on page 123 of the nearest book, write them down and pass the game on to 5 other bloggers. …“

wolfert.png
In der Molekularküche liegt selbstverständlich ein Kochbuch in unmittelbarer Reichweite. Aktuell: Paula Wolferts herrliches „The Cooking of Southwest France“, das man schon allein des großartigen Rezepts für das Rotwein-Zwiebelkompott (Compote d’Oignon au Vin Rouge, S. 348) kaufen sollte. Einen Eindruck in die stilistische Geschliffenheit des Buches von Wolfert – übrigens die einzige Autorin, bei der man sich absolut sicher sein kann, dass sie, wenn es im Buch heißt: „90% der Köche in Südwestfrankreich entfernen den grünen Trieb des Knoblauchs“, tatsächlich 100 Köchinnen und Köche befragt hat – vermitteln die ersten beiden gewünschten Sätze 6-8 auf Seite 123:

Beat until smooth. Keep warm.

Das könnte der Anfang eines Songtextes einer New Yorker Postpunkband sein, ist aber der Höhepunkt des Rezeptes einer „Morue à la Rouergate“ (Püree aus Klippfisch, Kartoffeln und Walnussöl). Weiter geht es mit

Meanwhile, scald the remaining 3/4 cup milk in a small saucepan and heat the remaining walnut oil in a second saucepan.

Und dann ist der Aufstrich fast fertig und kann auf die Knoblauchtoasts gestrichen werden.

Jetzt bin ich aber gespannt, welche (Koch?)Bücher bei euch in der Nähe liegen und reiche das Stöckchen weiter an

Butter bei die Fische

butterfish.pngGerade hatten wir über die Olestra-Episode in Jeffrey Steingartens „The Man Who Ate Everything“ berichtet, da taucht in der Blogosphäre eine weitere kuriose Geschichte über gefährliche Fette, die den Körper ungehindert wieder verlassen können – diesmal allerdings natürlicher Art. Was die Chemieindustrie in ihren Labors zu Stande bringt, schafft die Natur doch aus dem Stegreif. Das Onlinemagazin Radar hat eine schöne Story über den in den USA verbreiteten „Butterfish“. In diesem Fall waren die Folgen des sehr wohlschmeckenden Gerichts gastrointestinale Störungen in Gestalt von „substantial, uncontrollable bursts“. Das Ergebnis waren zwei Fehltage in der Arbeit und fünf ruinierte Hosen.

Der Fisch, der auf Hawaii seiner abführenden Wirkung auch „Ex-Lax fish“ genannt wird, enthält viele Wachsester, die ähnlich wie das Kunstfett Olestra von Menschen nicht aufgenommen werden können und deshalb den Körper so wieder verlassen, wie sie hineingekommen sind. Nur unter Umständen etwas eiliger. Wenn man 100g dieses Fisches zu sich nimmt, nimmt man etwa 20g Wachsester (Gempylotoxine) zu sich, C14- bis C22-Fettsäuren, die mit Fettalkoholen ähnlicher Kettenlängen verestert wurden. In einem Fachartikel klingt das dann so:

Symptoms range from mild and rapid passage of oily yellow or orange droplets, to severe diarrhoea with nausea and vomiting. The milder symptoms have been referred to as ‚keriorrhoea‘ (literally ‚flow of wax‘).

Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung hat schon vor dem Verzehr der Fische gewarnt, auch wenn bislang in Deutschland noch keine Fälle bekannt wurden.

Eigentlich sind es zwei Fische, vor denen man sich in Acht nehmen sollte: der „Ölfisch“ (Oilfish, Ruvettus pretiosus) sowie der „Escolar“ (Lepidocybium flavobrunneum). Der „Butterfisch“ (Scatophagus sp. – welche ein Name) selbst ist dagegen unproblematisch, ebenso wie der sogenannte „Rudderfish“ (Tubbia). Da sich die Fischhändler jedoch nicht an die wissenschaftliche Nomenklatur halten, gelangen Ölfisch, Rudderfish und Escolar häufig unter dem Handelsnamen Butterfisch in den Handel. In Europa bezieht sich „Butterfisch“ wieder auf einen ganz anderen Fisch – Pholis gunnellus -, der überhaupt nichts mit seinen schwerverdautlichen Kollegen zu tun hat. Die gefährlichen Lepidocybium und Ruvettus gelangen hier unter dem Namen „Buttermakrele“ in den Handel, wurden aber auch schon als „Kabeljau (Butterfisch)“ verkauft.

Besonders schön ist der Gedanke, dass diese Fische in einigen US-Restaurantketten als Valentinstagsmenü angeboten wurden. Das sind gewiss unvergessliche Abende geworden.