verarbeitete Speisen sind funktional einfach, strukturell komplex
– Natur/Kultur Teil2 –
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Das ist ein Merkmal des Fortschritts: Alles wird strukturell komplexer, um funktionell einfacher zu werden.
Vilém Flusser
Künstlichkeit – das ist der Vorwurf, dem sich die Molekulare Küche ausgesetzt sieht. Kurti und This ist es gelungen, insbesondere die analytischen Techniken der Lebensmitteltechnik in unsere Küchen zu führen; Adrià hat uns Geliermittel salonfähig gemacht, die zuvor nur industriell eingesetzt wurden, Blumenthal beschenkt uns mit Hummerbrühe, gefriergetrocknet, wie einen Brühwürfel.
Noch vor 100 Jahren mussten zumindest die Haushalte auf dem Lande alle Schritte des Kochens selbst in der Hand behalten – beginnend beim Anbau der Rohstoffe, dem Schlachten des Viehs, dem Schlagen des Holzes zum Heizen des Herdes, bereiten der Butter etc. Das bedeutet auf der einen Seite viel Arbeit, auf der anderen Seite aber auch die vollständige Beherrschung der Technik.
Convenience-Food hat ja seinen Namen nicht von ungefähr: je mehr wir das Kochen industrialisieren, an Spezialisten abgeben, desto weniger sind wir Herr über unsere Ernährung, aber auch – mindestens genauso wichtig – über unseren Geschmack!
Wieder hat bereits McLuhan pointiert, dass der Manager, der sich streng an seinen Terminplan halten muss, als Servo-Mechanismus seiner Uhr funktioniert, genau, wie man den Indianer, der sein Kanu rudert, als Motor des Kanus funktioniert. Folgen wir den Apparaten, funktionieren diese nicht mehr als Erweiterung unserer Sinne, sondern wir nehmen die Funktion der Erweiterung der Apparate ein.
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Und hier sind wir am Punkt der Kritik an der Molekularen Gastronomie angekommen: flüssigen Stickstoff werden wir uns nie selbst kondensieren, Alginat kaum selbst extrahieren. Es wird uns offenbar, dass wir das Heft vielleicht schon aus der Hand gegeben haben. Wer backt noch Brot? Wer wurstet selbst? Und nur Experten bereiten sich die – fürs tägliche Kochen doch unverzichtbaren – Fonds noch regelmäßig selbst.
Molekulare Küche ist die Synthese dieser Gegensätze: Sie geht dem Kochen analytisch auf den Grund und gibt uns dadurch mehr Kontrolle, als je zuvor; analytisch bedeutet ja gerade Schritt für Schritt; Molekulare Küche ist ja alles andere, als Conveniece Küche, aber sie akzeptiert die Realität der „Entfremdung“, der zunehmenden Distanz von weiten Teilen des Produktionsablaufs.
Molekulare Küche ist progressiv (im ideologischen Sinn).
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Weiterführende Literatur