– Natur/Kultur Teil 4 –
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Man kann nicht alle [Nahrungsmittel] unter den gleichen Umständen servieren. Die einen werden genossen, ehe sie sich völlig entwickelt haben – Kapern, Spargel, Spanferkel, Tauben und dergleichen Tiere, die man in ihrer Frühzeit verzehrt; andere im Augenblick, da sie die höchste Stufe der Vollkommenheit ersteigen, die ihnen beschieden – Melonen, die meisten Früchte, das Schaf, der Ochse und alle ausgewachsenen Tiere; wieder andere gerade, wenn ihre Zersetzung anhebt – Mispeln, Schnepfen und vor allem der Fasan; machen endlich werden erst künstlich die schädlichen Eigenschaften genommen – der Kartoffel, dem Maniok und ähnlichem.
Brillat-Savarin
Über das Dreieck der Nahrung von Levi-Strauss hatten wir schon früher geschrieben. Auch zur Diskussion um natürlichere versus künstlicheres Kochen können wir hier Anregungen finden.
Bitte keinen Sarkasmus; ich weiß, dass natürlich und künstlich statische Begriffe sind, die sich sowenig steigern lassen, wie ‚rot‘ oder ‚viereckig‘; aber über die sprach-begriffliche Unsinnigkeit unserer Diskussion hatte bk sich ja bereits umfangreich geäußert …
Nach Levi-Strauss können wir alles, was wir Essen, in der Fläche des Dreiecks verorten, dessen Ecken die Reinform des Zustandes bilden: roh, also unbearbeitet, gekocht, d. h. kulturell bearbeitet oder verfault, im Zustand der Zersetzung.
Wir nehmen unsere Nahrung so gut wie nie vollkommen roh und unbearbeitet zu uns – selbst roh verzehrtes Gemüse waschen und schälen wir in der Regel. Ebenso haben wir den verzehr von Aas seit einigen Millionen Jahren aufgegeben. Vielmehr befindet sich unsere Nahrung stets im Zustand mehr oder weniger stark fortgeschrittener kultureller Denaturierung (gekocht, gebraten, konfiert etc.) oder natürlicher Zersetzung (fermentiert, vergoren, abgehangen etc.), wie dies gewohnt eloquent von Brillat-Savarin in unserem Eingangszitat aufgezählt wird.
Hier meine Version der oben zitierten Aufzählung Brillat-Savarins im Dreieck von Levi-Strauss:
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Weiterführende Literatur