Gestern veröffentlichte die Nachrichtenagentur Reuters ein Interview mit Heston Blumenthal, das sie am Rande der Mailänder Foodmesse „Identita Golose“ (wir berichteten) mit dem englischen Dreisternekoch geführt hat. In der Überschrift wird auf „magic water“ hingewiesen, das Blumenthal anscheinend zur Zeit beschäftigt. Leider erfährt man in dem Interview nichts weiter darüber, denn auf die Aufforderung „Tell me more about the magic water“ antwortet er nur „I can’t say anything!“
Schade, ich hatte schon damit angefangen, mir Gedanken über diese – neben der Hitze – ebenfalls äußerst unterschätzte Zutat des Kochens zu machen. McGee widmet dem Thema zwar dreieinhalb Seiten seines Werkes, wenn man das aber mit den vier Seiten für Butter oder den fast doppelt so vielen Seiten über Zucker vergleicht, ist das für eine derart grundlegende Zutat doch etwas wenig. Bei McGee erfährt man etwas über die Polarität der Wassermoleküle, die dazu führt, dass Wasser so gut zusammenhält, über Wasser als Lösungsmittel, die Aggregatzustände und den pH-Wert. Von Magie oder Zauber keine Spur.
Dabei ist gerade der symbolische Wert des Wassers äußerst bedeutend. Nicht nur besteht unser Essen (wie auch unser Körper) zum größten Teil aus Wasser. Nein, auch die Assoziationen mit Wasser sind in der Regel sehr positiv. Das zeigen zum Beispiel immer wieder klangwissenschaftliche Studien in der Nachfolge von R. Murray Schafer: Wenn es um die Beurteilung von Geräuschen geht, werden Flüsse, Bäche, Quellen und sogar Springbrunnen meistens als besonders angenehme Klangkulisse empfunden. Insofern wäre es denkbar, dass Blumenthal, der in dem Interview immerhin mitteilt, momentan mit Lichtdesignern, Parfumeuren, Sounddesignern und Hologrammtechnikern zusammenzuarbeiten, auf diese positiven Gefühlswerte des Wassers anspielen wird. Zumal Wasser in seinem kulinarischen Archetypus eine wichtige Bedeutung hat:
When I was 15 or 16, we went to France and my parents took myself and my sister to a three Michelin-starred restaurant in Provence. You ate outside under olive trees, and there was the noise of running water.
Und dann ist da freilich noch die alchemistische Gegenüberstellung des langwierigen, feuchten Weges, der durch wiederholte Destillationen zum Stein der Weisen führt, und des kurzen, aber gefährlichen trockenen Weges, der in der Regel mit dem Salz verbunden wird. Salz und Wasser also eine weitere Polarität, die in dem gesalzenen Wasser, dem Meerwasser oder der Wiege alles Lebens aufgehoben werden kann. Zugleich aber eine für den Menschen gefährliche Flüssigkeit, wie schon Heraklit betonte: „Meerwasser ist das reinste und scheußlichste: für Fische trinkbar und lebenserhaltend, für Menschen untrinkbar und tödlich.“
In den meisten Kochrezepten wird das Wasser nicht weiter spezifiziert. Nur Tee-Enthusiasten und investigative Gastrokritiker wie Jeffrey Steingarten scheinen sich ausführlich mit dem Thema – mit dem Geschmack des Wassers – zu befassen. So zitiert Steingarten Studien, die von der simplen Erkenntnis, dass reines bzw. destilliertes Wasser nicht nur unbekömmlich ist, sondern auch miserabel schmeckt, ausgehen und schließlich feststellen, dass Wasser umso angenehmer schmeckt, je ähnlicher es der menschlichen Saliva wird. Anteile von Kalzium und Kalium sind wichtig, während Magnesium zu einer groben, bitteren Geschmacksnote führt. Steingarten schließt seine Ausführungen zum Thema Wasser mit dem Ergebnis, dass Naya, Volvic, Connoisseur, Bourassa, Quibell, Fiuggi, Lora, Poland Spring, St. Michel, St. Jean und Clairval seinem Idealbild einer klaren Alpenquelle am nächsten kommen, aber immer noch ein kleines Stück davon entfernt sind.